2raumwohnung. Oder so.

Es ist ein wenig schade um den morbiden Charme des Raumes. Aber weitergammeln und den Motten eine Heimstatt sein ist nur dem Ungeziefer ein Vorteil. Es gibt in Irland ein wunderbares Town House aus der Zeit der Aufklärung, etwa 130 Jahre junger als der Kernbau hier, da hat man alles, wirklich alles an alten Spuren konserviert, so wie es die neuen Besitzer vorgefunden haben. Es gibt einige, historische Gründe, warum das hier nicht möglich ist, auch wenn es schon mehrfach überlegt und gedanklich durchgespielt wurde. Die Substanz war hier oben, bei den Dienstbotenkammern im Dach, nie auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet. Entweder man renoviert es richtig, oder der Verfall der 100 Jahre alten Einbauten greift die Substanz der 400 Jahre alten Konstruktion an. Der erste Teil ist schon seit 8 Jahren fertig, jetzt kommt der zweite Teil dran. Die eigentliche Bibliothek. Das heisst Abschied nehmen von der durchweichten und abgefallenen Blümchentapete der 50er Jahre, dem unerträglichen Teppichboden über den alten Eichenplanken, dem bröckelnden Putz und den maroden Küchentrümmern aus den frühen 70er Jahren.



Die Tür, der Rahmen, das Schloss, die Fenster, Spolien aus der Zeit, als man hier das Mittelalter in grossen Zügen abriss, bleiben natürlich erhalten. 20 Jahre, sagt man in den Baumärkten, hält ein Fenster aus. Das hier ist 15 Meter hoch eingebaut und frei gegen Westen, und hält jetzt an dieser Stelle seit 50 Jahren, und davor war es schon mal 50 oder 70 Jahre woanders verbaut. Abschleifen, streichen, und es hält nochmals mindestens 20 Jahre. Pfenningguat, heisst das hier. Früher haben sie das Holz 7 Jahre gelagert, bevor es verwendet wurde. Früher haben sie die Aussenleiste aus einem Stück Donaueiche gesägt. Lieber drei Tage lang schleifen, spachteln und pinseln, als irgendwelchen neuen Schrott einbauen lassen. Oder es zu verkaufen, was einem eigentlich jeder rät. Geht gar nicht.

Vor ein paar Jahren hat mir jemand Bilder eines grossen Hauses gezeigt, das an eine Erbengemeinschaft ging. Sie haben es verkauft, es wurde abgerissen, und auf dem grossen Grundstück stehen heute drei Doppelhäuser. Das alte Haus war natürlich etwas abgewohnt, verschlissen und dürftig restauriert, es atmete noch den Geist der früheren Besitzer. Für die Erben war es voller Erinnerungen, aber das Geld half gegen alle Sentimentalitäten. Es gab niemanden, der laut genug nein sagte. Es gab verdammt gute Vernunftgründe, jeder bekam seinen Teil, der wahrscheinlich längst an die Konsumgüterindustrie dieses oder eines anderen Landes gefallen ist. Die Person am Auslöser war ein Grenzfall, die hätte sich vielleicht anders entschieden, aber letztlich dann...

Die demographische Entwicklung sorgt dafür, dass von einer Generation der Erben die Rede ist. Es gibt nicht "die Erben". Mit Verlaub: Es gibt eine grosse Generation der Wurschtigen, und eine kleine Generation der Dabeibleiber, quer durch alle sozialen und politischen Gruppen. Es gibt Bayern, die nach drei Jahrhunderten den Bauernhof "heiss" sanieren, es gibt Leute, die ihre Eltern gehasst haben und es behalten, weil sie sich vom Nussbaum nicht trennen können, auf den sie in ihrer Kindheit geklettert sind. Manche schreien, wenn sie in ihrem neuen SLK fahren, und andere, wenn sie Schiefer in den Fingern haben. Manche sehen die Scharten, andere die Geschichte. Die einen hic bekommen rationale Gründe von ihrem Anlageberater, die anderen haec höhnisches Gelächter wegen der Minimalrendite. Manche leisten sich endlich die Weltreise, andere verzichten 3 Monate auf Freizeit. Die einen ficken sich durch Thailand, die anderen sind wegen dem Acrylschweissgestank und der Schufterei horizontal ungeniessbar. Und nur die wenigsten der ersten Gruppe werden es bereuen, bevor sie Hepathitis C bekommen oder die bombensichere Anlage zur Tretmine wurde.

