60 Jahre Staatspartei

Der Bayer als ein solcher ist nicht zwingend dümmer als die Bewohner des Rests der Republik. Und im Durchschnitt zwischen Oberpfalz, Schwaben, Franken und Innviertel auch ein sehr freundlicher, offener Mensch, der fast nichts mit den Klischees zu tun hat, die im Kommödienstadl oder während der Wiesn verbreitet werden. Das Wetter ist schön, die Landschaft ist reizvoll, das Essen ist deftig und die Gastfreundschaft sucht seinesgleichen.

Wenn das so ist, fragen sich meine Freunde jenseits von Bayern, wie kann es dann eigentlich sein, dass sich der Bayer als solcher ausgerechnet die dumpfe, verkrustete, erzreaktionäre CSU als Staatspartei herausgesucht hat, die seit nunmehr 60 Jahren das Land in eine braunschwarze Jauche tunkt? Kann der Bayer nicht einmal die Augen aufmachen und das korrupte Pack von seinem Erbhof jagen, und sei es auch nur für wenige Jahre? Und wieso wählen diese Idioten dann, wenn es mal wieder einen CSU-Byzantiniker auf Lokalebene erwischt hat, die Konkurrenz von den nicht minder schwarzen Freien Wählern? Warum kommt die SPD noch nicht mal in den Städten in die Puschen?

Es wäre zu leicht, das Dorf dafür verantwortlich zu machen. Natürlich gibt es sie, die Käffer, wo der Ururgrossopa schon den Bürgermeister der Bayernpartei gestellt hat, Urgrossvater dann bei der Partei war, dann aber schnell zur CSU ist, und das Amt weiterging von Generation zu Generation. Und natürlich gilt am Wahlsonntag immer noch: Erst in die Kirche, dann zum Wählen, dann ins Wirtshaus. An diesem System ändert sich auch nichts, wenn aus den kleinen Flecken aufgrund des Wachstums inzwischen Gemeinden mit mehreren Tausend Bewohnern wurden. In den Dörfern kann die CSU ihren Erfolg, scheint´s, relativ gut skalieren.

Teilweise erklärt das auch den Erfolg in den kleineren Städten bis zu 200.000 Einwohnern. Die Städte sind im Laufe des Aufschungs des Landes langsam gewachsen, so dass man in der Lage war, die Ankömmlinge erfolgreich zu integrieren. Das begann mit den Flüchtlingen, die bis heute eigentlich die Kerntruppen der CSU stellen - wenn man ein wirklich brutales Neujodlerhaus sieht, kann man davon ausgehen, dass es von einem Flüchtling kommt. Die Flüchtlinge und ihre Nachkommen wählen fast immer CSU, und bei gut 25% der Bevölkerung wird schnell klar, dass die CSU ohne Flüchtlinge gar nicht mehr so gut dastehen würde. Der Bayer als ein solcher würde die CSU allenfalls bei 40%+x sehen, den grossen Umschwung zur Staatspartei bringen die Leute, von denen meine Grossmutter sagte: "Er is a Flichtling, oba trotzdem a netta Mensch." Man sollte besser hierzulande nicht zu viel drüber nachdenken, welche vor 1945 begründeten politischen Prozesse für diese Leute relevant sind, sonst bekommt man plötzlich Lust auf Auswanderung.

Eine Änderung ist da nicht zu erwarten. Trotzdem wählen auch genügend andere Neuzuwanderer in den Städten, sei es au Norddeutschland oder aktuell aus dem Osten, die CSU. Das ist eine integrative Leistung, die man keinesfalls gering achten sollte, da geht etwas, was andernorts ums Verrrecken nicht zusammenlaufen will. Und da lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Realpolitik zu werfen. Die sieht in den Städten so aus:



Die Leute in Bayern sind nämlich zufrieden. Damit sie mehrheitlich zufrieden sind und bleiben, tut die CSU wirklich was. Die CSU ist in den Städten eigentlich die SPD, eine vulgärsoziale, auf den Ausgleich und ein Pfründewesen bedachtes System, das jedem etwas gibt, solange er irgendwo reinpasst. Selbst die Grünen kriegen ihr Fleckerl und den Bereich, wo sie sich austoben können sowie eine Kneipe, doe Ölbaum heisst und auch israelische Falaffel anbietet, die Gewerkschaften sind offen für die Staatspartei und dürfen in den Spitzen auch viel mitreden, und die Sozis wären hier schneller in der Koalition, als ein Mittelständler dem Staatssekretär den Umschlag zuschiebt. Die CSU ist intern morsch, verkrustet, politisch zutiefst korrupt und von den Kriegen der Jungen Union gegen die alten Säcke erschüttert. Aber sie steht. Solange da draussen keiner wirklich Grund hat, sich zu beschweren. Und solange denen glaubhaft gemacht wird, dass Bayern aus Berlin immer noch das Freibier bekommt und vorne bleibt, wird sich an der Zufriedenheit des Bayern als solchem nichts ändern. Denn ansonsten passt es ja, das Wetter ist schön, die Landschaft reizvoll, das Bier suaber gebraut, und de Leid san ned unkommod. Die CSU, das ist der eigentliche Deal, garantiert das ewige Weiter so.

