: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 5. Juli 2008

Real Life 4.7.08 - Das Geschäftsgeheimnis der Loddirrl

Frau S., die bekanntlich keinen kleinen Anteil daran hat, dass du dem Tegernsee nahe kamst und dich nun als südlichster der bekannteren deutschen Blogger bezeichnen darfst, Frau S. nun erkennt dich, der du auf der Rückreise vom verhinderten Besuch der Silvretta Classic kommst (Autobiographische Skizze "Bildnis des Don als junger Geck") an meinem Gefährt im Rückspiegel, hält an, gebietet dir zu bremsen und nötigte dich, noch hinten mit einzusteigen, um sie, das Hannerl und eine Bekannte nach München zu begleiten. Dort sei das Wetter schöner, und du wärst sicher ein idealer Begleiter für das, was zu tun sei. Ich verrenkst dir also die Füsse auf der Rückbank eines alten 450er SLC in "Dallas Special" Gold, fürchtest dich etwas wegen der 3-Satzes der Geschwindigkeit (225 km/h, (vermutlich reale) 75 Jahre am Steuer und 25 Liter Verbrauch) und findest dich zuletzt unverletzt in einem bestimmten Antiquitätenladen wieder, in dem alles zufällig arrangiert wirkt, aber in Wirklichkeit in seiner verstaubten Überfülle verkaufsträchtig angeordnet ist.



Man denkt, dass in all dem zerfledderten Kram, bei all den zerschlissenen Stoffen und der gestapelten Melange aus echtem Rokoko und angepinselten Stilmöbeln des späten 60er Jahre irgendwas dabei sein müsste, das dem Betrachter gefällt und gleichzeitig finanzierbar wäre, wenn man es nicht gerade zur Einrichtung eines Luxusgeschäfts in der Münchner Innenstadt braucht und steuerlich geltend machen kann -

Exkurs: Wusste die Leserschaft übrigens, wie das geht? Ein grosser Teil der überteuerten Antiquitäten werden beim Kauf durch Anwalt, Architekt und Ladenbesitzer nicht heruntergehandelt, sondern zu Package Deals vereint. Statt also ein Dutzend Imariteller zu kaufen, nimmt man noch eine Karaffe und eine Teekanne dazu, die Rechnung aber nennt nur die Teller zum hohen Originalpreis, der dann benutzt wird, um die Stücke als Dekoration beim Finanzamt geltend zu machen, und nach zwei Jahren räumt man sie in die eigene Wohnung, wo Teekanne und Karaffe schon warten, und das Spiel beginnt von vorne. Nur so kann man die manchmal atemberaubenden Preise erklären. Exkurs Ende.

Man steht also mittendrin zwischen dem Eberkopf und Möbel aus der Zeit des geköpften Louis XVI, und denkt, da müsste doch was zu machen sein. Aber nein: Teuer, teuer, so teuer, dass man auch mit Steuertricks nie, nie, nie irgendwas auch nur halbwegs güsntig erstehen könnte. Findet auch Frau S., die es dann doch nicht so arg nötig hat, ein weiteres Sofa für die Männer zu kaufen, die auf den Auswahlprozess ihrer modebedürftigen Frauen warten, erwirbt nur ein paar Gläser als Ersatz für einige Exemplare, die der Hund letzte Woche umgeworfen hatte, und dann zieht ihr weiter. Hierhin.



Das hier sieht nicht nur aus, wie ein ordinäres Heizkraftwerk, es ist auch eines. Hoch, verglast, unten ein Klotz und oben Schornsteine. Nicht wirklich das, was man in der Skyline sehen möchte, wenn man, sagen wir mal, 100 m² an der Isar hat und dann über den hinteren Balkon Richtung Altstadt schaut. Diese Panoramaverschandelung des Gärtnerplatzviertels hat einen wenig klangvolle Adresse - Müllerstrasse nämlich - und ist seit Neuestem der feuchte Traum der Münchner High End Immobilienenentwickler. Am anderen Ende der Alsttadt läuft der Verkauf der neostalinistischen Lenbachgärten gleich neben den Nazibau der Oberfinanzdirektion nach deinem Wissen nicht allzu gut, hier entsteht gewissermassen das neue, jüngere Gegenstück. Bei den Lenbachgärten wurden Universitätsgebäude abgerissen, um Platz für eine globale Elite zu machen, hier nun wird ein Heizkraftwerk umgebaut. Und du stehst davor und begreifts nicht, wie man signifikant mehr als für eine Altbauwohnung zahlen kann, nur um im alten Heizkraftwerk zu wohnen.

