: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 31. Oktober 2009

Was der Atheist mit der Kasel macht

Es wird ja viel geflucht über die Medientage, dass sie langweilig seien, dass die Reste dieser Szene nur über das Geld sprechen und ziemlich wenig davon haben, man verachtet als normal denkender Mensch die billigen Werbegeschenke und die gebrandeten Drinks, das Essen war auch schon mal besser und dann fragen sie einen, wo man in vier Jahren die Medien sieht -

nun, ich weiss nicht, so diese Medien auf diesen Tagen in vier Jahren sein wollen; ich weiss nur, dass ich mich darum nicht kümmern möchte, denn zu diesem Zeitpunkt möchte ich bereits in Meran leben, am besten in Obermais, und Apfelstrudel backen. Klingt nicht gerade nach einem ambitionierten Karriereziel und so mich die FAZ noch will, werde ich dort sicher auch noch sein, aber mit dem, was auf den Medientagen in Durchschnitt rumrennt - möchte ich nicht nochmal einen sonnnigen Oktobertag verbringen. Genauso, wie man irgendwann für die Raupe Mimmersatt zu alt wird, wird man auch für realitästverweigernde und besitzstandswahrende Medienknallchargen zu alt.

Aber nicht alles ist schlecht - da war beispielsweise die Pause zwischen meinen Debatten.



Und da kommt mir zugute, dass ich unter all den Media Professionals vermutlich der einzige Ahnungslose und Nichtskönner auf dem Podium bin - weder bin ich ein Pleitier wie Peter Turi, noch ein sozialverträglicher Stellenabbauer wie der Reitz und schon gar kein sanft sprechender Onlinechef wie der Blau von der Zeit - nur ein netter Irrer mit ganz anderer Vergangenheit in einem Orchideenfach, in den die wirklich netten Leute noch orchiedeenhaftere Aspekte herausgriffen. Paläoethnobotanik zum Beispiel war grossartig. Oder auch Stoffkundlerinnen. Wer in der der Sachkulturforschung nach Paarung sucht: Man bevorzuge die Stoffkundlerinnen. Und neben einigen schönen Erfahrungen habe ich auch aus jener zeit ein gewisses Faible für historische Stoffe mitgebracht. Normalerweise sind in den Domschätzen die Paramente die am wenigsten beachteten Stücke, ich aber mag sie sehr, wissend um die Vermögen, die in die Gewänder der Priester und später auch der weltlichen Fürsten gesteckt wurden. Und da traf es sich gut, dass die Medientage eine Pause hatten, und ich schnell man nach Freimann konnte.



In Freimann, das wusste ich, war auch ein türkischer Herr, der wiederum einen deutschen Antiquitätenladen aufgelöst hatte. Darin fand sich manches, was eher mittelprächtig war, anderes, das man mit einem gewissen Mut aufhängen könnte, wie etwa ein vegoldeter Paravent, und zwei Kaseln. Mit Preisschild. Als ich das erste Mal danach fragte, war er so nett, mir auf die Kasel mit Goldbrokat und mit Leonischen Drähten 60% Rabatt einzuräumen, von 1400, die darin geschrieben waren. Diesmal fragte ich seinen anwesenden Sohn ohne grosse Hoffnung, und er meinte 100. 55 hatte ich dabei. Darauf einigten wir uns dann, nachdem er seinen Vater angerufen hatte. Die sollten hier nicht hängen, da gehen sie nur kaputt, meinte der Händler.



Und so wurde ich doch noch Besitzer einer zweiten Kasel, diesmal in der liturgischen Farbe weiss für besonders hohe Feiertage. Sie passt nicht schlecht zu meiner ersten Kasel in Blau, und ist besser erhalten. Das strenge Blumenmuster deutet auf eine Entstehung vor 1720 hin; es dauert noch etwas, bis die Kaseln im Rokoko leichter werden, das Gold dezenter, nicht mehr so byzantinisch einsetzen und ein wenig von ihrer steifen, kalten und unberührbaren Pracht verlieren. Die freundlichere Welt der Aufklärung sieht dann als Kasel so aus:



Ich will nicht unbedingt Sammler von Kaseln werden, aber da waren ihrer zwei auf dem Bügel. Ich dachte, ich hätte nur eine gekauft, aber der Händler meinte, ich hätte beide genommen. Nahm einen blauen Müllsack, machte ein Loch hinein, fädelte den Kleiderbügel hindurch, und gab mir damit auch die dezentere Rokoko-Kasel in Rosa mit. Rosa ist keine lithurgische Farbe, aber es gilt allgemein als Aufhellung von Lila, und so wurden rosa Kaseln an bestimmten Tagen innerhalb der Phasen getragen, in denen die Kaseln lila zu sein hatten - etwa zur Halbzeit der Fastenzeit, um zu zeigen, dass die Hälfte rum ist. Schwer gelitten hat die leichte Seide in den Jahrhunderten, aber gerade in ihrem halbzerstörten Zustand - gefällt sie mir. Viel besser als die perfekt restaurierten Stücke, die man in Museen findet.



Sie ist eine Spolie einer bösen, aber längst untergegangenen Kultur; hätte ich sie vor 250 Jahren besessen, hätte es ein Pogrom gegeben, weil ich es gewagt hätte, meine ungläubigen Hände an so ein Stück Heiligkeit zu legen. Heute hat sich die Kirche so aufgelöst wie die Stoffbahnen, der Glaube ist brüchig wie das Seidenfutter. Ich werde mir diese Kaseln an die Wand hängen, wie der Grosswildjäger den Elephantenkopf und das Tigerfell.

Und das ist immer noch ein Kompliment, ein Zeichen von Hochachtung vor der wilden Bestie und der Kultur, die sie geschaffen hat. Das Böse, wenn es so prunkvoll daherkommt, kann durchaus gefallen. Achtlos dagegen werden der Spiegel und der Focus, die FTD und die Bunte im Altpapier entsorgt, und niemand wird in ein paar Dekaden noch die Namen der deutschen Blogkommerzversager und ihre windigen Cartahäuser kennen. Das ist doch sehr tröstlich. Nur echter Irrsinn mag gefallen, Dummheit dagegen ist so reizvoll wie der Inhalt der Präsenttüte des Bayerischen Schundfunks, die man überreicht bekommt, und die mit ihren aufgedruckten Bilchen irgendwelcher Programme im vollkommen-ärmlichen Kontrast zu der Grandezza steht, mit der die Kirchr damals die Sinne zu bestechen verstand.

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