Vielleicht stürzt die CSU aber doch irgendwann. Vielleicht schafft es die SPD mit den Freien Wählern und den Grünen. Nichts ist ewig auf dieser Welt. Aber wenn sie es schaffen, wird es eine Regierung geben, die, wenn sie Erfolg haben will, alles beim Alten belässt. Hier vielleicht ein paar Pfründe mehr für die Gewerkschaften, da etwas Bioanbau und Jugendangebote, eine Schulreform zurück zum alten Gymnasium mit 9 Jahrgangsstufen, und mehr Geld für die Landwirte und den Mittelstand. Dann passt es. Und bis dahin weiter im Programm einer Partei, die hinter der Jodlerfassade alles und nichts ist, Hauptsache, es bleibt wie es ist.

Freitag, 2. Dezember 2005, 12:49, von donalphons | |comment

 
Ein Freund aus München sagte mal: Die Hälfte aller Bayern sind Anarchisten, und die wählen alle CSU :-)

Übrigens macht die CSU das Gleiche, was die SPD in NRW und Bremen lange Zeit getan hat.

@Selbst die Grünen kriegen ihr Fleckerl und den Bereich, wo sie sich austoben können sowie eine Kneipe, die Ölbaum heisst und auch israelische Falaffel anbietet - das gibt es woanders auch. In rot-grün dominierten Städten des Nordens haben die Autonomen mit öffentlichen Mitteln geförderte "Jugendzentren", in denen Jugendliche meist eine Minderheit bilden und wo neben politischer Bildungsarbeit und guten Parties auch Straßenkampfpraxis trainiert wird (das war lange Jahre Teil meiner Heimat). Die Kneipen heißen "Castro" oder "Störtebecker", vielleicht aber auch "Wiener Hof Café", und es wird öffentlich und razziafrei gekifft.


In Mecklenburg-Vollrauschpommern, aber auch der Niederlausitz ist die Jugendarbeit in den Händen von Neonazis, die ebenfalls staatliche Förderung genießen (was ich im Gegentum zum ersten Beispiel gar nicht gut finde). Die organisieren da auch die Rockkonzerte und gelten allgemein als hip. Als wir in Stralsund mal für die Verhaftung einer mit Pistolen(!) bewaffneten Gang jugendlicher Naziglatzen gesorgt haben, wurde uns hinterher erzählt, das hätte sich seit Jahren niemand mehr getraut.

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Solang die Hälfte aller Bayern Bayern sind, ist es ja noch gut - aber langsam dreht sich das Verhältnis. Hier im haus zum Beispiel sind immerhin schon 9 Nichtbayern, also knapp die Hälfte.

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Ist ja nicht gerade repräsentativ. Das kommt davon, wenn man so eine renommierte Kaderschmiede in der Stadt hat.

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Ein ehemaliges Jesuitenkolleg in jüdischen Händen würde ich per se als Alles Andere als repräsentativ bezeichnen. Das ist ja fast so wie eine Moschee in der Vatikanstadt oder eine buddhistische Stupa in einem Siedlerdorf auf der Westbank.

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Oder schlicht wie das Salz in der Wunde. Aber die meisten haben sich damit arrangiert. Abgesehen von den eigentlichen Gründern, die es wohl gern wieder hätten, aus historischen Gründen.

Für die Stadt selbst ist es durchaus repräsentativ: 20.000 Menschen sind in den letzte 15 Jahren dazugekommen, 14% Ausländeranteil, seit 1950 hat sich die Bevölkerung verdreifacht. Und bezogen auf die alten Bewohner vor der Industrialisierung hat sich die Zahl verzwanzigfacht. Will sagen, es gibt kaum mehr "oide Stadterer"

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Interessante Vergleiche. Das lässt sich wunderhübsch erweitern: Eine Yildiz-Korkmaz-Akademie im tiefsten Montana, eine Hippie-Kommune in Dallas, ein Anthroposophenzentrum in Soweto oder ein veganes Restaurant im Fischmarkt...

