Meisterhaft

Die Geste.
Das Lächeln.
Die Haltung.
Die böse List im Gesicht des Amor
Dazu das Wissen um denjenigen, der es gemalt hat.



Es hätte das Geschäft meines Lebens werden können. Sowas sieht man nicht einfach in einer Werkstatt, und sagt, ach ne - vor allem nicht, wenn man es kennt.

Dummerweise hängt Schedonis Amor in St. Petersburg, und das hier ist meisterhaft - aber leider nicht echt.

Ich habe tagein tagaus mit Betrügern zu tun, mit Leuten, die meines Erachtens kriminell sind, aber eben legal kriminell, und nachdem sie andere Betrüger betrügen, denen es um Betrug am Staate geht, begegne ich der Sache inzwischen weitgehend leidenschaftslos. Es gibt da keine Guten, ich tue, was ich tun muss, am Ende sieht keiner von denen gut aus, und der Oberschurke in diesem Spiel geht körperlich dabei vor die Hunde. Seinem Rivalen geht es auch nicht viel besser. Ich liefere nur die Zutaten zum Gift, das sie jeden Tag schlürfen, ich fahre sie auf die juristischen Schlachtfelder, und es ist mir egal, auch wenn es dabei um Irrsinnssummen geht.

Hier - nun, es wäre zu verschmerzen gewesen. Es wäre nicht mal teuer, als eine meisterhafte Kopie, die das Bild de facto ist. So etwas anzubieten, ist legitim, eben so legitim ist es, über die Sache nachzudenken, nachzuschlagen und dann abzusagen. Bartolomeo Schedoni, der ein Krimineller, ein Hochstapler, Betrüger und Spielsüchtiger war, der sich am Ende wegen seiner Taten das Leben nahm, hätte über diese heutige Burleske schallend gelacht, besonders über meine Gier, die von seiner Komposition zielgenau angesprochen wurde, wider mein besseres, über Jahre trainiertes Wissen . Ihm hätte die Folge seines Werkes gefallen, und ich hatte trotz allem eine wunderbare Reise in den Süden. Ja, am Ende bin ich sogar in München gelandet, und fand in einem Antiquariat eine wirklich nette Radierung mit drei Putten aus der Asamschule. Echt natürlich.

Aber der Kunstgeschichtler in mir brennt vor Wut, und alle Leidenschaft, die von der kalten Apathie des Giftzuträgers so lang verdrängt wurde, ficht einen erbitterten Kampf gegen meine Habgier, die mit all dem besseren Wissen dennoch nicht vom Gedanken lassen möchte, dass es vielleicht doch sein könnte. Werkstatt. Nachfolger. Irgendwas.

Was es höchstwahrscheinlich nicht ist.

Donnerstag, 7. Februar 2008, 23:32, von donalphons | |comment

 
Kunst ist ein seltsam Ding
Man stelle sich vor, es ließe sich beweisen, dass die Mona Lisa im Louvre eine Fälschung des 20. Jahrhunderts ist, heimlich ausgetauscht... das Original jetzt in einem japanischen Banksafe.

Kein Mensch würde sie mehr sehen wollen im Louvre, dabei haben sie Millionen vorher angegafft. Das gleiche Bild, wohlgemerkt.

Ist es nur Kunst, wenn uns irgendwelche Spezialisten nämliches versichern?

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Das schlimme ist, dass man sich tatsächlich täuschen lassen will. Es ist sonnenklar, dass man nicht vor Schedonis Amor steht, sondern allenfalls vor einer erheblich späteren Kopie, oder nochmal was ganz was anderem - und dennoch, man fällt gnadenlos auf die Fähigkeit Schedonis für die Vorlage und die Ausführung nach ihm rein. Besonders, wenn es wie in diesem Fall wirklich sehr, sehr gut gemacht ist. Und aus einer sehr nahen Quelle durchaus dieses Bildes der ein oder andere echte Goltzius tröpfelte.

Tatsächlich bringt einen das wieder auf genau die kernfrage zurück. Was ist Kunst? Musik wird nicht schlechter, wenn sie nicht vom Komponisten vertont wird, und hier hat sich jemand wirklich etwas dabei gedacht - jemand, der wusste, worauf es bei dem dreisten Maler Schedoni, der selbst hemmungslos bei Caravaggio stahl, ankam. Gerade durch die Dreistigkeit dieser Kopie ist es schedoniesker als das Original. Kunst. Und dafür doch wieder nicht teuer.

