Und das Schiff fährt

Wenn man mir vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich eine Wohnung am tegernsee kaufe, hätte ich es nicht geglaubt. Damals war ich faktisch schon auf dem Weg nach Italien und hatte Angebote für Immobilien am Gardasee gewälzt. Ich bin mit dem festen Vorsatz hingefahren, dort das Hauszu finden, zu kaufen, herzurichten und mittelfristig dort hinzuziehen. Und wie es dann sein sollte, hatte ich auch schon im Kopf. In Riva kenne ich dann auch ungefähr das, was ich mir so vorstelle:



Diese alte Pension würde meinen finanziellen Rahmen massiv sprengen, aber es wäre mit etwas Hungern, Einschränken und dem Verkauf einer Lunge dennoch nicht unmöglich gewesen, Sicherheiten sind da, und im Sommer habe ich diskret die Geschichte des Hauses, seine Besitzer und deren Vorstellungen recherchiert. Mit dem Ergebnis, dass die Hürden insgesamt doch zu hoch sind, weniger finanziell als vielmehr die italienischen Rechtsprobleme, die damit einhergehen, und noch ein paar andere Dinge, die hier auszubreiten ein eigenes Thema wären. Später, irgendwann, vielleicht, so schnell zerfällt das in Italien nicht, und inzwischen hat man das Gebäude gesichert.

Allerdings haben sich im letzten Jahr auch noch zwei andere Dinge gezeigt: Einerseits war ich doch so unabkömmlich, dass ich zu oft die Fahrerei gen Norden hätte antreten müssen. Umgekehrt lohnt es sich kaum, für zwei, drei Tage tausend Kilometer zu fahren. Nüchtern betrachtet passt es vorläufig nicht zu meiner Lebenssituation.

Andererseits jedoch - ich habe fast 20 Jahre mit mindestens zwei Wohnungen gelebt, ich musste nie irgendwo sein, ich konnte immer ausweichen. Drei Wohnungen in drei Städten war am Ende zu viel. So verliess ich Berlin, und als jemand eine Wohnung in München suchte, machte ich mich endlich an die Totalsanierung und zug in der Provinz in die eine grosse Wohnung, die alle Vorzüge bietet. Ausser dem, weg zu können, wann immer es mir beliebt.

Und wann immer ich in der Maxvorstadt war, hatte ich das komische Gefühl, daheim zu sein, aber nicht daheim bleiben zu können. Mein Viertel, aber nicht mehr meine Wohnung. Das ist ein sehr verstörendes Gefühl, und auch der eigentliche Anlass, so etwas wie eine neue Bleibe zu suchen. Ein anderer Ort, eine Ausweichmöglichkeit, die auch dem Clan etwas bringt, und als ich dann in einer Konferenzpause am Tegernsee diese eine Wohnung betrachten konnte, dachte ich mir, warum nicht, es ist fast noch in München und nicht mehr weit nach Norditalien.



Ich bin ein Kind der 60er und 70er Jahre, als vieles aufgebrochen ist, und man nicht mehr zwingend irgendwo irgendwas sein musste. Wir alle sind die Kinder der Mobilität und der Geschwindigkeit, der verkleinerten Distanzen und der rituellen Urlaube, sowie des historisch bis dahin ungekannten Luxus, wirklich wählen zu können, wo man das Daheim selbst definiert. Es ist Luxus und Krankheit dieser Generation zugleich, die Flexibilität und die Bereitschaft, innerhalb einer Woche von München nach Berlin zu gehen, und in der Folge immer eine gewisse Distanz zu jedem Ort zu haben: Zu der Provinz, aus der wir alle kommen und die wir alle hassen gelernt haben, zu den Orten der Jugend, die irgendwann schal durch enttäuschte Hoffnungen werden, über die Karrierelocations, die wir besser gemieden hätte, und das Fehlen einer echten Verwurzelung ist letztlich das Momentum, das uns nach institutionalisierten Alternativen suchen lässt.

Nicht mehr der Weg, die Flucht ist dass Ziel, der Wunsch nach einem Ort, wo alles schon ist, von der Zahnbürste bis zur Silberkanne, und selbst, wenn es nicht geht, kann einem das Wissen, dass es immer, jederzeit die Alternative gibt, dass man nur in den Wagen steigen muss und hinfahren, den Tag, den Augenblick oder das Dasein retten. Ein Ende des Zwangs, irgendwo sein zu müssen, wo man es nicht mehr erträgt; etwas, das einem die Kraft verleiht, den Vorstadtreihenhausintriganten in Gesicht zu lächeln, an die Möglichkeit zu denken und sagen: Ach, weisst Du... Wir wollen raus, immer, sofort, es ist gar nicht so wichtig, ob es der perfekte Ort ist, aber besser als der Moment sollte er sein, und die ideale Lösung für den Moment liegt an den Alpen und am See. Wenn man den See und die Menschen dort auch nicht mehr erträgt, fährt man eben heim. Es gibt immer eine Alternative.

