Sehr zu empfehlen - Chiaroscuro del MMV
Ein paar Kratzer, und schon kann man alle Theorien zur frühen Baugeschichte umwerfen. Unter der Tapete ist Mauerwerk von 1600, und das an einer Stelle, wo es eigentlich niemand erwartet hätte.
Denn im Putz zeichnet sich deutlich eine vermauerte, breite Renaissancetür ab, zweiflüglig und mit einem Segmentbogen, der in Höhe und Rundung genau zu den eindeutig datierten Fensterlaibungen passt. Schluss mit Kratzen und Spachteln, jetzt steht Bauaufnahme an. Und vorsichtiges Abtragen alter Putz- und Malschichten, denn da drunter könnte ja noch was kommen. Seccomalerei, imitierte Steinquader wie im Erdgeschoss. Oder auch noch was Besseres. Was die Arbeiten allerdings um ein, zwei Monate zurückwerfen kann.
Der Glanz ist lang vergangen. In die Mitte hat man dann eine normale Tür eingesetzt, irgendwann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Ganze ist insofern eine Überaschung, als alle bisher davon ausgegangen sind, dass der erste Stock nach 1650/60 eine einzige grosse Halle für die Bibliothek des Collegiums war. Offensichtlich hat man aber doch Teile der Innenbebauung stehen gelassen. Einen ähnlichen Bogen haben wir auch im Erdgeschoss, dort durchbricht er die originale Mauer des Vorgängerbaus und die Wandmalerei des späten Mittelalters.
Seit 10 Jahren beschäftige ich mich jetzt mit dem Haus, aber ich komme nie aus dem Staunen heraus. Es ist nicht ganz leicht, mit so einem Befund umzugehen; im ersten Moment ist da natürlich der Impuls, den imposanten 1600er Originalzustand wiederherzustellen. Allerdings hiesse das, spätere Veränderungen zu vernichten, zugunsten eines Zustandes, der ohnehin im ganzen Haus nicht mehr realisierbar ist. Es bleibt also bei der Bewahrung des aufgehenden Mauerwerks zu dem Zeitpunkt, da der Clan das Haus übernommen hat.
Trotzdem, so eine grosse Flügeltür ins kommende Schlafzimmer in Richtung Lotterbett, das wäre schon was gewesen.
Denn im Putz zeichnet sich deutlich eine vermauerte, breite Renaissancetür ab, zweiflüglig und mit einem Segmentbogen, der in Höhe und Rundung genau zu den eindeutig datierten Fensterlaibungen passt. Schluss mit Kratzen und Spachteln, jetzt steht Bauaufnahme an. Und vorsichtiges Abtragen alter Putz- und Malschichten, denn da drunter könnte ja noch was kommen. Seccomalerei, imitierte Steinquader wie im Erdgeschoss. Oder auch noch was Besseres. Was die Arbeiten allerdings um ein, zwei Monate zurückwerfen kann.
Der Glanz ist lang vergangen. In die Mitte hat man dann eine normale Tür eingesetzt, irgendwann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Ganze ist insofern eine Überaschung, als alle bisher davon ausgegangen sind, dass der erste Stock nach 1650/60 eine einzige grosse Halle für die Bibliothek des Collegiums war. Offensichtlich hat man aber doch Teile der Innenbebauung stehen gelassen. Einen ähnlichen Bogen haben wir auch im Erdgeschoss, dort durchbricht er die originale Mauer des Vorgängerbaus und die Wandmalerei des späten Mittelalters.
Seit 10 Jahren beschäftige ich mich jetzt mit dem Haus, aber ich komme nie aus dem Staunen heraus. Es ist nicht ganz leicht, mit so einem Befund umzugehen; im ersten Moment ist da natürlich der Impuls, den imposanten 1600er Originalzustand wiederherzustellen. Allerdings hiesse das, spätere Veränderungen zu vernichten, zugunsten eines Zustandes, der ohnehin im ganzen Haus nicht mehr realisierbar ist. Es bleibt also bei der Bewahrung des aufgehenden Mauerwerks zu dem Zeitpunkt, da der Clan das Haus übernommen hat.
