The place not to be

eine gute sache am bloggen ist, dass man da all das reintun kann, was zwar im seelischen raum steht, aber nur bedingt gesellschaftsfähig ist, wenn man im anschluss wo eingeladen ist und bei der gelegenheit vielleicht auch noch halbwegs entspannt einen schlusspunkt hinter eine geschichte setzen muss, die zu lange dauert - und wenn man es doch wieder nicht schafft, dann stört es wenigstens nicht bei der gestaltung des unausweichlichen

Zu eng, zu krumm, immer das gleiche, nach einer Stunde kennt man jede Strasse, und wir, die wir hier gross geworden sind, kennen jeden abgetretenen Pflasterstein. Und so ziemlich alle standesgemässen Möglichkeiten für das Eine, die Gymnasien sind ja nicht weit auseinander. Die entsprechenden Viertel liegen auch nebeneinander, von der Altstadt zum Fluss, dann raus zum ersten Kaff am Golfplatz vorbei und am Krankenhaus, durch das Ärzteviertel und dann wieder zurück an den Rand des alten Kerns. Alles ist für uns mit dem Rennrad zu machen, alles das gleiche, in allen Häusern die gleichen Andenken an die Reisen, die Doppelgaragen und immer teure Säfte im Kühlschrank für junge Gäste, das Gesundheitsgift dieser Welt, nur die Konzentrationsmittelchen sind, wenn nötig, der eigenen Brut vorbehalten.

Manche von uns kommen ganz schön rum. Mit der Tante auf die Malediven, ins Ferienhaus bei Massa oder nach Freyus mit dem Golfclub auf Turniere, mit den Brettern nach Sylt oder den Lago, mit den Ruderern zu den Rennen, und im Winter mit allen anderen nach Chamonix. Nirgends sind die Strassen so eng, die Häuser so verschachtelt wie daheim, wo der Nebel ein Dauergast ist und sich auch in die Hallen und weitläufigen Wohnräume auszubreiten droht, wenn wir im Winter lüften, damit die Eltern nichts riechen, wenn sie vom Konzertverein kommen.



Manchmal gehen wir mit der sauberen Tochter einen Bankenchefs durch diese engen Strassen, nach irgendeinem Ball, fühlen die Wärme und nehmen uns trotzdem vor, es bleiben zu lassen, denn irgendwas passt nicht: Vielleicht die Ahnung, dass es Ernst werden könnte und uns dann hier hält, was so ziemlich das Letzte ist, was wir wollen. Für die Schönheit und das Mass bleibt kein Blick, und Jahre später, irgendwo in einem Laden, der weit entfernt und bald wieder geschlossen ist, Dorian Grey, wenn das noch einer kennt, treffen wir einen, der uns erzählt, dass sie es tatsächlich nicht raus geschafft hat. War klar, denken wir uns und reden über Schalkrägen von Gaultier und die andere, die drall war und eine Granate im Bett. Nicht dass wir es erlebt hätten, aber sie sah so aus und wir waren neidisch auf die, die es zu wissen vorgaben, und dann trinken wir zum Wohle der Frau, die es ganz sicher geschafft hat, in die geschichtslose Welt und die weltumspannende Klasse, auf die wir vorbereitet wurden.

Zumindest zeitweise. Machmal dauert es ein Jahr oder länger, bis die Neuigkeiten zu uns dringen, dazu müssen wir auch erst mal eine Weile hier sein, aber dann treffen wir doch die Tochter des Bankchefs, und die erzählt uns dann etwas von der, an die wir die ganze nacht im Dorian Grey denken mussten und an die verpassten Chancen, die jetzt für immer verpasst sind, und das uns dazu bringt, ganz gegen den eigenen, vollkommen fremdartigen internationalen Ritus, an diesem Tag zu der besagten Reihe und der Nummer zu gehen, die, ironisch genug, nur durch eine Mauer von dem Areal getrennt ist, das unsereins gehört. Sogar hier sind die Viertel noch irgendwie intakt, aufgereiht wie südlich davon die Häuser der Lebenden am Fluss die grossen Namen der kleinen Stadt, die nur auf denen lasten, die sehen, wissen und vielleicht gerade deshalb hier verbleiben. Grosse Kerzen für die Rebellen wie für die Angepassten sind selbstverständlich Ehrensache, nur nicht negativ auffallen, und nichts auf dem Marmor erklärt, warum es so kam.

Dienstag, 1. November 2005, 22:43, von donalphons |