Schmollen als Luxus
Ich will aber auch so einen grossen Strauss - da hilft, junge Dame, nur das langmachen und fangen und Bedenken der Folgen.
Nicht dass ich ein gefühlloses Scheusal wäre, aber solche Folgen wären gerade anderswo zu begutachten. Nicht als echte Scheidung, aber als Trennung nach langer Zeit, und ich habe damit nichts zu tun. Ich bin weg. Man kommt mir nicht nach. Und ich werde den Teufel tun und diesmal sagen, dass hier genug Platz wäre. Ich habe andere Sorgen. Ich hätte dafür auch keine Zeit. Und ich habe mit mir selbst genug zu tun.
Das ist hier wie Israel während der Intifada 2, man kann es sich aussuchen. Bleibt man in Mantua, ist alles so wie immer. Es gab einen gewissen Einbruch im Juni, aber danach hat sich alles stabilisiert. Die Literaturtage haben damals hektisch das Progrann ergänzt, um es den Ereignissen anzupassen; vermutlich waren sie dann selbst überrascht, wie wenig das Im September noch eine Rolle spielen würde. Man muss nur über den Po fahren, wo viele junge Menschen, die in Mantua leben, eigentlich herkommen, und schon sieht es anders aus. Verflucht anders.
Aber die letzten Stösse waren klar drüben auf der anderen Seite, in Mantua hat man das Thema abgehakt und einen Einkaufsabend verlängert. Drunten in Moglia ist dagegen mal wieder ein Solidaritätskonzert; eine Sache von Moglia, kein Thema hier, und auch nicht in Reggio, wo sie eigene Probleme haben. Die Finanzkrise ist nur in Deutschland mal wieder ein paar Tage vergessen, es herrscht in den Medien Ruhe, hier ist und bleibt sie das Thema. Die Erde ist ruhig, aber die Steuerbehörde. Und die Sache mit den Renten, Und die Immobiliensteuer. Und die generelle Unsicherheit. Berlusconi sagte, die Cafes seien doch voll, aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist, was konsumiert wird, und da sehe ich nach all den Jahren schon den Unterschied.
Ich bin in der Zona Rossa teilweise nicht allein unterwegs, was ganz praktisch ist, ich werde nicht, wie im Juni, laufend von der Polizei angehalten. Man kommt dann leichter in Kontakt, man muss nicht Leute auf Verdacht auf der Strasse anquatschen, die Geschichten kommen einfach so. Zwischen Mirandola und Concordia zum Beispiel ist eine grosse Nekropole, da kommen die Toten wieder aus den überirdische Gräbern, weil die Mauern eingestürzt sind. Die Toten hält es nicht in ihren Betonkammern und die Lebenden wissen nicht, wo sie jetzt ihre neuen Toten hintun sollen. Ich fahre für solche Geschichten jeden Tag 80, 100 Kilometer, und wenn ich wieder in Mantua bin, weiss ich auch, warum das hier klingt, als käme es aus einem anderen Land: Das erträgt man nicht dauernd.
Weil es auch eine grosse, übergeordnete Frage stellt: Wie fragil dieses Leben und diese Zivilisation ist. Über dem Po ist nicht alles in Trümmern, nur manches, und aussenrum ist eine der reichsten Gegenden Europas, aber es hilft auch nur begrenzt weiter. Eine Woche in Moglia wohnen, das wäre vielleicht die Erfahrung, die mir noch fehlt - was sind schon 7 Tage, die Menschen hier schauen seit 4 Monaten zu, wie die Kulturpflanzen hinter den Gittern verdorren und das Gras und Unkraut aus dem Asphalt bricht. Aber ich bin in der privilegierten Lage des Journalisten. Manche glauben, dass wir umsonst in Museen können, und manche nutzen das auch aus. Das einzige Privileg, das mir wichtig ist, ist zu wissen: Am Abend bin ich wieder in Mantua, wo sie alle Normalität spielen wollen.
Nicht dass ich ein gefühlloses Scheusal wäre, aber solche Folgen wären gerade anderswo zu begutachten. Nicht als echte Scheidung, aber als Trennung nach langer Zeit, und ich habe damit nichts zu tun. Ich bin weg. Man kommt mir nicht nach. Und ich werde den Teufel tun und diesmal sagen, dass hier genug Platz wäre. Ich habe andere Sorgen. Ich hätte dafür auch keine Zeit. Und ich habe mit mir selbst genug zu tun.