Trotzdem, so eine grosse Flügeltür ins kommende Schlafzimmer in Richtung Lotterbett, das wäre schon was gewesen.
donalphons, 17:38h
Donnerstag, 17. November 2005, 17:38, von donalphons |
|comment
gibsmir,
Donnerstag, 17. November 2005, 20:58
Schätze ich das richtig, daß die Tür ca. drei Meter breit war? Das wäre dann Garagentor-Breite.
... link
lem,
Donnerstag, 17. November 2005, 21:34
Das Abkratzen erinnert mich mit Schrecken an unsere gekalkten Wände. Irgendein Vormieter oder sogar der Vermieter hatte die wunderbare Idee, zu kalken anstatt zu streichen. Das geht eine Lage neue Wandfarbe gut. Aber als wir da ranwollten, hing die gesamte Wand am Malerwerkzeug. Das bedeutete die ganze alte Schicht Farbe abkratzen, im Staub nicht ersticken, grundieren und dann erst streichen. Also falls du Kratzexperten suchst... ;)
... link
donalphons,
Donnerstag, 17. November 2005, 21:35
Na, eher 2,60 Meter, was aber für 1600 auch ganz schön ordentlich ist - Fuhrwagenbreite. Aber nicht ganz untypisch für die deutsche Renaissance, die solche Segmentbögen bevorzugte:
Eine Modeerscheinung ab ca. 1500, 1600 war das fast schon etwas veraltet, da bevorzugte man eigentlich hohe, senkrechte Flügeltüren. Aber hier war ohnehin das Herz der Gegenreformation, da war man auch beim Bauen etwas hinterher.
Eine Modeerscheinung ab ca. 1500, 1600 war das fast schon etwas veraltet, da bevorzugte man eigentlich hohe, senkrechte Flügeltüren. Aber hier war ohnehin das Herz der Gegenreformation, da war man auch beim Bauen etwas hinterher.
... link
donalphons,
Donnerstag, 17. November 2005, 21:39
Danke für da Angebot, aber hier ist die "alte Kalkschicht" (nach meiner Zählung mindestens 4 Schichten) Bestandteil des Denkmals, wird von einem Spezialisten mit Japanpapier abgedeckt und darüber gekalkt und gestrichen. Eigentlich müsste es wieder Kobaltblau werden, wie es so gegen 1840 war, aber da bin ich noch am überlegen.
... link
donalphons,
Donnerstag, 17. November 2005, 22:00
Gut, es ist ja nur ein kleiner Raum, aber dennoch hatte man so gegen 1860 gute Gründe, erst mal zu weissen und dann später in Hellblau drüberzugehen, bevor mehrfach Tapeten kamen und gingen:
Wenn man die Spätbiedermeierfarben wirklich komplett wieder auftragen wollte, gäbe es wohl Probleme mit jedem modernen Möbel, die Farben waren sehr intensiv und würden auch heute noch mühelos durch moderne Wandfarbe durchknallen.
und Kalk... es ist so: Das gebäude gehörte früher einer Stiftung, und die sind mit dem Geld so umgegangen, wie Stiftungen das schon immer tun. Der Kalk ist hier wirklich famos, schwierig ist dagegen nur alles, was nach 1840 kommt. Besonders die 20er Jahre haben ein paar böse Anstriche hinterlassen.
Wenn man die Spätbiedermeierfarben wirklich komplett wieder auftragen wollte, gäbe es wohl Probleme mit jedem modernen Möbel, die Farben waren sehr intensiv und würden auch heute noch mühelos durch moderne Wandfarbe durchknallen.
und Kalk... es ist so: Das gebäude gehörte früher einer Stiftung, und die sind mit dem Geld so umgegangen, wie Stiftungen das schon immer tun. Der Kalk ist hier wirklich famos, schwierig ist dagegen nur alles, was nach 1840 kommt. Besonders die 20er Jahre haben ein paar böse Anstriche hinterlassen.