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Kunst ist eben wie Sex:

Der Akt allein ist (fast) nichts, die damit verbundene Vorstellung alles.

99,9% aller Kunst rezipieren wir ohnehin nur als Kopie, in Bildbänden, auf Kunstdrucken... und was genau sieht man schon von der Mona Lisa hinter ihrem Panzerglas.

Welchen Grund gäbe es schon, sie im Louvre anzusehen?

Bei Musik ist das anders, da kann man nicht täuschen. Würden deine (heutigen) Dames de Ferrara singen wie Nebelkrähen wäre alles dahin.

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Ich bin da auch nur ein Kind meiner Zeit - obwohl ich weiss, dass es kein komplett echtes "Flegel"-Gemälde gibt, oder auch keine originale "del Gesu"-Violine. Die Echtheit eines Bildes ist eine Erfindung der späteren Neuzeit, davor war es wurscht, wer es nach wem kopiert hat. Der "Mann mit dem Goldhelm" ist das beste beispiel für die Autosuggestion des Publikums, und obwohl ich das alles rational begreife und zudem weiss, dass das Aufsexen des Angebotenen zwingend dazu gehört - ärgert es mich. Einerseits, weil man mich damit unter diejenigen einsortiert, mit denen man das machen kann, andererseits, weil da tatsächlich jemand ist, mit dem man das machen könnte.

In Lissabon gibt es die Rua dos Anjos, die im vorderen Teil ganz normal ist, und erst ab der Hälfte des ersten Blocks trennen sich Männer und Frauen: Männer sind auf der Strasse, Frauen in den Hauseingängen. Ich bin da völlig ahnungslos mit meiner portugiesischsprechenden Freundin reingegangen, bis eine junge Frau - die dort nicht im mindesten so aussehen, sondern völlig normal bekleidet sind - etwas sehr freundlich klingendes zurief, was meine Liebste vor Lachen explodieren liess, während ich die dame bat, es auf englisch zu wiederholen. Konkret ging es darum: Ich solle die Blonde da stehen lassen und lieber mit ihr mitkommen.

Man könnte da jetzt sehr viel sagen, es war wirklich nur amüsant, und auch nicht so ärgerlich, wie das mit dem Bild -

aber sie war hübsch. Wirklich sehr hübsch. Genauer gesagt hatte ich sie angesehen, weil sie wie die junge Sophia Loren aussah.

Und das frisst sich irgendwie in das Bewusstsein. Es war nachträglich der plastischste Moment des Monats in Lissabon, auch eindrücklicher als der Prado in Madrid, dem ich auf dem Rückweg einen Besuch abstattete. Und das, obwohl meine Liebste blöderweise eine Wohnung neben dem wirklich nicht unpompösen Dragqueenstrich von Lissabon hatte - Rua Goncalves Crespo.
wie einem sowas sofort wieder einfällt...

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(Übrigens fällt einem in solchen Momenten wieder auf, wie unsagbar lückenhaft doch das Internet immer noch ist - das ganze Netz ist zu Schedoni schlechter als fünf läppische Katalogseiten des ohnehin nicht berühmten "Ganz der Farnese"-Katalogs)

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hmmm falsche Stadt, falsche Freundin... in Paris wäre die Geschichte anders ausgegangen...

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Oh, mit der gleichen Freundin war ich ein Jahr zuvor in Paris, und da wurden wir am dritten Tag wegen eines Buchungsfehlers aus unserem hübschen Hotel in ein ehemaliges Bordell umquartiert, dessen Interieur aber immer noch artgerecht war. Davor hörte ich schon am Morgen auf dem weg zum Bäcker entsprechende, mir durchaus verständliche Angebote, und wurde eindringlich am Ärmel gezupft - ohne dass es irgendwie anders ausgegangen wäre.

Ich fürchte, ich bin ein entsetzlich langweiliger Spiesser, in dieser und anderer Hinsicht.

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ach die schönsten Fantasien sind bekanntlich solche, die Fantasien bleiben.

Ich hab in Paris auch mal in einer maison de passe gewohnt, weil es einfach am billigsten war.

Romantisch war das aber nicht. Fast schwarze Wände im Treppenhaus, auf den Stufen saßen die magrebinischen Luden, die freundlich grüßten, und die Huren... naja.

Aber das Zimmer kostete damals nur 40 Francs die Nacht. Für mehr hätte ich gar kein Geld gehabt.

Und eigentlich auch nicht haben wollen.