Und irgendwann eben die Villa Minerva.

Donnerstag, 28. Februar 2008, 21:48, von donalphons | |comment

 
Ich drücke fest die Daumen. Gerade weil eine ehemalige Pension impliziert, dass da dann so einige Gästezimmer verfügbar sein werden ...

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Sollte ich die mir je leisten können, wird es auf absehbare Zeit nichts mit dem Aston Martin. Allerdings würde ich mir dort sowieso erst mal eine Riva kaufen.

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Langsam ranpirschen eben... zwischen Tegernsee und Riva kommt nur noch Nord- und Südtirol.

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Und dann wäre da noch das Stadthaus in Urbino als letzte Ausbaustufe. Aber das ist dann nicht mehr so schwer.

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Da war aber nicht vorher die Inquisition drin?

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Nein, als ich das letzte mal dort war, war es auch ein kleines, sehr hübsches Hotel. Das es aber nicht mehr gibt.

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Urbino hat schon was... schönste Renaissance...
und Tizians Venus könnte einem vielleicht auch begegnen...

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Und vor allem: Wenig Fremdenverkehr. Volles Angebot bei geringen Nachteilen. Wie die Toskana, nur besser.

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shhhhhhhhhhh

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Da mache ich mir keine Sorgen. Wer in die Ecke fährt, will Meer, sonst nichts, und das Hinterland bleibt unberührt. Und den anderen Alt-68ern sind so lange Strecken aus ihren Toskanadomizilen nicht zuzumuten. Da bleibt man allein.

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Ich fahre demnächst in die Richtung

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Gratulation. Bis Mai ist da ohnehin nichts los.

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Aber es blüht schon alles...

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Eben! März ist die Zeit schlechthin.

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Genau, und hierzulande glauben alle, es sei da noch zu kalt.

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Die meisten wollen an den Strand und baden, und dazu ist es wirklich noch etwas zu kalt. Und eine zweiwöchige Kulturreise mit vielen Details an ein, zwei Orten ist nur einer kleinen Mindrheit zuträglich. Für die meisten ist Italien immer noch Autostrada, Lido und Pizza.

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Ja man muss erst an Palladio in Vicenza, Giotto in Padua, der Romanik von Pomposa und Galla Placidia in Ravenna vorbei. Unter anderem.

Das dauert, spart aber Autobahngebühren. Für Baden ist mir die Zeit zu schade.

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März ist auch ideal z.B. für Rom - ausser Ostern ist so früh wie dieses Jahr.

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Ja leider, sonst wäre ich noch weitergefahren... aber bayrischer Papstsegen muss jetzt nicht wirklich sein.

Mal sehen, wie das Wetter ist... notfalls weiter bis Kampanien

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Dann fährt man eben heim
Österreich <-> Berlin, 876 km, schon als die Mauer noch stand. Montagsnacht bis Donnerstagabend. Reisender. Kein weg sondern ein hin. Glückliche gestohlene Donnerstage, schon Mittwochsabends weg. Immer auf dem Weg nach Hause und doch nicht zu Hause.

Terminpuzzelei. Heute hier, morgen dort. Wunderbar die Sterne in meinem kleinen Stück felix Austria. Schwarze Nacht und ein Himmel voller Diamanten. Morgens früh, im Tiefflug nach Berlin hinein. Früher aus der Finsternis der DDR ins Licht, später aus dem Dunkel der neuen Bundesländer ins strahlende, scheinbar Fertige.

Wenn du die Damhirsche an der Autobahn schon mit Vornamen kennst. Ständig auf dem Heimweg. Aber nie zu Hause. Das ist nicht die Entfernung. Das kriegst du durchaus auch von Düsseldorf oder Köln in die Eifel hin.

Ich wünsche dir das du nicht nur heimfahren, sondern auch zu Hause ankommen kannst.

Vor allem aber mach es nicht zu komplett. Lass Lücken. Das eine wird nicht besser, weil es das andere gleichwertig ersetzt. Der Reiz liegt in dem was fehlt.

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Jein. Ich bin kein Durchraser. Für mich können 500 Kilometer gern 18 Stunden dauern. Ich halte gerne irgendwo an und nehme was mit, und gerade auf der Strecke nach Norditalien wäre da sehr, sehr viel. Schon auf der Strecke vom und zum tegernsee schaue ich, dass ich in München einen Zwischenhalt einlege, und mutmasslich werde ich die Reisetage immer so legen, dass ich an einem Antikmarkt vorbeikomme.

Das jedoch passt so gar nicht zu Pflichten, die meine schleunigste Anwesenheit erfordern. Wobei, wenn ich in Berlin wohnen müsste und als Alternative irgendwo oberhalb von Innsbruck einen Bauernhof hätte, würde ich es genauso machen. Hauptsache raus.

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