Sehr zu empfehlen - Achsenkrieg
So gegen 1720 befand sich die Marianische Congregation in der Provinzstadt auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Die Aufklärung war noch fern, und die Gesellschaft Jesu, deren Elitetruppe sie war, konnte in Bayern und anderen katholischen Regionen Europas fast nach Belieben an den Schalthebeln der kirchlichen und weltlichen Macht spielen. Ausdruck dieser Position war eine gigantische Bautätigkeit. Das üppige, alte Congregationskolleg, das im Jahre 1600 noch im Stil der späten Renaissance errichtet worden war, war im Rokoko weder gross noch protzig genug. Deshalb - und um die eigene Bildung zu dokumentieren - lagerte man die Bibliothek aus und errichtete fast genau im Zentrum der Altstadt ein eigenes rosa, stucküberzogenes Gebäude. Das war so gegen 1740 fertig.
Damit wurden die alten Bibliotheksräume, die so gegen 1650 eingerichtet worden waren, überflüssig. Die Gesellschaft mit ihrem Repräsentationsfimmel baute ganze Geschosse in Wohnungen für ihre Berühmtheiten um, und zwar genau so, wie man das im 18. Jahrhundert gerne tat: Mit langen Blickachsen durch die Türen in alle Räume. Ein wenig inspriert ist das von der Raumaufteilung, die es schon im Papstpalast von Avignon gab: Eine Abfolge von Zimmern, die je nach Zutrittsberechtigung Ausdruck der Hierarchie der Besucher war. Wer möglichst weit kam, konnte sich was drauf einbilden. Am Ende waren dann die Privatgemächer der lokalen Oberen der Congregation. Keine Tür ist zufällig an ihrem Platz, die Blickachsen durch die Raummitten von Tür zu Tür sind Ausdruck einer bewussten Konzeption.
Heute, mit 4 Meter breiten Schrankwänden oder einem Haufen Ikea-Regale, würde man das nicht mehr so machen. Die Schränke dominieren die Räume und drängen die Türen an die Ränder. Das 18. Jahrhundert hingegen kannte keine grossen Möbel, alles war mobil und wurde nach Bedarf umgeräumt - da waren die Symmetrie des Raumes und mittige Türen als Gliederung für die optische Gestaltung weitaus wichtiger.
Nun kam meine Frau Mama auf die grandiose Idee, dem mit dem Umbau beauftragten Architekten einzureden, die Blickachse zu schliessen, damit an der Wand vorne und hinten Schränke Platz haben würden. Und die Tür im Hintergrund um 2 Meter zu versetzen. Weil, was ist schon so eine grosszügige Blickachse des 18. Jahrhunderts gegen den passenden Platz für eine weitere Schrankwand aus Pressspan mit Eschefurnierimitat. Von einer Besprechung mit solchen, nun, Argumenten komme ich gerade.
Die Türen bleiben offen und da, wo sie sind. Und wer´s nicht mag und seine Schrankwand liebt, der soll doch in einen Block weit draussen ziehen.
Damit wurden die alten Bibliotheksräume, die so gegen 1650 eingerichtet worden waren, überflüssig. Die Gesellschaft mit ihrem Repräsentationsfimmel baute ganze Geschosse in Wohnungen für ihre Berühmtheiten um, und zwar genau so, wie man das im 18. Jahrhundert gerne tat: Mit langen Blickachsen durch die Türen in alle Räume. Ein wenig inspriert ist das von der Raumaufteilung, die es schon im Papstpalast von Avignon gab: Eine Abfolge von Zimmern, die je nach Zutrittsberechtigung Ausdruck der Hierarchie der Besucher war. Wer möglichst weit kam, konnte sich was drauf einbilden. Am Ende waren dann die Privatgemächer der lokalen Oberen der Congregation. Keine Tür ist zufällig an ihrem Platz, die Blickachsen durch die Raummitten von Tür zu Tür sind Ausdruck einer bewussten Konzeption.
