Nur durch Kurt Tucholsky kenne ich Heidelberg

Und zwar durch dieses Gedicht für achtstimmigen Männerchor.

Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich verzückt an deinem Munde,
und es war um mich geschehn,
Anna Luise!

Dein Papa ist kühn und Geometer,
er hat zwei Kanarienvögelein;
auf den Sonnabend aber geht er
gern zum Pilsner in'n Gesangverein
Anna-Luise!

Sagt' ich: "Wirst die meine du in Bälde?",
blicktest Du voll süßer Träumerei
auf das grüne Vandervelde,
und du dachtest dir dein Teil dabei,
Anna-Luise!



Und du gabst dich mir im Unterholze
einmal hin und einmal her,
und du fragtest mich mit deutschem Stolze,
ob ich auch im Krieg gewesen wär...
Anna-Luise!

Ach, ich habe dich ja so belogen!
Hab gesagt, mir wär ein Kreuz von Eisen wert,
als Gefreiter wär ich ausgezogen,
und als Hauptmann wär ich heimgekehrt
Anna-Luise!

Als wir standen bei der Eberesche,
wo der Kronprinz einst gepflanzet hat,
raschelte ganz leise deine Wäsche,
und du strichst dir deine Röcke glatt,
Anna-Luise - !

Möchtest nie wo andershin du strichen!
Siehst du dort die ersten Sterne gehn?
Habe Dank für alle unvergesserlichen
Stunden und auf Wiedersehn!
Anna-Luise!

Denn der schönste Platz, der hier auf Erden mein,
das ist Heidelberg in Wien am Rhein,
Seemannslos.
Keine, die wie du die Flöte bliese...!
Lebe wohl! Leb wohl.
Anna-Luise!

Was willst Du in Heidelberg?, fragte Susi heute Nachmittag am See. Ohne Tucholsky wird es abfallen, und du wirst unter lauten Burschenschaftlern und japanischen Touristen sein, oder gar Amerikanern, und ich muss allein zum baden.

Da hat sie leider recht.

Donnerstag, 17. Juli 2008, 03:40, von donalphons | |comment

 
mmh. andere hätten vielleicht gesagt:
was wäre heidelberg ohne anna-luise*?
jedoch:
jedes glück hat einen kleinen stich.
wir möchten so viel: haben. sein. und gelten.
daß einer alles hat: das ist selten.
*m.e. eins der ganz großen frivolen couplets der weimarer republik - als man das f-wort noch benutzen durfte ohne dass jemand an fips-asmussen-herrenwitze gedacht hätte (oder an webseiten, bei denen es für porn nicht gereicht hat).

... link  

 
Ich finde, in dem Bild oben ist sehr viel Pornographie des Erwartens. Wäre ich Susis Lover - was ich nicht bin - würde ich dies Bild als Verheissung sehen.

... link  

 
Das Wort "frivol" wurde vermutlich extra hierfür hergestellt.

> f-wort noch benutzen durfte
Hier bitte ich um Aufklärung.
[Edit: Ach, ha, sowas, das ist ja schon das f-Wort, guten Morgen!]

Fips Arschmuskel wurde erst 1938 geboren.

... link  

 
ich weiß.

... link  


... comment
 
Was treibt der Herr Don in Heidelberg?

Ein Tipp: guten Kuchen gibts bei Gundel. ;)

... link  

 
Danke für den Hinweis.

Ich muss ein paar Puppen platzen auf eine Auktion, die leider keine Telefonbieter zulässt.

... link  

 
Ein Abstecher in den Schlosspark von Schwetzingen böte sich an

... link  

 
Das Schloßgartencafé dort ist auch ganz gut.

... link  


... comment
 
Was willst Du in Heidelberg?, fragte Susi heute Nachmittag am See.

reisen bildet. in münchen lernt man amerikanisch.

in heidelberg japanisch und fotografieren. wer dort fix ist, kommt auch günstig an fotoapparate.

... link  

 
Ich brach einen Versuch am Geldautomaten ab, weil vor mir zwei Reisegruppen waren. Kamera jedoch habe ich selbst, ich muss nicht Japaner erleichtern. Die inzwischen ohnehin mit Vorliebe für das Handy als Knipse auffallen.

... link  

 
schade eigentlich, wie da schon wieder ein berufsstand um arbeit und brot gebracht wird.

... link  

 
Seien wir doch ehrlich: Seitdem Speicherkarten nur noch ein paar Euro kosten, ist Kameraklau nur noch aus ethnologischen Gründen spannend. Ich bin am Freitag aber mal eine halbe Stunde hinter einer koreanischen Gruppe hergelaufen, um mal zu fühlen, wie die das erleben. Strange. Immer das gleiche Lächeln vor der immer ungleichen Kulisse. Vielleicht kann man in Japan, wenn die Kerosinpreise teuer bleiben, mit einem Kulissendienst viel Geld verdienen.