... link
lem,
Donnerstag, 17. November 2005, 22:19
Ich habe leider keine Ahnung, wie eine gut gekalkte Wand anmutet. Der Rest Kalkbfarbe hier im Hausgang jedenfalls staubt schon bein Hinsehen ab. Ganz zu schweigen von der Abfärbefreude bei Berührung :/
Bei einem kleinen Zimmer könnte das Blau allerdings von Vorteil sein... die Farbe streckt ja bekanntlicherweise.
Die Blümchentapete ist ja scheußlich...
Bei einem kleinen Zimmer könnte das Blau allerdings von Vorteil sein... die Farbe streckt ja bekanntlicherweise.
Die Blümchentapete ist ja scheußlich...
... link
donalphons,
Donnerstag, 17. November 2005, 22:50
Ach, man härtet nach einer Weile hübsch ab gegen all die Zumutungen. Wenn man es gut macht, hat man die nächsten 50 bis 100 Jahre Ruhe, und nichts erinnert mehr an alte Schandtaten. Kleiner Tip: Desto grösser und herrschaftlicher das haus, desto leichter ist es letztendlich. Und wenn der Gang breit ist, kommt man auch nicht gegen die Wand.
... link
first_dr.dean,
Freitag, 18. November 2005, 04:29
Kobaltblau?
Mir sieht das eher nach Preussischblau aus. Auch hübsch, besonders im Kerzenschein...
... link
workingclasshero,
Freitag, 18. November 2005, 09:52
Es gab mal eine Zeit, da war Schwabing so eine Art Kreuzberg!
... link
donalphons,
Freitag, 18. November 2005, 10:57
@ dr. Dean: Auch wenn es nicht ganz richtig ist, nennt es der Volksmund hier fronzesischblau. Preussisch, was ist das?
@ gibsmir: Als es noch eine Festungsstadt war, war die Innenstadt völlig überfüllt. Während unten die Herrschaften grossbürgerten, war oben, wo ich wohne auch noch ein Verschlag mit 1,80 mal 0,90 Meter an einen Lehrling vermietet, und erst eine amoureuxe Verwicklung begrenzte mit einer Aufstockung des Hinterhauses diesen Missstand.
@workingclasshero: Nur ist das hier nicht Schwabing, sondern oberbayerische Provinz. Aber auch die ist seit der schlimmen Zeit der 20er Jahre nicht mehr wiederzuerkennen. Nur Kultur, die hat diese Stadt nie besessen.
@ gibsmir: Als es noch eine Festungsstadt war, war die Innenstadt völlig überfüllt. Während unten die Herrschaften grossbürgerten, war oben, wo ich wohne auch noch ein Verschlag mit 1,80 mal 0,90 Meter an einen Lehrling vermietet, und erst eine amoureuxe Verwicklung begrenzte mit einer Aufstockung des Hinterhauses diesen Missstand.
@workingclasshero: Nur ist das hier nicht Schwabing, sondern oberbayerische Provinz. Aber auch die ist seit der schlimmen Zeit der 20er Jahre nicht mehr wiederzuerkennen. Nur Kultur, die hat diese Stadt nie besessen.
... link
... comment
nicodemus,
Freitag, 18. November 2005, 09:01
…das Entfernen des Scheins führt unweigerlich zur Makulatur. Erfreulich wenn Diese auch noch Geschichte ist. Bei Bauten leichter zu finden als bei 99,89 % der Menschen.
... link
donalphons,
Freitag, 18. November 2005, 11:00
So ein Haus ist wie eine nette alte Tante, die die alten Alben auspackt und erzählt, was sie wo wann erlebt hat. Ich sehe hier keine Makulatur, so ist es halt, und es ist gut, dass es so ist.
... link
... comment