Kreislauf nach München

Der See am Sonntag ist nur etwas für Hartgesottene: Dann nämlich kommt auch die BOB an ihre Belastungsgrenzen, und die 12 Plätze für Räder pro Zugwagen sind überbelegt. An jeder Station blockieren sie die Ausstiegswege, und ob sie nun in Gmund oder in Tegernsee aussteigen, spielt keine Rolle: Man muss auf dem Berg vorsichtig sein, denn sie bringen Münchner Manieren in den Wald mit. Und weil sie davor und zwischendrin auch dem Bier zusprechen, ist das mitunter keine schöne Erfahrung. Die Hiesigen, die unter der Woche fahren, sind meist rücksichtsvoll, aber am Wochenende lässt man das Rad besser stehen.







Das mache ich auch und lese. Andrea Camilleri. Unterwegs. In der BOB. Weg vom Tegernsee, nach München. Denn ich München steht ein Rad, das schon lange nicht mehr am Tegernsee, geschweige denn zum Tegernsee gefahren wird; jemand hat die Lust verloren und dessen Bruder verkauft es nun im Internet, Neupreis 630o Mark, damals, 1998 das Beste, was man kaufen konnte, Weltmeisterrad und überhaupt... heute Altaluminium und schon ein Geschäft, würde man allein die Kurbel und die Laufräder verkaufen. Ein Reifen ist sogar noch original. Da wurde nicht viel gefahren. Aber das ändert sich jetzt. Durch mich und eine Idee.







Denn es sind von der Donnersberger- bis zur Mangfallbrücke allein schon 55 Kilometer und danach ist es dann so spät, dass ich auch noch auf den dann vereinsamten und münchnerfreien Berg kann, was am Ende auf 70 Kilometer und eine Steigleistung von 431 auf 1261 Höhenmeter hinausläuft. Ziemlich genau das, was ich in Studienzeiten mit Gepäck auf dem Rennrad nach Hause gefahren bin. Nur geht es diesmal über von Müttern mit Doppelkindanhängern verseuchte Isarhochuferwege, vorbei an überfüllten Schwaigen und dem, was Münchner für ein akzeptables Freizeitangebot halten. Die schlimmsten Kilometer sind immer die ersten 10, bis dieses München vorbei ist. Ein paar Tage später wird es hier am Strand eine Massenschlägerei geben, aber heute ist es zu heiss. Es ist nicht ganz einfach, aber wenn es wieder geht, dann geht es auch noch wie früher.







Was ich wirklich nicht an dieser Strecke mag - obwohl ich sie allen Münchnern, die sonst mit der BOB am Tegernsee einfallen, wärmstens empfehlen würde - ist die Art, wie sich die Schotterebene erhöht. Man sieht das kaum, aber man fühlt es beim Treten. Man ist nie so schnell, wie man in der Ebene sein könnte, aber die 350 Höhenmeter nach Gmund müssen irgendwo sein. Sie sind überall, in all den Schlafdörfern hinaus bis zur Landkreisgrenze, wo sie dann in eine leichte Hügellandschaft übergehen. Was habe ich nicht alles dabei! Kamera, normales Gewand und Schuhe, Buch, Werkzeug - einen Sattel habe ich daheim gelassen, und jetzt erfahre ich wieder, dass ich auf den elenden Fizikdingern nicht lang ohne Probleme sitzen kann. Das ist aber auch schon das einzige Problem. Es läuft. Es läuft prima. Trotz der abartigen Hitze, trotz des Verkehrs und des Umstandes, dass mehr Wasser besser gewesen wäre.







