: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 10. November 2005

Herzausreisser

Zeit für neue Kerzen am Morgen. Im Schatten sitzt einer, der im Dunkeln der Nacht einen Plan und eine Mission hat, und einen Obsidiandolch, um den zuckenden Muskel dann der Sonne entgegenzustrecken.



Nur - es fällt ihm hier im dichten Nebel ein paar Stunden zu spät ein. Andere sind manchmal ohne Plan schneller. Und gefühlvoller.

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Real Life Sommer 1984 - Days of Splendour

Es ist kein Tag wie jeder andere. Der Weg in die Stadt, zuerst über den Feldweg, der das kleine Seeviertel mit dem grösseren Westviertel verbindet, entlang der geraden, breiten, wenig befahrenen Strasse vorbei an den Villen, in denen Bankdirektorentöchter tot und leer in Richtung Ehe vor sich hindämmern, gesäumt mit gelben 911er Targas und seegrünen S-Klassen, über die Ringstrasse durch den Park über den geborstenen Festungsanlagen, diesen Weg fährst du diesmal allein auf deinem stahlblau-gelben KTM-Rennrad. Es ist Sommer, es ist heiss, die Schule wird nur vier Stunden dauern, und dann bist du erlöst.

Heute wird es furchtbar. Es ist ohnehin kein Spass, als Aussenseiter in dieser eher technisch orientierten Schule. Nur langsam beginnen sie, ein wenig Respekt zu haben. Seit den Surfbrettern bist du plötzlich interessant für die Mädchen, die raus zu dir an den See kommen, auch die S. ist dabei und die B., was so ziemlich alle verwundert. Irgendwie ziehen ihre Enduros nicht mehr so richtig. Die langen Jagden auf dem Rennrad durch das Altmühltal sorgen dafür, dass die schlagenden Proleten und ihre Freunde das Konfliktmanagement aktiv aus der Reichweite deiner Beine verlagern. Du hast einen Tanzkurs gemacht und eine wirklich hübsche Partnerin bekommen, die den Ansprüchen deiner Eltern genügt. Sommer 1983 und 84, da schien sich alles zum Guten zu wenden.

Bis zu diesem Morgen. Da war deine kleine Schwester schon früher reingefahren, mit ihrer besten Freundin B., einem intriganten Stück aus einer Doppelhaushälfte, das dich nie leiden konnte. B. war schon am Nachmittag davor dabei, als sich die Katastrophe anbahnte. Nach langem, beständigen Nerven, Drängeln und Erpressungen über die Noten - wenn nicht wie sie will dann keine Einser mehr - fügte sich Frau Mama ins unvermeidliche und beauftragte Papa, von der Dienstreise dieses braune Ding mitzubringen, das an diesem Tag deinen gesellschaftlichen Untergang bereiten würde. Am späten Nachmittag packten Mama und Schwester im Beisein von B. das Ding aus, die kleine Schwester tanzte vor Glück durch das Wohnzimmer, die Mahnungen, es nicht in die Schule mitzunehmen in den Wind schlagend, und du wusstest, es würde die Hölle werden.

Du bist auf den letzten Drücker gekommen, hast dein Rennrad abgesperrt und bist in die erste Stunde gerannt. Chemie, bei diesem elenden rechten Stück Pädogoabschaum. Rein, hinsetzen, Rucksack auf - der Gong, gerettet, keine dummen Fragen. Aber schon in der ersten Pause kann U., der dich in diesem Jahr des Surfens und Tanzen und Lebens schulisch überflügelt, den Mund nicht halten und fragt dich graderaus, ob das stimmt, was sich wie ein Lauffeuer auf dem Schulhof verbreitet hat. Dass deine kleine Schwester wirklich das braune Ding hat, dass es echt ist, und dass ihr so reiche Leute seit.

Deine kleine Schwester macht sich an diesem Tag keine Freundinnen, was insofern ein Problem ist, als du gern mit der ein oder anderen neuen Feindin gerne rumgeknutscht hättest. Mit dem scheusslichen braunen Ding hat das definitive Distinktionsmerkmal Einzug in die Welt das provinziellen Teenager Einzug gehalten, und du bist als Bruder mitgefangen. Alle reden darüber. Schaut sie euch an, die Signorina Porcamadonna. Was sie da hat, in cognacfarben mit der dunklen Schrift und den Buchtstaben C und M. Es ist echt, es ist teuer, igitt wie kann sie nur, was sind das nur für Leute, dass sie ihr erlauben, mit dieser

M-C-M Tasche

in die Schule zu gehen.

Der Sommer bleibt heiss, der See ist zu schön und die Bretter sind so verlockend beim Bräunen, lange hält die Sippenhaft nicht vor. Zumal nach einer Woche die Tochter der Pelzhändler mit Mamas goldbesetzter Tasche mit dem LV-Schriftzug auftaucht. Zwei Buchstaben, die zwar niemandem so richtig was sagte, aber das protzige Gold macht was her. Bald darauf haben auch andere Töchter Taschen mit M-C-M, und so betrat das Böse diese Welt der bis dahin unschuldig-dummen Gemeinheit. 21 Jahre ist das jetzt her. M C M war inzwischen zurecht fast pleite.

Aber nun ersteht die aus einem Münchner Friseurladen hervorgegangene, durch geschmacklose deutsche Vorstadtkinder und halbseidene Damen, amerikanische Prinzessinnen und asiatische Luxusgeschöpfe gerade so überlebt habende Marke MCM neu. In München. Und irgendwo in Hokaido, in Berkeley oder in Singapur wird nächstes Jahr ein Junge widerwillig durch einen unschuldig verzauberten Park in die Schule gehen, wo alle wissen und jeder auf ihn mit dem Finger zeigen wird, wegen dem täschchengewordenen Bösen, das seine Schwester wieder in eine heile Welt hineinträgt.

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Geschwätz von Gestern

Da gibt es einen "Journalisten" namens C. C. Malzahn bei einem SPONline-Schwesterblatt der Bild - und der schrieb am 31.10.05, dass Müntefehrings Niederlage die SPD in die "größte Krise ihrer Nachkriegsgeschichte" gestürzt hätte. Von der gerade nichts zu sehen ist. Ich wüsste gern mal, wieso dieser Mann mit der politischen Weitsicht eines Grottenolms für den Schmarrn und den Gossendreck, den er die letzten Monate durchaus CDU-freundlich über die SPD gekübelt hat, nicht schleunigst gefeuert wird. Irgendein schwarzer Minister nimmt den doch gerne als Pressefuzzi, also nur kein falsches Mitleid - der Herr ist für den besagten Onlinemagazinableger SPON das, was Bushgehilfin Judith Miller für die New York Times ist: Ein Skandal mit zwei Beinen.

Weil, wenn jemand gerade in der fettesten Krise seit Kriegsende ist, dann ist es die CSU- wobei der Amigo- und der Spielbankenskandal sicher übler waren.

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