Das ist hier wie Israel während der Intifada 2, man kann es sich aussuchen. Bleibt man in Mantua, ist alles so wie immer. Es gab einen gewissen Einbruch im Juni, aber danach hat sich alles stabilisiert. Die Literaturtage haben damals hektisch das Progrann ergänzt, um es den Ereignissen anzupassen; vermutlich waren sie dann selbst überrascht, wie wenig das Im September noch eine Rolle spielen würde. Man muss nur über den Po fahren, wo viele junge Menschen, die in Mantua leben, eigentlich herkommen, und schon sieht es anders aus. Verflucht anders.
Aber die letzten Stösse waren klar drüben auf der anderen Seite, in Mantua hat man das Thema abgehakt und einen Einkaufsabend verlängert. Drunten in Moglia ist dagegen mal wieder ein Solidaritätskonzert; eine Sache von Moglia, kein Thema hier, und auch nicht in Reggio, wo sie eigene Probleme haben. Die Finanzkrise ist nur in Deutschland mal wieder ein paar Tage vergessen, es herrscht in den Medien Ruhe, hier ist und bleibt sie das Thema. Die Erde ist ruhig, aber die Steuerbehörde. Und die Sache mit den Renten, Und die Immobiliensteuer. Und die generelle Unsicherheit. Berlusconi sagte, die Cafes seien doch voll, aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist, was konsumiert wird, und da sehe ich nach all den Jahren schon den Unterschied.
Ich bin in der Zona Rossa teilweise nicht allein unterwegs, was ganz praktisch ist, ich werde nicht, wie im Juni, laufend von der Polizei angehalten. Man kommt dann leichter in Kontakt, man muss nicht Leute auf Verdacht auf der Strasse anquatschen, die Geschichten kommen einfach so. Zwischen Mirandola und Concordia zum Beispiel ist eine grosse Nekropole, da kommen die Toten wieder aus den überirdische Gräbern, weil die Mauern eingestürzt sind. Die Toten hält es nicht in ihren Betonkammern und die Lebenden wissen nicht, wo sie jetzt ihre neuen Toten hintun sollen. Ich fahre für solche Geschichten jeden Tag 80, 100 Kilometer, und wenn ich wieder in Mantua bin, weiss ich auch, warum das hier klingt, als käme es aus einem anderen Land: Das erträgt man nicht dauernd.
Weil es auch eine grosse, übergeordnete Frage stellt: Wie fragil dieses Leben und diese Zivilisation ist. Über dem Po ist nicht alles in Trümmern, nur manches, und aussenrum ist eine der reichsten Gegenden Europas, aber es hilft auch nur begrenzt weiter. Eine Woche in Moglia wohnen, das wäre vielleicht die Erfahrung, die mir noch fehlt - was sind schon 7 Tage, die Menschen hier schauen seit 4 Monaten zu, wie die Kulturpflanzen hinter den Gittern verdorren und das Gras und Unkraut aus dem Asphalt bricht. Aber ich bin in der privilegierten Lage des Journalisten. Manche glauben, dass wir umsonst in Museen können, und manche nutzen das auch aus. Das einzige Privileg, das mir wichtig ist, ist zu wissen: Am Abend bin ich wieder in Mantua, wo sie alle Normalität spielen wollen.
donalphons, 01:31h
Montag, 24. September 2012, 01:31, von donalphons |
|comment
savall,
Montag, 24. September 2012, 09:53
Schöne Bilder, mit manchmal unschönem Inhalt. Es ist wirklich schockierend, wie schnell das aus den Medien und damit aus der Welt verschwunden ist.
... link
donalphons,
Montag, 24. September 2012, 10:24
Ich hatte gestern ein langes Gespräch mit einem, der in dem Bereich in der Region Mantua arbeitet: Sie haben insgesamt 11 Millionen Euro bekommen. Für die ganze Region. In 10 Jahren, schätzt er, sind die Schäden beseitigt.
... link
donalphons,
Montag, 24. September 2012, 11:25
Man muss es realtistisch sehen: Für 600 beschädigte Kirchen gibt es in Italien einfach nicht genug Restauratoren.