... link  

 
vielleicht ist das, was wir als kulisse empfinden, für koreaner, beispielweise, allerhöchste und allerfremdeste exotik? denkbar wäre es doch.

schon für einen us-amerikaner ist der gedanke, in einem hundert jahre alten, aus stein gemauertem haus zu wohnen, ziemlich ungewöhnlich.

kulissen sind nichts neues, zu zeiten wollte auch das eine oder andere fürschtle ein sonnenkönigle sein, koste es die untertanen was es wolle. in münchen soll man auch noch bauhistorisch belegen können, dass kopieren ebenso kunst ist, wie selber ausdenken. so hat dann eben disney sein märchenschloss auch nach einem vorbild bauen lassen.

ich denke auch, dass man mit kulissen richtiges geld machen kann, vor allem dann, wenn in den kulissen auch noch bier im masskrug, schweinsbraten mit knödel und kraut und dazu blasmusik verabreicht wird. aber wäre das so schlimm, wenn man den leuten eben gibt, was sie haben wollen?

... link  

 
Den Eindruck mit der Exotik hatte ich auch, wobei das den Eindruck von Heidelberg als Simulation nur verstärkt hat. Auch für mich war dieses rausgeputzte, speziell für diese Leute rausgeputzte Städtchen exotisch; vielleicht, weil ich, was Exotik angeht, einerseits angetan, aber andererseits etwas zu rational bin. Ich mag die Exotik, die das 18. Jahrhundert für das quasi Unerreichbare empfand, falle darauf aber nicht hinein. Diese Touristen jedoch baden in Exotismen, die man ihnen vor die Nase gestellt hat. Ich würde da aber nicht leben wollen, genausowenig wie auf dem Oktoberfest, Neuschwanstein oder den anderen Kulissen, die auf der modernen Tour durch den Kontinent auf dem Programm stehen.

Bezeichnenderweise wird vermutlich eine ehemalige Mieterin aus Japan bald kommen, mit Schwester, und das nachholen, was man ihr in Japan allerorten als Versäumnis ihres letzten Aufenthalts vorhält: Eine Tour durch alle Ludwigsschlösser von Neuschwanstein bis vor die Tore Salzburgs.

... link  


... comment
 
Oh, das ist anscheinend gerade keine sehr populäre Position, aber ich mag Heidelberg ja, wo einige häufig besuchte Freunde sehr lustig studiert haben. Ich war öfters da, habe auf den - sehr amüsanten - Verbindungsbällen getanzt, die mir weder damals noch später als weltanschaulich bedenkliche Veranstaltungen erschienen sind, und habe nach langen Nächten beim Wein morgens Spaziergänge mit T. und S. unternommen. Der S. hat damals begonnen, über den George-Kreis zu arbeiten, und gelegentlich den Redefluss unterbrochen zugunsten eines kurzen, hingeworfenen Hinweises auf in diesem Zusammenhang bedeutsame Orte. Schön war's, und gerade die Abwesenheit des Politischen habe ich als sehr, sehr angenehm in Erinnerung. Meine damaligen Freunde andernorts haben für diese Zurückhaltung in politicis ein Jahrzehnt länger gebraucht.

... link  

 
Ich versuche noch, mir für das GTBlog ein Bild dieser Stadt zusammenzumalen, das halbwegs adäquat ist, aber aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Es ist keine Tragödie, würde ich nie wieder nach Heidelberg kommen. Sicher pittoresk, sicher in den Nebenstrassen nicht allzu überlaufen, jenseits der Altstadt aber zu vernachlässigen und durch einige, na, sagen wir mal abzockerische Erlebnisse jetzt nicht unbedingt sehr sympathisch. Ohnehin ein spannender Gegensatz: In Touristenhochburgen kann man es bleindend aushalten, wenn man dort wohnt, aber als Besucher mit Anliegen ist es weniger erfreulich.

Es passiert nicht oft, dass mich Städte auf diese Art anschweigen. Köln vielleicht, Essen, Fulda, Stuttgart.

... link  

 
Hach, Heidelberg.
Ich vermute mal, wenn ich dort nicht studiert und gewohnt hätte, wäre mir diese Stadt auch nicht sonderlich ans Herz gewachsen. Im dreckigen und derben, aber ehrlicheren Mannheim habe ich mich stets heimischer gefühlt. Leider hat es Heidelberg meines Erachtens nicht wirklich geschafft, jenseits gewisser akademischer Zirkel und NATO-Top-Lametta so etwas wie eine Weltläufigkeit entstehen zu lassen. Die Bewohner sind oft genug so dumpf und muffig wie ihre Altstadt-Keller, als Einkaufsstadt kann man HD auch komplett knicken. Und dennoch: Ein, wenns hoch kommt zwei Mal im Jahr komme ich doch gern wieder, um der schönen Erinnerungen willen.

Und was das touristische Treiben angeht: Das seh ich in deutlich milderem Licht, seit ich vor einigen Wochen das zweifelhafte Vergnügen hatte, den direkten Vergleich zu Rüdesheim anstellen zu können.

... link  

 
heidelberg ist nicht immer so gewesen, sondern so geworden und auch so gemacht worden.

lest doch mal:
Buselmeier, Michael: Der Untergang von Heidelberg. Suhrkamp, Frankfurt 1981

gibts antiquarisch günstig. es gibt übrigens noch mehr vom gleichen autor über die gleiche stadt, die literarischen führungen und das heidelberg-lesebuch. aber schaut selber, bei amazon, beispielsweise.
heidelberg-krimis gibts auch schon, von wolfgang burger, bei piper.

mark 793, respekt für
"Im dreckigen und derben, aber ehrlicheren Mannheim"
so isses, genau so, oder war es wenigstens zu der zeit, als ich dort lebte und das gern aus eben dem grund.

... link  


... comment