: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 27. September 2012

Man macht es besser allein

Ich sondere mich dann ab und gehe eigene Wege, wenn ich kann. Es ist eine seltsame Sache, diese Zona Rossa: hat man jemandem zum reden, macht es einem nicht so viel aus. Ist man allein, erkennt man sehr viel mehr, und es ist wirklich hart. Aber man kann es einordnen. Ist man dagegen abgelenkt, kommt es nachher hoch. Die Gedanken kommen wie die Toten aus ihren Gräbern, wie in Concordia.



Da ist dieses Blumengeschäft. Man weiss, wie das gewesen sein muss, jeden Morgen, wenn die Sonne funkelt, ist Fulvio auf die Leiter gestiegen, und hat die Planzen in den Körben gegossen. Man kam herein in die kleine Stadt, und das Grün des Lebens erwartete den Besucher gleich an der ersten Arkade. Das ist so, in den kleinen Landstädtchen der Region. Jeder versucht, aus seinem Eckchen der Stadt etwas zu machen. Fulvio ist Florist und hat seine Blumen gegossen.



Aber sie wissen noch nicht mal wohin mit den Toten: Also braucht man auch keine Blumen für die Gräber. Oder Hochzeiten. Und das Leben regt sich am ehesten wieder bei jenen, die ein Zimmer oder eine Wohnung ausserhalb der Zone gefunden haben. Und ausserdem sollte man hier auch gar nicht sein, weder Fulvio noch ich. Zona Rossa halt. Einsturzgefahr. War halt gerade offen, geht man halt rein, Das Glas knirscht auf dem Boden, aber vielleicht klingen die geborstenen Steine auch so, wenn sie sich nochmal in Bewegung setzen sollten.



Es ist damals alles so schnell gegangen. Die Erde ist jetzt ruhig, ein ganz leichtes Beben wird gemeldet, 3.0, als ich darüber stand, aber das war nur eine ferne Ahnung. Man ist ohnehin damit beschäftigt, das alles einzusortieren.Das ist schwer genug, wenn man die Begabung des genauen Blicks hat.



Es ist gut, allein zu sein, hier in der Zona Rossa und später auch daheim, wenn einen diese ungesunde Lust auf schnelles, kurzfristiges und hemmungsloses Leben überkommt. Man meidet besser die irdischen Schätze, man nimmt sie nicht mir, wo sie liegen, das ist nur der abklingende Schock, später steht man da mit einem neuen Rennrad, 10 Krawatten oder einer infantilen Email, die man besser nicht geschrieben hätte. Kürbistortelli, viel Butter und Parmesan, das reicht auch. Andererseits, wenn morgen die Kirche in Finale Emilia runterkommt, und ich bin gerade drin, wäre es dumm, es nicht getan zu haben.

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Niveauvoll

So einen schweren Regenguss in Mantua weiss man erst richtig zu schätzen, wenn Post aus der Heimat im elektronischen Briefkasten ist: 25% Rabatt für das Oktoberfest von einem Partnerschaftsdienstleister, bei dem ich mich vor zwei Jahren zu einer Recherche angemeldet habe. Angeblich niveauvoll und Akademiker.

Da bleibe ich doch lieber in Italien und verstehe weiterhin kaum etwas, was sie sagen.





Das gelbrote Baugerüst ist übrigens immer noch vom grossen Erdbeben. Diese Stelle war im Frühjahr so gesperrt, dass man überhaupt nicht passieren konnte. Am Gebäude selbst ist nichts geschehen, es sind immer noch die gleichen Risse im Mauerwerk. Aber wie die Italiener so schön sagen: Wenn es nicht gefallen ist, bleibt es stehen.





Und an regnerischen Tagen bin ich so träge, dass es mich gar nicht mehr aufregt. Ich bin in Mantua und in der privilegierten Situation, nicht für ein Besäufnis 25% Rabatt zu benötigen.

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Wir sitzen auf der Treppe um uns

Wenn ich in diesem Jahr etwas richtig gemacht habe, dann ist es:

1. Etwas, das privat ist. Nicht leicht, aber richtig und privat.

2. Jemandem klar gesagt zu haben, dass die Grenze erreicht ist, und es keine Wiederkehr gibt. Überhaupt nicht meine Art, aber nötig. Und sehr richtig.

3. Die Sache mit dem Gewicht angehen. Lange rausgezögert, teilweise auch verhindert, aber gemacht, und es gibt keinen Jojo-Effekt.

4. Dem Verlag deutlich gesagt, dass ich nicht nur das Buch und den Vertrag und den Vorschuss nicht will, sondern nichts mehr mit ihnen zu tun haben möchte. Also auch kein zweiter Versuch oder de Roman oder nochmal reden. Nichts.