... link
... comment
sephor,
Montag, 24. September 2012, 11:31
Geheiratet wird immer. Trotz oder gar wegen des Erdbebens.
... link
donalphons,
Montag, 24. September 2012, 11:44
Man macht hier Witze über die Terremoto-Bambini, die jetzt alle kommen. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, als herrschte damals so ein wenig "Egal wir machen das jetzt"-Atmosphäre. Trösten kann ja schnell in sowas abgleiten.
... link
sephor,
Montag, 24. September 2012, 11:55
Die haben den Begriff der 'schöpferischen Zerstörung' einfach mal wörtlich genommen. Finde ich prima.
... link
donalphons,
Montag, 24. September 2012, 12:40
Also, ich selbst habe es so erlebt, dass es gleichzeitig den Wunsch zur Zuwendung wie auch den Drang zur Abwendung gibt. Man kennt das aus dem Krieg, wie schnell da Ehen geschlossen wurden. Es ist alles sehr dicht, emotional und verstörend.
... link
sephor,
Montag, 24. September 2012, 12:43
Kurt says:
'Das ist schwer: ein Leben zu zwein.
Nur eins ist noch schwerer: einsam sein.'
Und wie immer hat er natürlich recht.
'Das ist schwer: ein Leben zu zwein.
Nur eins ist noch schwerer: einsam sein.'
Und wie immer hat er natürlich recht.
... link
... comment
manuel_le,
Montag, 24. September 2012, 14:02
"Die Finanzkrise [...] hier ist und bleibt sie das Thema. Die Erde ist ruhig, aber die Steuerbehörde. Und die Sache mit den Renten, Und die Immobiliensteuer. Und die generelle Unsicherheit. Berlusconi sagte, die Cafes seien doch voll, aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist, was konsumiert wird, und da sehe ich nach all den Jahren schon den Unterschied."
Ja - nicht nur in und um Mantua. Wir hatten jetzt das Vergnügen in den Apuanischen Alpen (Viareggio / Lucca). 2007 vor der Krise besuchten wir genau diese Gegend schon einmal. Jetzt wieder 2012. Und es ist kein Vergleich. Neben den vielen geschlossenen Läden / Einrichtungen (nicht ganz so viele in Lucca, aber dafür "drumherum" um so mehr) ist es vor allem die allgemeine "Stimmung" die aufs Gemüt drückt.
Schon mal ganz alleine an einem Wochenende (!) im September bei bestem Wetter im "Parco di Pinocchio" in Collodi gewesen? Interessante Erfahrung. Traurig auch, dass der ambitionierte Park (der gar nicht so sehr bei Touristen dafür mehr bei Italienern selbst beliebt ist) ziemlich vor sich hin rottet...
Noch heftiger sieht es in Bagni di Lucca aus - die meisten Thermen dicht, das Casino dicht, der öffentliche Park im alten Ortsteil teilweise wegen Einsturzgefahr geschlossen usw.
Richtig ist, die Cafés sind voll - aber eben nicht so voll wie sonst.
Ja - nicht nur in und um Mantua. Wir hatten jetzt das Vergnügen in den Apuanischen Alpen (Viareggio / Lucca). 2007 vor der Krise besuchten wir genau diese Gegend schon einmal. Jetzt wieder 2012. Und es ist kein Vergleich. Neben den vielen geschlossenen Läden / Einrichtungen (nicht ganz so viele in Lucca, aber dafür "drumherum" um so mehr) ist es vor allem die allgemeine "Stimmung" die aufs Gemüt drückt.
Schon mal ganz alleine an einem Wochenende (!) im September bei bestem Wetter im "Parco di Pinocchio" in Collodi gewesen? Interessante Erfahrung. Traurig auch, dass der ambitionierte Park (der gar nicht so sehr bei Touristen dafür mehr bei Italienern selbst beliebt ist) ziemlich vor sich hin rottet...
Noch heftiger sieht es in Bagni di Lucca aus - die meisten Thermen dicht, das Casino dicht, der öffentliche Park im alten Ortsteil teilweise wegen Einsturzgefahr geschlossen usw.
Richtig ist, die Cafés sind voll - aber eben nicht so voll wie sonst.
... link
... comment