: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 13. Dezember 2008

Bastelarbeit für lange Winterabende

Das Internet macht vieles auf eine billige Art einfach. Es gab mal eine Zeit, da strich man auf Büchern den aufgedruckten Preis durch, wenn man sie verschenkte. Der Beschenkte hätte dann schon in den Buchladen gehen und nachfragen müssen, was das Buch kostet - gefunden hätte er den Preis, wenn überhaupt, in dicken Katalogen. Allein, es wäre unhöflich, geht es doch ncht um den Geldwert, sondern um Wertschätzung. Um diese Trennung zwischen Geschenk und dessen Bezahlung aufrecht zu erhalten, um das Nachschauen bei den diversen Billiggeizplattformen auszuschliessen, treibt es mich vermehrt in Geschäfte, deren Produkte nicht einfach so im Netz zu finden sind.

Das Netz entmystifiziert das Leben. Wer vor 100 Jahren einen Muranoleuchter haben wollte, musste ihn entweder beschwerlich aus Venedig mitbringen, oder mit langen Wartezeiten bestellen. Der Zauber des Mitbringsels aus Italien, die dazu gehörige Geschichte, das alles geht verloren, wenn man sich im Internet durch die Angebote klickt. Und dann vielleicht auch noch meint, dass die 1400 Euro für einen kleinen, handgebauten Leuchter doch zu viel Geld ist, und sich lieber für ein Pressglasimitat entscheidet, das nur 500 Euro kostet, und dessen Murano in Tschechien liegt. Oder man macht gar den Ironischen und geht in den Baumarkt, wo es Plastikklips zu kaufen gibt, die alte Formen verhöhnen.



Man hat alle Möglichkeiten des sofort und jetzt und immer, man muss nicht suchen und überlegen, solange die Karte nur genug Geld ausspuckt und man sich am Dispo orientiert. Im Prinzip ist es auch gar nicht so schlimm, man kann sich bei diesen Plastikpreisen jedes Jahr eine neue Lampe leisten, a la mode. Und die alte Lampe wegschmeissen. Im Internet findet man die Rabatte und Preissenkungen, man kauft mit einem Klick, alles ist irgendwie verfügbar, man muss nicht lange suchen, wenn man keine Zeit und - ausnahmsweise - keine Lust auf I*es, R*ller und Co. hat. Andererseits kommt man da erst gar nicht auf blöde Gedanken wie den Erwerb des schwierigsten und anfälligsten Objektes, das die Lampenproduktion hevorgebracht hat, denn Muranoleuchter sind bis heute zu teuer und zu ausgefallen, als dass man sie in freier Kapitalismuswildbahn antreffen würde.



Deshalb aber will der Kenner sie so und nur so finden: Zerbrochen, zerlegt, mitgenommen von den Zeitläufen und angeknackst durch die unvermeidlich schlechte Behandlung. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwann einen vollkommen unbeschädigten alten Muranoleuchter gesehen zu haben, und selbst neue Exemplare belieben schon bei der Anlieferung hier und da zu splittern. Zu viel Abstehendes wurde ihnen mitgegeben, zu dünn sie die Glasstäbe, und nach ein paar Jahrzehnten löst sich auch der Kitt auf, mit dem die Dekorelemente an ihrem Ort gehalten werden. Für den Kenner jedoch ist diese Vergänglichkeit kein Zeichen italienischer Schlampigkeit, sondern eine Erinnerung an die Tristesse sterbender Grösse, die auch Venedig umschliesst. Und gerade jetzt, da auch in Riva am Gardasee ein Geschäft aufgemacht hat, um erneut Touristen den fragilen Glanz der Lagunenstadt für den Weg über die Alpen zu offerieren, mit Einsteigspreisen um die 1200 Euro, aber bitte Dottore, bedenken Sie doch, die Handarbeit, das ist etwas besonderes - gerade jetzt kommt die Wirtschaftskrise, und wir werden einen brutalen Rückschritt zu immer noch teuren, aber von jedem ostentativen Prunk befreiten Räumlichkeiten erleben.



Irgendjemand jedenfalls hat das bereits getan, sich befreit von der Mühe, so einen Leuchter zu reinigen und zu warten, ansonsten hätte ich nicht vorgestern in einem Altwarenhandel - Antiquitätengeschäft kann man das nicht nennen - eine Kiste mit dem gefunden, was die Zeitläufe von einem Muranoleuchter zurückgelassen haben. Eine Blechschale und die Kerzentüllen fehlen, die obere Rosette hat jemand schon mal mit der Heissklebepistole zu reparieren versucht, und natürlich sind auch drei Blattranken gebrochen. Es ist diesem Status der Zerstöung zuzuschreiben, dass er, sagen wir mal, unter 5% dessen kostet, was mal auf dem Preisschild gestanden haben dürfte, denn jedes Extra, die rosa Spitzen, die tordieten Stäbe, die gedrehten Blätter hat einen eigenen Preis, und dennoch wollte ihn keiner haben. Vielleicht blieb er liegen, weil die rosa Blattspitzen heute nicht in jede Einrichtung passen, vielleicht ist es anderen zu viel Arbeit gewesen. Manchmal findet man eben etwas, das andere nicht erkennen. Dann geht man aufgwühlt zur Kasse und hofft, dass dort keiner sitzt und es sich mit dem Preis nochmal anders überlget. Selbst in diesem traurigen Zustand wäre er für 250 Euro immer noch billig. Aber - keiner sagt etwas. Zahlen, einpacken, und hoffentlich weniger beim Zusammenbau fluchen, als man annehmen könnte, angesichts dieser Kiste voller Trümmer, die ihren Wert nicht aus dem Preisschild im Internet bezieht, sondern aus der Jagd, der Anspannung und letztlich dem Gefühl, diesen Glanz der Serenissima gerettet zu haben. Man kann es so nicht im Internet beschaffen. Den Leuchter nicht, und das Glück auch nicht.

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Empfehlung heute - Es wird schlimm enden

Aber sowas von. Ich weiss nicht, ob ich darüber lachen darf oder weinen sollte, aber dieser Beitrag über den Aktienzocker Bernard Madoff und möglicherweise 50 verschwundene Milliarden bei Bloomberg ist sicher einer der 10 Texte dieses Jahres, die man unbedingt gelesen haben muss:

While meeting the pair at his home yesterday, Madoff conceded that he was “finished,” that his advisory business is “all just one big lie” and “basically, a giant Ponzi scheme,” the government said. The business had been insolvent for years with losses of about $50 billion, he told the employees, according to the criminal and SEC complaints.

Madoff said he had about $200 million to $300 million left and planned to distribute money to select employees, family and friends before surrendering to authorities in about a week, the government said.


Da kann man nur an die gute, alte Enron-Geschichte erinnern. Einigen Hedge Fonds werden heute die Trümmer um die Ohren fliegen.

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