100% Müll: Schleichwerbung bei Spiegel Online

Also, das geht so: Ich bin im Management einer Firma tätig. Und in dieser Firma haben wir ein Produkt, und dessen - von uns zumindest so gesehene - Vorzüge will ich möglichst bekannt machen. Das geht ganz einfach - ich schreibe einen Artikel, wie toll unser Produkt ist, schicke den an Spiegel Online, und die bringen das dann - natürlich ohne zu sagen, dass ich im Management der Firma bin, die das Produkt verkauft.

So gerade hier nachzulesen, in einem begeisterten SPON-Artikel über angeblich tolle Bilder des Glamourphotographen Horst P. Horst - die besagter Photograph hat grössere Serien geschossen, und den Abfall daraus veröffentlicht jetzt das Kunsthandweksblättchen Monopol. Lyrisch-lockend heisst es da:

Auch deshalb ist es etwas indiskret, nun Serien zu zeigen, aus denen Horst P. Horst schließlich die perfekte Aufnahme wählte.

Nicht indiskret, sondern eine Riesensauerei ist es, dass der Spiegel diesen Werbetext bringt, der aus der Feder von Tobias Rüther stammt. Rüther ist kein normaler Mitarbeiter von Spiegel Online, der über das Thema schreibt, sondern der Textchef von Monopol, dem man beim Spiegel offensichtlich einfach den Platz zur Verfügung stellt, um bar jeder Distanz für sein Blättchen zu werben. Ein Hinweis, wer dieser von der eigenen Postille so angetane Herr Rüther ist, findet sich bei Spiegel Online natürlich nicht. Aber was tut so einen Contentfabrik nicht alles, um billig an Texte zu kommen, und Pressecodex - was war das nochmal...

Freitag, 10. Juni 2005, 17:28, von donalphons | |comment

 
Bildzeitungsniveau, ohne Frage. Sollte es etwa gar eine finanzielle Verstrickung zwischen den Verlagen geben, oder ist das wirklich nur eine persönliche Angelegenheit des Herrn Rüther?

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Der Spiegel nimmt gern auch mal längere Texte von anderen, etwa Brand 1, weil sie sonst ja kaum grössere Beiträge haben. Manchmal steht dabei, wo sie sie herhaben, aber in diesem Fall nicht. Also denken sie wohl, dass es keinem auffällt.

Ich vermute mal, dass es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ist - Spiegel krigt Bilder und Content, Monopol die Werbung. Und der Leser Dreck.

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> Und der Leser Dreck.

na wenigstens kostet der Dreck kein Geld:-)
Mal ehrlich, mir waere das gar nicht aufgefallen, ich kannte weder Horst P. Horst noch das komische Magazin.
Eines ist den Ausgaben solcher Gazetten gemein: Sind sind mitnichten (lebens)notwendig, mehrenteils sind es Jubelpostillen zur Steigerung des Marktwertes der Akteure.

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Hiddensee, gibs zu, Du warst lange nicht mehr in Mitte - Monopol kennt man doch, wenn man in den angesagten Cafes seine Stütze vertrinkt und überlegt, ob man einen Film oder Kunst oder den endgültigen Berlin-Mitte-Roman schreiben soll. Das Ding kommt aus dem Zentrum des Bösen, aus der Choriner Strasse...

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i swear: ich bin von Mo. bis Do. jeden Tag in Mitte, o.k. vielleicht ist der Hackelmarkt aus Deiner Sicht schon im outback:-)
But ich waste meine Zeit nicht in irgendwelchen Absteigen um Magazine zu lesen, die die Welt nicht braucht. Ich schufte dort in einem der ehedem vielseits geschmähten New Economy Unternehmen. Ach halt, 1991 gegruendet zaehlt es eigentlich nicht dazu (Biotech).

