Feindbilder

In der Erforschung von Ausgrenzungsphänomenen gibt es immer wieder das erstaunliche Ergebnis, dass die körperliche Abwesenheit einer Randgruppe nicht bedeutet, dass der Hass auf sie endet - ganz im Gegenteil.

Da ist also diese Schmiererei im Prenzlauer Berg. Der fromme Wunsch, eine Gruppe zu züchtigen. Die Yuppies. Interessant. Der Begriff kam in Deutschland in der 2. Hälfte der 80er Jahre auf und bezeichnete eine relativ kleine, gut verdiendende Personengruppe, die vor allem im Bereich der Finanzdienstleistungen oder durch schnellen Aufstieg im mittleren Management zu finden war. Viele Yuppies kamen auch aus der Creativ-, Werbe- und Medienszene, die damals, in Zeiten des Niedergangs der 68er, ihre erste, grosse Blüte hatte. Damals entstanden elektonische Privatmedien, und das Internet wäre, so man es bereits in seiner jetzigen Form erfunden hätte, sicher ein ganz gosses Ding geworden. Und es gab zum ersten Mal sowas wie eine, von Amerika inspirierte, Aktieneuphorie mit schnell steigenden Kursen.

Young Urban Professionels - das war man vielleicht, aber kaum jemand in Deutschland West nannte sich so, und im Osten sowieso nicht. Es war ein Modewort, und wie immer in Deutschland, schnell auch eine abfällige Moralkeule. Die Yuppies, das waren die anderen. Und so wirklich gut passte das 14-Stunden-Arbeits-Schwein auch nicht in die damals sehr hedonistische Realität.

Ausserdem war der Yuppie bald tot. Sein Todestag ist bekannt: Am 19. Oktober 1987, dem Black Monday, als der Dow Jones mit 23% Verlust das grösste Debakel seit dem schwarzen Freitag von 1929 erlebte. Zaghafte Hoffnungen auf eine Wiederbelebung wurden bei der nächsten Katastrophe am 16. Oktober 1989 aufgegeben. Es gab noch ein paar rückblickende Geschichten auf diese Leute - die Bekannteste ist American Psycho - aber das war´s dann. Statt dem exzessiven Singledasein wurde lieber die Weichspülvariante DINKs geprägt - Double Income no Kids, oder Einfach, kinderlose Dopppelverdiener.

DINKs sind vergessen, aber die Yuppies sind, 15 Jahre nach ihrem faktischen Verschwinden, noch in den Hirnen ihrer Gegner. Vielleicht weil es so ein schönes, griffiges Wort ist, mit der gesprochenen Silbe "Ju" am Anfang, das auch schon Grossvater beim Diskrimineren hilfreich fand. Sie würden sie so gern stiefeln, verdreschen, ihnen eine reinbetonieren, Hauptsache Gewalt, aber es geht nicht. Weil es die Yuppies nicht mehr gibt. Und schon gar nicht in dieser Ecke der Stadt, wo die Schmierer, die dauerbesoffenen Sozialfälle, und die Punks, die sich einen DVD-Player zusammenschnorren wollen, ein soziales Umfeld bilden, das sich erfolgreich jder Vielschichtigkeit, Offenheit und Toleranz wiedersetzt.

Donnerstag, 12. August 2004, 15:11, von donalphons | |comment

 
Man merkt, dass du in diesen 80er Jahren nicht in Berlin gelebt hast. Hier hatte "Yuppie" einen sehr eigenen Klang. Das waren die, die nach Ende der Hausbesetzerzeit, Anfang der 80er, aus Kreuzberg einen schicken Kiez machen wollten. Unterstützt von Stadtsanierern und Immobilienhaien, die in Berlin ja immer schon eine unheilige Allianz zum Schaden der öffentlichen Kassen eingegangen sind. (Stichworte: Seglitzer-Kreisel, Garski, Antes, Bankgesellschaft). Alles gipfelte dann in "Attentaten" von Autonomen auf "Yuppie-Restaurants" und im 1. Mai 1987.

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Ihre Grossväter haben 1960 sicher auch noch von den dollen Zeiten im Osten erzählt ;-)

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Ich dachte in ihren Kreisen legt man Wert auf ein wenig Geschichtsbewusstsein. ;-)

Im übrigen: Meine Grossväter sind beide im Osten geblieben. Aber im Gegensatz zu Schröders Vater hat sich niemand die Mühe gemacht, ein Grab zu finden und zu schmücken.

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