Andere gehen schon wieder, als ich dann ankomme. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das eine wirklich gut ausgebaute Radler"autobahn" von München an den Tegernsee, die das alles leichter und weniger verkehrsträchtig machen würde, denn das Tegernseewochenendelend bekommt man auch auf der Landstrasse voll ab. Auf dem Rennrad könnte man ausweichen, auf dem Bergrad dagegen, mit dem Wunsch, auch noch die Neureuth zu packen, muss man zu oft auf den Asphalt zusammen mit reichlich unfreundlichen Autos im Freizeitstress. Aber, ich komme an, es geht, auch der Berg geht dann noch, und das Gefühl, dass jeder etwas Teures kaufen kann. Aber das Gute zu erspähen, zu ergreifen und dann noch artgerecht zu erringen, das macht einfach mehr Spass. Sogar an einem Wochenende, wo alle Münchner ausnahmenweise mal nicht arbeiten und die Region reich machen müssen, um sich dann wieder extrem teure Räder zu kaufen, die bald nichts mehr wert sind.

Sonntag, 16. Juni 2013, 23:43, von donalphons | |comment

 
"Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen"… Heisst es nicht so oder ähnlich?

Das nenne ich einmal ernsthaft erworben. Respekt!

Viel Spaß damit!
(Und nächstes mal ein "Raven"?)

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Bloss nicht! Ich glaube nicht, dass die alten Carbonkisten die Belastung in den Bergen dauerhaft matmachen.

Es ist halt so, dass die Münchner nicht grenzenlos Platz haben. Mein Keller am Tegernsee ist dreimal so gross wie die Verschläge dort, und was rumsteht, muss nach Möglichkeit eben weg, und so war es auch hier.

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die tendenz zum Y-Rahmen ... entspringt die ihren persönlichen vorlieben oder ist das aus der Not des angebots geboren, weil gerade die üblichen Verdächtigen der späten 90er Jahre in die Kleinanzeigen wandern ?

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Generell hat ein Y-Rahmen beim Thema Absteigen in den Bergen einige Vorteile für den Fahrer, und sollte es dann etwas mehr wiegen, ist es auch nicht so wichtig. Generell muss man auch sehen, dass der Einsatz in den Bergen mit Gattern, Wutzeln, Schotter und Weidezäunen die Optik ohnehin irrelevant erscheinen lassen.

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Ein Punkt, der mich bei Rädern aus den späten 90ern und danach nervt, ist die gripshift schaltung. Wird die umgebaut oder geht das auch so?

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Ich persönlich kann auch gut mit der Gripshift, nur die Invers-Schaltungen von Shimano finde ich furchtbar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass besondern Gästinnen mit Gripshift besser klar kommen. Hier ist es übrigens Sachs, die sind sehr viel angenehmer.

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inversschaltung ? musste mich da mal grad zu einlesen und bin froh, dass dieser kelch irgendwie an mir vorrüberzog.

komme persönlich auch am besten mit den klassischen rapid fire hebeln klar. die haben aber idT den nachteil, dass deren bedienung nicht so wahnsinnig intuitiv ist und wenns direkt an den berg geht auch schnell mal zu frust führt. da ist gripshift schon deutlich eingängiger

die vorliebe der damen für gripshift könnte auch vom privaten radl der damenschaft kommen. an den üblichen city flitzern und tourenrädern egal ob ketten oder nabenschaltung ist das inzwischen sehr verbreitet und ich finds gerade da auch sehr angenehm.

gegenüber den damals üblichen "one for all" schalthebeln war gripshift in jedem fall eine satte verbesserung

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Wenn ich mich von Zeit zu Zeit aufs Damenrad schwinge, muss ich auch immer erst überlegen, welches Hebelchen was genau schaltet. Aber da die marquise793 das Schnellfeuer von ihrem Tourentrecker gewohnt war, habe ich es an ihrem Flatbar-Renner auch so einrichten lassen.

Die kontra-intuitivste Schaltung, die ich je erlebt habe, war die Duomatic-Zweigang am Rad meiner Mutter, da wechselte man den Gang per Rücktritt. Und die Torpedo-Dreigang-Hebelchen am Rad meines Vaters waren auch nicht gerade der Brennofen, da hatte ich dann ja mit dem Sachs-Unterrohr-Gewürge von meinem ersten Pseudo-Rennrad mehr Spaß.

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