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Der Don kennt vorzugsweise die abseitigsten Varianten des Ganzen bzw. die Schlimmsten. Als wir uns mal über die alten NE-Zeiten unterhielten, kannte er nur Unternehmen mit völlig kranken Geschäftsideen und ohne echte Kunden (meist irggendwasmit new media), ich aber hauptsächlich solche, die Content-Management für die supply-chain der produzierenden Industrie machten oder die Server bei VW warteten. Obwohl das damals teilweise die gleiche Party war, hatten die NE-Welten, in denen wir uns zentralerweise aufhielten, kaum Berührung zueinander.

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Da wart ihr kurz vor dem Abgrund, meine damalige Klientel habe ich mit Muehe davon weggezogen. Kleine Krauter, die auf Biegen und Brechen irgendwas mit Internet machen wollten. Manche haben auf mich gehoert und manche nicht. Es waere zu muehselig danach zu unterscheiden, welche sich mit dem Thema uebernommen haben und welche einfach so eingegangen sind.

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Nein, wir waren eine solide Firma, die irgendwann von echter Hybris gepackt wurde und die Welt erobern wollte. Und die VCs glaubten es ja, die knallten ja Geld drauf ohne Ende. Die Pleite kam dann, als unsere wichtigsten Geschäftspartner und Anteilseigner im Sog des zusammenbrechenden Neuen Marktes plötzlich selbst nichts mehr wert waren....

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Nodutschke ist gelöscht und braucht hier gar nicht weiter auflaufen.

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Wer genauer hinsieht, entdeckt im SPON-Artikel den zarten Hinweis "gefunden in ..." verbunden mit ganz offener Monopol-Werbung.
Insofern ist es zumindest auf den zweiten Blick tranparent, dass bei SPON nicht mehr SPON drin ist, sondern - wie schon seit Monaten z.B. im Reiseteil oder ab und zu aus der F.A.S. - die Reichweite an billige Contentproduktionssklaven verkauft wird, die dann dafür umsonst schreiben.
Kein Kennzeichnungsproblem also. Bloß ein Qualitätsproblem. Aber auch das ist schon schlimm genug.

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Übersetzt für nodutschke: Wenn Helmut Schmidt in der FAZ einen produktbezogenen Werbeartikel schreiben würde, sagen wir, einen Beitrag, in dem er empfiehlt, einen bestimmten Kombi von Mercedes zu kaufen, und der Beitrag wäre vorher schon in der Zeit erschienen, und in beiden Fällen auf der Aufmacher-Seite vom Wirtschaftsteil, dann würde das in der Tat hier landen, außerdem in den Briefen an die Leser in der Titanic. Nur dass der Schmidt das nie machen würde.

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"Titanic" und "taz" werden wir in den nächsten Jahren brauchen :-)

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Und durchaus auch konkret, Junge Welt, Jungleworld, Frankfurter Rundschau, Pardon und in der SZ den Herrn Prantl.

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Das große Problem der progressiven Presse, die Du da aufführst, ist, dass sie gebraucht werden mag, aber ihr mieser Unterhaltungswert mich davon abhält, sie auch zu lesen. Das letzte mal über die Titanic gelacht habe ich, fürchte ich, vor Erreichen meiner Volljährigkeit, die anderen Blätter kenne ich nur vom Durchblättern am Kaffeehaus, wenn gerade nichts anderes da war. Sie mögen alle recht haben, aber sie langweilen mich zu Tode. Menschen mit ausgeprägteren politrischen Interessen, als dies bei mir der Fall ist, werden der politischen Ausrichtung ihrer Lektüre sicherlich eine andere Bedeutung beimessen, aber an der taz etwa schätze ich weder diese ausgeprägte Flapsigkeit noch das miese Feuilleton.

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@ zaphodb: Mag sein, dass es auf dem 2. Blick etwas anders aussieht, aber man kann gar nicht oft genug auf Ziffer 7 des Pressekodex hinweisen:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.

Mehr ist dazu nicht zu sagen.

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@modeste: Da würde mich mal interessieren, was für Presse für Dich denn Unterhaltungswert besitzt.

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