Lesen, fressen, sterben

Diese Krise, sie hat einen kleinen, unwürdigen Geschmack. Man möchte es keinem wünschen. Aber die Betroffenen bewahren Ruhe. Sie machen keine 1929er bveitstänze in der Luft über der Wall Street. Es finden keine Demonstrationen statt - obwohl der heutige Bailout für die Citibank die Frage aufwirft, wann man mit dem Bankenanzünden anfangen will, wenn nicht heute in Manhatten (bitte, Verehrteste, nicht in Deutschland, da ist die Citibank längst verkauft, heben Sie sich den Knast auf für Ziele, die sich lohnen). Die Nation der Hauptverursacher leistet sich noch zwei Monate Flickschusterei und Stillstand, bis ein Grossmaul den Job mit den Alt-Verantwortlichen für die Krise beginnt. Glaubt man dem alten Machthaber, hat der Neue auch den heutigen 326 Milliarden teuren Staatshilfenirrsinn abgenickt, mit der eine Bank im Wert von 20 Milliarden aufgefangen wird. Kein Mensch würde 50.000 Euro in einen Wagen an Reparaturen stecken, dessen Reste nur 3.500 Euro wert ist, nachdem man ihn gegen die Wand geknallt hat. Aber das ist der Sinn der Zeit. Antizyklisch, es geht zu Boden, also mit dem Kopf durch die Decke.

Es ist die grosse Krise der kleinen Geister, es ist die Stunde der Plärrer und die bleierne Zeit versagender Geistesmenschen, oder was sich dafür hält. Es kann keine bessere Zeit geben, um zurück zu schauen, um die Zukunft zu sehen. Aber wenn jeder Besitzer eines Bloomberg-Terminals die Charts von 1929 mit 2008 überlegen und ins Internet setzen kann, fordert niemand, den F. Scott Fitzgerals wieder zur Hand zu nehmen. Den Steinbeck. Brechts Heilige Johanna oder Mahagonny. Feuchtwangers tönernen Gott. Verlage pumpen geistfreie Ratgeber in den Buchkosmus, eins zwei kaufen. Werde reich, gewinne mit der Krise, in zehn Schritten zum neuen Schwarzhändler, Du, immer noch Gewinner. Das Gas im Sichtglas, das Georg Kaiser der Welt gegeben hat, steigt wieder, aber man will es nicht lesen. Es stösst die Krise den Abschaum der Powerpointer aus und nicht die Trucks und Zocker von Serner, es flieht der Dreck in die Wellnessoasen, 1 Tag 18 Euro mit Gutschein, aber das Kokain von Dino Segre will keiner mehr in den Adern haben. Wer sich gegen die Krise wehrt, wer öffentlich aufschreit, tut es, um ein Produkt zu werben. Diese Krise ist hässlich, aber das Schlimmste ist die Dummheit derer, die sie betrifft. Selbst die Pest würde man allenfalls mit "Die Hundert besten Geschichten des Decamerone" begleiten. Es ist eine dumme Welt, in der es den Idioten noch nicht einmal vergönnt ist, anständig zu krepieren.


(Mittelbild hier, Grossbild hier)

Also esst mehr, nehmt Ricotta statt Quark in die Füllung Eurer Kuchen, greift zum Fett und zu den Eiern, macht die Nudeln gross und prall, wenn ihr schon überleben müsst, auch morgen geht leider wieder die Sonne auf, weil es ihr scheissegal ist, was bei uns geschieht wie den meisten, schiebt der Frau im Samtsessel die Trauben in den Mund, macht den Leuchter auf, nehmt die starken Birnen und lest ihr vor, was die geschrieben haben, die aus dem Krieg kamen, die Krise kannten und im Weltenbrand erloschen. Lest, kotzt, und betet zu dem, der sich Eures Elends erbarmt.