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Unseres war weniger ein Stundenhotel, sondern ein richtiges, rotes, mangels nachlassendem Horizontalgeschäft umgewidmetes Plüschbordell - was ganz witzig war im Vergleich mit München, denn dort war damals gerade die grosse Stunde des ebenso rotplüschigen BaBaLu. man konnte es gar nicht betreten, ohne kindisch zu kichern. Mit glutäugiger Zigeunerin über dem Bett!

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Das hatte ich mal in Frankfurt, während der Buchmesse. Da hatten sie ein Bordell für die Tage in ein Hotel umgewandelt, weil das wohl mehr brachte.

Hatte die komplette Einrichtung, nur die Nacktbilder hatten sie entfernt. War sehr bequem. Es hätte sogar Rabatt fürs Sudfass nebenan gegeben aber wer hat schon Zeit während der Messe.

Oh und noch was besseres in Madrid, nämlich das Hotel Monaco. War früher (20er, 30er) ein Edelbordell, in dem sogar Alfonso XIII. verkehrte.

Hab ich immer gern gewohnt, weils erstaunlich preiswert (und mitten in der Chueca) war. Inzwischen haben es wohl die Modelfotografen entdeckt und man kriegt kaum noch ein Zimmer.

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Wie seltsam, dieser Gegensatz ...
Ich habe seit einiger Zeit schwerst mit meinen Chefs zu kämpfen, weil diese als Vertriebler kreativer, digitaler Produkte vor lauter Panik halb Deutschland verklagen wollen. Ich schaffe es nicht, in diese vernagelten Hirne die Vorstellung von der Flüchtigkeit des sog. "Geistigen Eigentums" zu bekommen und sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass "Kunst" (im weitesten Sinne) freiwillig gekauft werden muss und nicht der Umsatz via Anwalt erzwungen werden kann.

Der Kunde muss sich freiwillig hinstellen und sagen: "Das will ich HABEN! Als Original!", obwohl er sich natürlich ohne jedwede Qualitätseinbußen eine Kopie aus dem Netz besorgen könnte. Weil die Illusion, ein wertvolles "Original" zu besitzen, weil das toll ist, durch massive Drohungen und Abmahnknüppelei ruckzuck zerstört wird.

Ich würde sie gerne diesen Text lesen lassen. Aber ich fürchte, dass sie danach auch weiterhin dumpf-verblendet die Peitsche rausholen wollen. Schade, muss mich wohl doch so langsam nach einem neuen Job umsehen. Wichser!!!

Sorry ... bin gerade etwas pissed!

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Oh bitte, tu Dir keinen Zwang an. In keiner Hinsicht. dazu ist das Blog ja da.

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gib ihnen noch ein paar jahre, dann haben sie es verstanden. Hat bei der Musikindustrie auch halbwegs geklappt. Für dein Seelenheil würde ich mir dann aber gut überlegen, die 10 Jahre noch da zu bleiben :).

Und dann kannst du ihnen auch noch diesen Artikel zu lesen geben, vieleicht kommt die Einsicht etwas schneller:

http://www.kk.o rg/thetechnium/archives/2008/01/better_than_fre.php

Chris Anderson Autor von The Long Tail veröffentlicht demnächst sein Buch Free, in dem er darauf eingehen will, wie man mit so etwas Geld verdienen kann. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es in seinem Blog, wobei mir bei fast allen Punkten übel wird, weil sie so verdächtig nach WEb 2.0 Datenkrake riechen. Ich fand sein erstes Buch sehr interessant und gut beobachtet, wenn sein zweites nur darauf hinausläuft die Trommel für Daten verkaufen und Werbung ist DIE Einnahmequelle zu schlagen, wäre es ein sehr fantasieloses follow up.

Achso der link zu dem blog-post:

http://www.longtail.c om/the_long_tail/2008/01/what-does-the-m.html

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Ich frage mich gerade, ob mehr Firmen den kompletten Wandel der geschäftsbasis überleben, oder daran zugrunde gehen.

Historisch betrachtet sieht es schlecht aus - nehmen wir nur mal die Seychellennuss. Ende des Mittelalters tauchen diese Früchte in Europa auf und werden mit einer unglaublichen Menge an Eigenschaften behaftet. So sollen Speisen, die darin verschlossen werden, gegen Gift gefeit sein, das Ding sei eine Sexstimulanz, und vieles - falsches - mehr. Die Nuss war höchst selten, man kannte weder die Herkunft noch die Entstehung. 1768 entdeckte ein französischer Forscher aber die Bäume und brachte eine Schiffsladung mit nach Paris, woraufhin der Markt völlig zusammenbrach, und zwar für immer.