Heute, mit 4 Meter breiten Schrankwänden oder einem Haufen Ikea-Regale, würde man das nicht mehr so machen. Die Schränke dominieren die Räume und drängen die Türen an die Ränder. Das 18. Jahrhundert hingegen kannte keine grossen Möbel, alles war mobil und wurde nach Bedarf umgeräumt - da waren die Symmetrie des Raumes und mittige Türen als Gliederung für die optische Gestaltung weitaus wichtiger.
Nun kam meine Frau Mama auf die grandiose Idee, dem mit dem Umbau beauftragten Architekten einzureden, die Blickachse zu schliessen, damit an der Wand vorne und hinten Schränke Platz haben würden. Und die Tür im Hintergrund um 2 Meter zu versetzen. Weil, was ist schon so eine grosszügige Blickachse des 18. Jahrhunderts gegen den passenden Platz für eine weitere Schrankwand aus Pressspan mit Eschefurnierimitat. Von einer Besprechung mit solchen, nun, Argumenten komme ich gerade.
Die Türen bleiben offen und da, wo sie sind. Und wer´s nicht mag und seine Schrankwand liebt, der soll doch in einen Block weit draussen ziehen.
donalphons, 14:11h
Dienstag, 15. November 2005, 14:11, von donalphons |
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doubl,
Dienstag, 15. November 2005, 15:08
Symetrie ist, aus gestalterischer Sicht und meiner Meinung nach aber irgendwie auch Langweilig. Höchstens spielerische Details machen dann wieder einiges wett. Somit kommt es eben auch darauf an was man daraus macht.
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donalphons,
Dienstag, 15. November 2005, 16:04
Nun, nachdem die Wände ohnehin nicht glatt und die Winkel nicht exakt rechtwinklig sind, ist ein klein wenig Bruch schon mit eingebaut.
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donalphons,
Dienstag, 15. November 2005, 17:52
Das werde ich nur im Rohzustand sehen - das Ganze, 3 Zimmer, Wohnküche, Bad, Gang, Wintergarten, Terasse - ist quasi mitsamt Stuck und Kronleuchtern schon an jemanden vermietet. Und ich hätte auch gar nicht genug Möbel dafür.
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texas-jim,
Dienstag, 15. November 2005, 15:14
Sie werfen Ihre Frau Mutter raus? Ob hier der Mut nicht die Grenze zur Torheit quert - schließlich unterschätze man nie die Macht der Mütter ;-) .
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donalphons,
Dienstag, 15. November 2005, 16:05
Aber nein! Ich stimme sie nur um, mit vielen Photobänden und Ratschlägen.
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toffy,
Dienstag, 15. November 2005, 15:24
Diese Sichtachsen machen
den Unterschied zu den heute üblichen Wüstenrotverbrechen der Vorstädte.Auf jeden Fall verteidigen und behalten!
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pat,
Dienstag, 15. November 2005, 15:33
Bis vor kurzem habe ich in einer alten Stadtvilla gewohnt (Baujahr 1871). Vom Küchentisch aus konnte man quer durch fast alle Räume schauen. Ich schätze so ca. 15 Meter weit. Sehr erhebendes Gefühl.
Das mit den Blickachsen war mir bis jetzt unbekannt.
Ich habe auch Türen wieder öffnen lassen, die der Vormieter mit Spanplatten zugenagelt hatte. So konnte man ungebremst einmal rundrum gehen.
Ich habe allerdings auch keine Schrankwände!!!
Das mit den Blickachsen war mir bis jetzt unbekannt.
Ich habe auch Türen wieder öffnen lassen, die der Vormieter mit Spanplatten zugenagelt hatte. So konnte man ungebremst einmal rundrum gehen.
Ich habe allerdings auch keine Schrankwände!!!
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donalphons,
Dienstag, 15. November 2005, 16:07
Als Kind ist mein Urgrossvater der Legende zufolge an einem Geburtstag da mit dem Fahrrad herumgekurvt und hat es auch prompt ramponiert.
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