Genug geärgert. Die zweite Gruppe geht zurück zu Spachtel und Pinsel. Und wenn das erst mal fertig ist, werden hier die grossen, privaten Mirabeau-Festspiele gegeben.

Sonntag, 26. Juni 2005, 01:57, von donalphons | |comment

 
Das mit dem Erben.

Ganz grob: Ein kleiner Teil erbt echte Vermögen. Soviel, dass persönliche, emotionale Bindungen zum ererbten nicht enstehen können. Die Emotionen beim Fahren des Sportwagens, den man sich vom Erbe leistet sind dann höher - bis der am Baum hängt. Kapitalvernichtung pur.

Ein weiterer Teil erbt nur ein verwohntes altes Häuschen, ohne die finanziellen Mittel zu haben, das zu renovieren. Es muss daher an Investoren verkauft werden, die mit dem Rest der eigenen Erbes, der nicht im Ferrari gesteckt wurde, in ein paar Reihenhausställe finanzieren oder Immobilienfonds zeichnen. Das Geld für das alte Häuschen langt dann gerade so als Eigenkapital für das Reihenhaus.

Der grösste Teil erbt einfach nichts und darf dann die Eigentumswohnungen als Mieter beziehen.

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Also, meine Familie gehört nun wirklich nicht zu den Reichen, und die Restaurierung der bisher 30 von 40 Räumen war zum grossen Teil, soweit eben möglich, selbst gemacht. Man muss nur wollen, dann geht das. Klar, ich könnte jetzt auch Wochen nach Malle. Klar, in den Vorstellungen der breiten Mehrheit ist das Urlaub und mein Drecksjob einfach nur blöd.

Das zentrale Problem sind die Immobilienschweine der lokalen Banken, die den typischen Erben den Verkauf einreden, vor allem mit der nun wirklich nicht üppigen Verzinsung, wenn man die Restaurierung machen lässt. 3-5%, mehr ist nicht zu wollen, selbst wenn man die Erbschaftssteuer und die Renovierungskosten nach drei Jahren wieder drin hat. Wie man das optimiert, erklärt einem keiner. Dann wird es an einen befreundeten Investor verkauft, der entkernt das Ding, bringt es um, und dealt steuermässig mit Fond was Tolles über Denkmalschutz aus.

Ein Hinweis noch: Das hier zur Debatte stehende Ding ist beiweitem noch nicht vererbt, die Besitzerin der letzten 50 Jahre erfreut sich guter Gesundheit. Nur die Arbeit wurde bislang verlagert.

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Die Form der Türklinke und das Schloss wecken viele Erinnerungen. Das Zimmer meiner Jugend (nicht mein Jugendzimmer) hatte genau so eins, nur war die Klinke aus Messing. Ich höre noch das Geräusch, wenn man den Riegel vorschob, spüre den leichten Widerstand, wenn man den großen Schlüssel drehte. Meine ältere Schwester war mal mit einem Klassenkameraden (und verhinderten Liebhaber) in ihrem Zimmer eingesperrt, weil just in der Nacht das Schloss ihrer Tür kaputt ging. Die Fenster in diesem Haus stammten aus dem Jahr 1904, im Winter blühten im Esszimmer innen regelmäßig Eisblumen an den Scheiben.

Da meinen Eltern das Haus aber nicht gehörte, werde ich es auch nicht zu einem Drittel erben.

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Das Schloss hier ist aus handgeschmiedeten Eisen. Es hat einen riesigen, geschmiedeten Schlüssel mit Z-Profil, 2 Riegel, einen mit Haken zum Schieben und einen zum zweimal mit dem Schlüssel raussperren. Mit jeder Umdreugung geht der Riegel weiter. Und beide machen ein sattes Clackgeräusch - Whackkk. Bleibt unverändert, von ein paar Tropfen Öl und schwarzer Farbe abgesehen. Meine Ururopa war klug und geizig genug, keines der teuren, flachen neuen Schlösser zu nehmen.

Es ist jedesmal eine Lust, es anzufassen.

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