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Christian, ich fürchte sie werden es niemals verstehen. Nicht unbedingt, weil sie dumm sind, sondern weil sie zuviel Angst vor dem Wandel haben, sie sich nicht anpassen wollen.

Ist ja nicht so, dass nun auf einen Schlag alle Künstler direkt mit dem Kunden kommunizieren. Es gibt immer noch genügend Kreative, die darauf keinen Bock haben und gerne die Dienste eines Mittelsmannes in Anspruch nehmen. Die Herren Vorstände wollen aber nicht verstehen, dass sie nicht mehr die alleinige Kontrolle über den Vertriebsweg ausüben. Sie wollen und können nicht mit "Frei" und "Kostenlos" konkurrieren, weil sie in ihren Produkten nur simple, analoge Waren (wie Brötchen oder Kochtöpfe) sehen und nicht die hochemotionale "Illusion", welche hauptsächlich den Kunden zum Kauf verleitet. Der Kunde kauft doch keine CDs oder Downloads des Datenträgers oder der Ansammlung aus Nullen und Einsen wegen! Der Kunde kauft, wenn ihm die künstlerische Lestung dahinter etwas "Wert" ist.

Und sie verstehen es nicht, im Kunden die Illusion von "Wert" zu erzeugen, sondern erwarten allen Ernstes, dass der Kunde aus Furcht vor dem Gesetz, VDS und Massenklagen zumindest soviel Umsatz erzeugt, dass sie weiterhin wirtschaftlich überleben können.

Es ist zum Schreien!!

Ich habe keine Lust mehr, in meiner schnieken Kabine zu warten, bis die Herren Wirtschaftskapitäne ihr Schiff zielgenau auf den größten Eisberg setzen, der im Polarmeer schwimmt.

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Vielleicht solltest Du Dich einfach in der Nähe der Rettungsboote aufhalten, und einen geladenen Revolver dabei haben, sowie eine Axt zu Kappen der Seile. Und Ruder.

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Und was CDs angeht: Labels wie alpha und Zig Zag machen es im Klassikbereich richtig: Booklets mit bis zu 72 Seiten, buchähnliche Verpackung, intelligente Ansprache der Käufer. Da bekommt man für 20 Euro so eine Art kleines Buch zum Thema Musik- und Kunstgeschichte, sowie eine CD, und eine Haptik, die man beim Download nie haben wird. Sowie zufriedene Kunden. Mehrwert. Funktioniert prima. Ich kaufe wirklich viele CDs.

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Genau, und dann vorher noch Löcher in alle anderen Rettungsboote schlagen, hrhrhr! :-P

Neenee, das Schiff werde ich beim nächsten regulären Halt verlassen und versuchen, mit den jungen, wilden Stämmen ins Geschäft zu kommen, die derzeit verstärkt aus dem Hinterland an die Küste drängen. Glasperlen, Gewehre, Eisentöpfe und so Kram werden dort bestimmt gerne abgenommen. Zivilisation und Fortschritt muss man mit Zuckerbrot anbieten. Die Peitsche hat ausgedient! Vor allem, da diese neuen Stämme mittlerweile gelernt haben Missionare aufzufressen und Aussenposten zu stürmen, wenn man ihnen dumm kommt :)

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mir ist aufgefallen, dass ich hier noch was schreiben wollte und zwar noch was ausser: "und ordentlich den Rum mit Meerwasser strecken" :)

Und zwar wegen der Änderung der Geschäftsbasis: Die fünf großen wird es so halbwegs erwischen im Musikgeschäft und sie werden sehr viel kleiner werden. Was aber auch nicht so schlimm ist, denn es folgen viele neue kleine nach, wie die Beispiele von dir u.a. zeigen.
Trent Reznor experimentiert ja auch fleissig damit. Und auch wenn nicht jeder seine Musik mag und er manchmal auf mich einen Eindruck macht, den ich am besten mit "pretentious" beschreiben kann, immerhin ist er einer der wenigen, die erkannt haben, dass es nicht mehr reicht, einfach nur Musik zu machen.
Beim Remixalbum seines letzten Major Releases hat er eine DVD beigepackt, die alle Tracks als Rohformat enthält und eine Seite eröffnet, wo Fans ihre Remixe einstellen können. Wenn man sich die Seite anguckt, war das sicher keine schlechte Idee für seine Verkäufe.

Das wird immer weiter gehen. Auch wenn es lange dauert, für mich als meistens Konsument von Musik hat es nie spannendere Zeiten gegeben.

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