Das perfekte Utensil

Eine einfache Sache, eigentlich: Man hat einen schön gedeckten Tisch, Porzellan und eine natürlich heisse Kanne Tee oder Kaffee in der Hand. Noch nicht auf dem Tisch, denn die Kanne ist ja heiss, das ist nicht gut für das Holz, ausserdem könnte sie tropfen, und deshalb -

passiert in dieser Situation an deutschen Tischen immer das gleiche Unheil: Man kehrt um, geht in die Küche, und holt einen Untersetzer. Ganz schlimme Exemplare sind aus Kork, der aufweicht, wenn er beim Verschütten mit Flüssigkeiten in Berührung kommt. Ähnlich fatal und hässlich ist Holz, Porzellan ist nicht mehr ganz so schlimm, aber auch nicht perfekt, findet auf deutschen Tischen Asyl wie der Altnazi in Argentinien. Alles, was Hitze nicht leitet, ist eher scheusslich und optisch störend. Weil die Deutschen zu geradlinig denken: Kanne heiss, Tisch kalt, Isoliermaterial dazwischen. Praktisch, logisch, hässlich. Oder vielleicht sogar oranges Plastik zum Rosenthal?

Briten dagegen haben noch grössere Probleme, denn die dort üblichen Silberkannen leiten Wärme noch besser an die Umgebung ab. Und dennoch kann ich meine glühend heisse Kanne problemlos auf mein heute erworbenes Silbertablett stellen, es schadet dem Tisch nicht im geringsten:



Der Trick ist auch für deutsche Hirne zu verstehen, wenn man ihn erklärt. Das Tablett funktioniert nämlich in zwei Stufen. Zuerst einmal ist es vergleichsweise gross. Dort, wo die Kanne steht, wird es natürlich sehr heiss, aber an den Rändern bleibt es aufgrund der üppg dimensionierten Fläche und des gerippten Randes kühler. So gesehen funktioniert es ähnlich wie Kühlrippen an einem Verbrennungsmotor oder einem Prozessor. Und in dieser kälteren Zone nun werden an der Unterseite drei kleine, runde Noppen angebracht, die das Tablett kaum sichtbar ein paar Millimeter anheben:



Die Noppen bleiben vollkommen kühl, der Tisch kommt mit der Hitze nicht in Berührung, und sollte doch ein unachtsamer Mensch darüber ein wenig verschütten, schützt das Tablett auch hier den Tisch vor Überschwemmungen. Tropfen wird die Kanne allerdings nicht, denn Briten bauen nicht nur perfekte Tabletts, sondern auch perfekte, tropffreie Kannen.

Ich verschenke gern Silberwaren aus Sheffield, und nach den Teekannen sind solche Untersetzer das begehrteste Objekt der Begierden. Dieses Exemplar behalte ich jedoch selbst, denn ich habe eine neue, leere Wohnung, und ausserdem trägt es zufällig eine Gravur mit familiären Initialen. Das ist natürlich sehr fein. Was jedoch die Briten machen, die es nicht mehr haben und folglich die Kannen nicht mehr stilgerecht abstellen können, ist mir unbekannt. Vielleicht Bier aus Dosen trinken. Viel Bier. Was aktuell keine dumme Idee ist.

Sonntag, 24. Februar 2008, 23:14, von donalphons | |comment

 
genial!
britische ingenieurskunst at its best.
bevor sie angefangen haben mit den autos;-)

allerdings muss ich noch eine lanze für die niederländer brechen: die bredemeijer ceylon ist ein wunderbares stück für den plebejischen alltag. und tropft nicht.
ich liebe sie sehr.

... link  

 
generell: Bis Thatcher kam.
Aber 40 Euro für die Kanne? Ups. Also, 40 Euro für so ein Ding ist schon saftig. Recht viel mehr haben die meisten meiner Kannen auch nicht gekostet.

... link  


... comment
 
gemach, gemach - zwischen dem notorischen Brocantegeruempel und Dosenbier ist noch eine Menge Raum fuer Inventar und Getraenke ... zum Beispiel fuer einen schoenen 1990er Chateau Haut-Brion aus einem schlichten wie preisguenstigen PrisunicTM-Glas... ach lassen wir das.

... link  

 
Alkohol trübt die Sinne
Ich möchte mich nicht wiederholen, aber ich finde es mutig bis dummdreist, mit Müllbildern zu kommen und eine Reduktion der Sinne auf teure Plörre als Alternative darzustellen.

... link  

 
... nun ich sagte ja nur das zwischen "Altwaren/Metall/Messingschrott" und "Gerstensaft in moderner Weissblechverpackung" noch ein weites Feld liegt - es muss kein 1990er Chateau Haut-Brion sein, auch ein 95er Chateau Ausone wuerde seine Dienste tun - und das auch im einfachen ChampionTM-Glas ... wie gesagt eine weites Feld

zur Not geht auch eine Orangina aus der bauchigen Flasche ..... pour quoi pas ....

... link  

 
öffne ein Weinblog - diese Umgebung hier ist eher suboptimal für Suffempfehlungen.

... link  

 
Nein, das ist viel zu chichi - man muss nur ab und an diesem ewigen Teegetrinke mal den Korken zeigen dann gehts schon wieder ... zum Beispiel den Korken eines ganz wunderbaren 96er Glos Floidéne (nicht sehr schwer, ziemlich ausgedehnter Abgang, keine ueberfluessigen Tanine) ...

... link  


... comment
 
Nicht alles Gold
Nun endlich mal zu Besuch auf Empfehlung von Herrn Goetz. Schöne Seite. "Wir räuchern" ist aber nicht mal lustig, nur ekelhaft.

Issa

... link  


... comment
 
Hinzu kommt
das der derart auf Silbertablett und in Silberkanne servierte Tee von Kerzen in Silberleuchtern beschienen wird, denn Kerzenlicht das auf Silber fällt ist das wärmste Licht,das Urlicht schlechthin. Deshalb sind besonders schöne Nächte auch nicht gold- sondern silberhell. Silber aus Sheffield ist dann besonders lebendig, wenn es, wie oft, aus Hotelbeständen kommt. Aber welches Service benutzt du? Welche Tasse?

... link  


... comment