Montag, 24. November 2008, 21:33, von donalphons | |comment

 
happy crash
diese merkwürdige Leichtigkeit bei der eleganten Beschreibung der langsam voranschreitenden Inszenierung. Man könnte fast vergessen dass wir in dem Stück mitspielen.

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Wenn ich dieser Tage die börsenrelevanten Meldungen in den Medien verfolge, beschleicht mich ständig das Gefühl, dass der Film "Matrix" vielleicht doch keine Fiktion ist.
Als "ganz normaler" Selbständiger im produzierenden Gewerbe kann ich nur fassungs-und verständnislos den Kopf schütteln.

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Die entscheidende Frage ist, wie kommt man runter von der Bühne und wo ist die Garderobe mit den Groopies?

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Auch Kästner
darf man mal wieder lesen, zumindest den Fabian!

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könnte man mit einer autosanierung das verkehrswesen retten, wäre darüber zu reden. wenn aber auto um auto vorfährt, wird es teuer: bloomberg errechnet als derzeitigen stand 7,7 billionen, 24,000 dollar pro nase. dafür liesse sich jedem us-bürger ein nagelneues gefährt vor die tür stellen. und die auto-industrie wäre gleich mitsaniert.

welches märchen obsiegt? das vom edelmann, der, einen erbstreit schlichtend, sein pferd in das erbe einstellt, um später auf ihm davon zu reiten, oder das vom käse, der zum bahnhof rollt?

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Na ich weiss nicht , zwar intelligent und mit einem an Leichtigkeit kaum zu überbieten Zynismus ausgestattet, erscheinen mir die Aussagen im Blogtext als das Ergebnis einer distanzierten Betrachtung durch eine Privatperson, die kaum Berührungspunkte mit Dingen hat, wie Personalverantwortung, Finanzdisposition sowie unternehmerisches Risiko.

Gleichzeitig stimme ich zu und mache getne mit, wenn es darum geht, die kontraproduktive Larmoyanz vieler Zeitgenossen in diesen Tagen anzuprangern............

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ich lasse hier raus, was mir so einfällt, und dabei habe ich keine Lust, in fertigen Argumentationslinien zu denken. Das bin ich privat. Beruflich glaube ich, dass ein Crash kommt und es nur darum geht, möglichst das zu behalten, was man hat.

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7,7 sind schnee von vor stunden. zimbabwestans aktuelle hausnummer ist 8,5 billionen. danke, bernanke. versäumt nicht diesen schönen text über ihn, den ich gestern schon verlinkt habe. staunt mit, dass selbst g.w.b. ein wahrnehmungsfenster zur realität offen steht. kostprobe:

In June, 2005, Bernanke was sworn in at the Eisenhower Executive Office Building. One of his first tasks was to deliver a monthly economics briefing to the President and the Vice-President. After he and Hubbard sat down in the Oval Office, President Bush noticed that Bernanke was wearing light-tan socks under his dark suit. "Where did you get those socks, Ben?" he asked. "They don't match." Bernanke didn't falter. "I bought them at the Gap—three pairs for seven dollars," he replied. During the briefing, which lasted about forty-five minutes, the President mentioned the socks several times.

The following month, Hubbard's deputy, Keith Hennessey, suggested that the entire economics team wear tan socks to the briefing. Hubbard agreed to call Vice-President Cheney and ask him to wear tan socks, too. "So, a little later, we all go into the Oval Office, and we all show up in tan socks," Hubbard recalled. "The President looks at us and sees we are all wearing tan socks, and he says in a cool voice, 'Oh, very, very funny.' He turns to the Vice-President and says, 'Mr. Vice-President, what do you think of these guys in their tan socks?' Then the Vice-President shows him that he's wearing them, too. The President broke up."

unsere buben. sie haben den kalten krieg gewonnen.

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Wir erreichen vermutlich die 10 bis zum Jahresende. Autoindustrie, Bank of America, Goldman, da geht noch was.

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