Wissen S´, erkärt dir Frau S. mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als reale Geschäftsfrau, das ist wie hinten beim Antiquitätenladen: Sie brauchen für so einen Verkauf eine Frau und ein Loddirrl.

Exkurs 2: Loddirrl ist bayerisch für Lattentür. Eine Lattentür sind ein paar zusammengenagelte Bretter, die wenig Haltekraft haben; ein Tritt, und sie brechen zusammen. Diese Eigenschaft haben auch gewisse verheiratete Ehemänner, was dazu führt, dass man sie bei und nicht als Pantoffelhelden bezeichnet, sondern als Loddirrl. Exkurs 2 Ende.

Das geht dann so, doziert Frau S.. Die Frau und ihr Loddirrl sitzen beim Verkäufer, und der erzählt dann etwas von der exklusiven Lage, die natürlich auch den hohen Preis zur Folge hat. So sei die Wohnung dann natürlich nicht für jedermann, da kämen nur ganz bestimmte Leute rein. Dann sage man dem Loddirrl, das er, das erkenne man sofort, natürlich zu dieser Klientel zähle. Bei der Frau nun laufen zwei Prozesse ab: Einerseits will sie natürlich irgendwo leben, wo nicht alle leben, und natürlich will sie auch ein Loddirrl, der lahm und feige ist, gleichsam aber reich, potent und fähig, ihr genau das zu bieten. Am Abend lässt sie ihn dann spüren, dass sie nur zu ihm aufschauen kann, wenn er sich auch als entsprechend erfolgreich und potent erweist - und so bekommt sie am Ende die Wohnung, er mehr Spass in der Nacht und der Immobilienentwickler das Geld. So - und nur so -wird aus einem maroden Heizkraftwerk der Stadt München eine Topadresse für global agierendes Publikum.

Wie die Loddirrl und die Frauen erst mal zu solchen Immobilien kommen, schob sie nach, geht übrigens so: Wenn man ein paar Jahre eine gewisse Modezeitschrift im Abo hat, bekommt man Einladungen von "exklusiven Events" in München. Erst irgendwas kleines, um die Person einordnen zu können, und wenn die Erscheinung passt, folgen Empfänge und Modeschauen in Immobilienobjekten, die zufällig gerade fertig und zu verkaufen sind - und natürlich ist das theoretisch nicht zugänglich, aber man macht jetzt mal eine Ausnahme und zeigt eine Musterwohnung - so kommt das Loddirrl dann erst zum Verkäufer, und die Modezeitung zu sehr viel mehr Geld, als 10 Anzeigenseiten brächten. Frau S. lächelte auf eine Weise, die man mit viel gutem Willen als mokant bezeichnen könnte, aber doch eher verschlagen und zynisch war.

Du denkst etwas darüber nach, gibst Frau S. recht, und nach einem Stück Torte geht es auf der linken Spur wieder zurück an den Tegernsee, der nicht billig ist, aber spottbillig im Vergleich zu dem, was Loddirrl in München für einen verbesserten Blowjob ausgeben - bis zu dem Tag, da der nächste Investor das neueste Projekt aufmacht, und die Süddeutsche Zeitung erneut einen euphorischen Bericht bringt.

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Es gibt Reisen, die bricht man ab.

Gestern zum Beispiel. Irgendwann reifte in mir die Erkenntnis, dass alles seine Grenzen hat. Die Reifen eine Grenze der Haftung. Die Strasse eine - leider im Wolkenbruch unsichtbare - Grenze zum Angrund. Und meine Dummheit kennt eine Grenze, selbst wenn irgendwo Oldtimer auf Passstrassen zu sehen wären. Die Grenze war ungefähr hier:



Das ist das, was andernorts der hellichte Tag ist. Und ja, das da oben ist Schnee. Neuschnee. Die Alpen sind klimatisch nicht mit dem Flachland zu vergleichen. Aber eine Geschichte mit Grenzerfahrung habe ich trotzdem mitgebracht.

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