Die Reaktionen waren leider so, dass sie mein Bild dieser Branche bestätigt haben: Da glauben wirklich manche, man könnte die Leute mit ein wenig Scheinen und Socializing abgrasen, die wären irgendwie alle scharf auf grosse Verlage, Namen und läppische Anzahlungen. Ich finde auch 50.000 oder 100.000 Vorschuss nicht wirklich viel, und schon gar nicht, wenn das Buch so gegen die Wand fährt, dass man sich danit die weitere Karriere auf allen Ebenen auf Jahre hinaus ruiniert.





Mir wäre das vermutlich eher nicht passiert, schliesslich wären ein ein paar undogmatische Anmerkungen eines ohnehin für seine Wurschtigkeit bekannten Autors geworden: Ich könnte mir auch eine Buchpleite leisten, und ideologisch gibt es ohnehin nichts, was ich erst propagieren und dann mit Füssen treten würde. Einfach, weil ich kein ausgeprägtes Gefühl für Ideologie habe. Und die Polarisierung, die der Lektor unbedingt haben wollte, hätte ich ohnehin nicht zugelassen. Man sollte nach meinem Empfinden gute Geschichten machen, und nicht Überfliegerrisiken. Aber die angeblich so innovative Frau Hegemann, die abgeschrieben hat, und danach ihr Treibem als Mashup verkaufen wollte, oder die Frau Schramm, die sich erst als Kämpferin gegen die Idee des geistigen Eigentums profilierte, dann den Download ihres Machwerks verhindern und ihren Parteichef sagen liess, dies wäre schon mal ansatzweise Piratenpolitik - die beiden haben im Buch die Fails vorgemacht, die Guttenberg und Frau Wulff in Büchern nochmals vertieften. Das sind dann so die Figuren, die den Makel nie mehr loswerden. Immer wird man sich an die Peinlichkeit zuerst erinnern, und nie an die eher schmale Leistung. Oder das Geschmeiss, das sie hofierte. Den Schaden kann keine Finanzierung wieder gutmachen, und was die wütenden Leser bei Amazon als Tags hinterlassen, bleibt bestehen. Da war doch was, denken sich dann Suchende in einigen Jahren... ach so. Das Brandzeichen unserer Zeit.





Wäre es anders gekommen, müsste ich jetzt in Deutschland sein, vorbereitende Interviews geben und freundlich sein, ich müsste mich auch mit dem Gedanken an das Geschmeiss anfreunden, die vermitlich auch auf der Buchmesse vorbeikäme: Lieber Don, kennen Sie schon... und dann wäre ich sicher unhöflich zu Fleischhauer und was da sonst noch so aufläuft. Es ist ja nicht nur ein Buch, es ist eine vermarktungsstrategie, in der man festhängt, ein Netzwerken und ein Adabeisein um jeden Preis, den die anderen festsetzen: Ich weiss, wie das ist. Man erträgt das vielleicht, wenn man das Geld braucht, oder wirklich etwas zu sagen hat, aber ich bin eigentlich vollkommen zufrieden, in Mantua meine Ruhe zu haben. Es reicht schon, wenn ich dann auif der Buchmesse zuschauen muss, wenn man versucht, aus echten Pleiten noch etwas Vertretbares zu machen. Viel hätte sein können, aber nichts, was ich irgendwie vermissen würde.





Es ist die erste Nacht in Mantua, die den Nebel ahnen lässt, diesen so unitalienisch dicken Pesthauch der Nacht, der von nun an ein ständiger Begleiter sein wird. Ich mag den Nebel daheim nicht besonders, aber hier trägt er auch dazu bei, dass ich mich so heimisch fühle. Es ist der richtige Ort für mich, im Gegensatz zu einem Studio im Angesicht von Leuten, deren Namen ich erst mal googeln muss. Immer wieder sage ich Nein zu solchen Auftritten, aber diesmal hätte ich Ja sagen müssen. Und auf der anderen Seite wären Leute gesessen, denen ich unter normalen Bedingungen nicht vorgestellt werden möchte. Blasen wären aufgestiegen und sicher wäre da auch eine Dummbratze aus der TV-Sumpflandschaft gewesen, die sie dazusetzen, damit sie halt dabei sitzt. Ich habe keinen Fernseher, es ist einfach nicht mein Ding. Aber wer Bücher verkaufen will, der muss da rein. Und bitten und betteln bei Redaktionen, die am Morgen immer erst die Bild lesen. Nicht meine Sache.





Wenn das Geld nicht wichtig ist, und der Name - eine Fassade für Studi-VZ-Versager - nichts bedeutet, bleibt halt nichts übrig, Wenn ich doch mal wieder will, melde ich mich woanders. Wenn es geht, ist es gut, und wenn nicht, dann passt mein Leben auch so. Ich bin auf der Buchmesse, beruflich, und werde berichten. Es wird scheusslich sein, wie immer in Frankfurt im Oktober, aber Ruinen und Schutthaufen habe ich auch ausgehalten. Ich schaue mir das aus der Nähe an, und bin innerlich ganz weit weg.

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