Hey, wie wär´s mit einem Ernst-Thälmann-Kindergarten mit FDJ-Symbolik in Altötting?

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Wenn Sie in Altötting auf sich aufmerksam machen wollen, reicht es vollkommen, auf den CSD zu gehen oder ein Frauenprojekt gegen Männergewalt zu unterstützen.

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CSD?

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CSD = Christopher Street Day

Da kann man einfach so hingehen, eine Überwachung der sexuellen Orientierung findet nicht statt (jedenfalls nicht von Seiten der Veranstalter).

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Eigentlich, ja eigentlich, würde das auch mit einer Monarchie klappen. Dann wären die lästigen Wahlen weg, und den Kini könnt ma imma noch verjaga, wenn es ned guat goht.

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Nicht nur in Bayern
Was der deutschen Wirtschaft am Liebsten wäre, wäre wohl eine Form der Republik, in der die Parlamente nicht gewählt, sondern paritätisch von Interessenverbänden, Wirtschaftsvereinigungen und Standesorganisationen besetzt würden. Da das nicht geht, halten diese sich ihre Politiker, die zum Schein Parteiprogramme und Wählerinteressen vertreten. Der Unterschied fällt niemandem auf (Gruß an weltregierung!).

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Ganz Bayern ist von Bayern besetzt ...
Ganz Bayern? Nein, ein kleines Dorf im äußersten Nordwesten leistet nach wie vor den Bayern heftigen Widerstand. Die Einwohner sprechen hessisch, haben einen berauschenden Zaubertrank, der aus Äpfeln gebraut wird und vor dem den bayrischen Invasoren graust, und außerdem schwärmen sie für die Eintracht aus Frankfurt. Soweit die Legende.

Tatsache ist, dass selbst bei uns (Lkr. Aschaffenburg) die Bayerntümelei stets zu CSU-Wahlergebnissen von 50+, manchmal 60+ Prozent geführt hat. Bei der letzten Bundestagswahl allerdings nicht: die SPD konnte ein paar Prozent abstoibern, wodurch die CSU jetzt auch zur U 50 gehört .

Bayern ist halte eine echte Marke (so wie Coca-Cola) mit allem zugehörigen Marken-Klimbim: Oktoberfest, Mass Bier, König Ludwig, Weisswurscht, bayrischer Löwe und halt der CSU. Super Markenpositionierung: die funktioniert sogar bei den Amis und in Japan!

Sollten die Menschen im Freistaat irgendwann anfangen, sich selbst weniger als Bayern-gegen-den-Rest-der-Welt zu verstehen, und mehr als Oberpfälzer, Schwaben, Franken, mit lokalen Interessen und eigener Identität, jenseits von Bayern und seiner Freistaatspartei, bekommen vielleicht auch andere politische Akteure mal wieder eine Chance.

Bis dahin trinken wir weiter unseren Zaubertrank und singen Durchhalteparolen von ausgezogenen Lederhosen.

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Grüße in den Gazastreifen!

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wie war das eigentlich in der spd vor so hundert jahren:

der bernstein eduard in berlin hatte gemerkt, dass das mit der konzentration des kapitals plus gleichzeitiger verelendung der massen ist gleich revolution und dann kommen wir dran so nicht hinhaut. der meinte reformen, schrittweise verbesserung der lebensverhältnisse, zunehmende einflussnahme, der weg ist das ziel. davon wollten einige, die sich an der reinen lehre nach marx orientierten, nichts wissen, scheisshegel letztendlich.

bloss der von vollmar georg, ein bairischer sozi wie nur einer, der sagte, ede, lass die doch, weil, sowas, davon redet man nicht, das macht man.

der bebel soll dazu nur den kopf geschüttelt haben, und gesagt haben, ja der genosse von vollmar mal wieder, aber man wandelt eben nicht ungestraft unter masskrügen.

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andererseits, die bayern san scho hund (untertitel: in der unmittelbaren wahrnehmung des eigeninteresses kurz entschlossen und von wenig hemmungen behindert) , und die von der csu sowieso.

wie war denn damals das mit der spielbankenaffäre.

das heisst, sobald es ans eingmachte geht, und das sind die posten und pöstchen, ist schluss mit christlich, sozial und union.

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"Der Bayer als ein solcher ist nicht zwingend dümmer als die Bewohner des Rests der Republik. Und im Durchschnitt zwischen Oberpfalz, Schwaben, Franken und Innviertel auch ein sehr freundlicher, offener Mensch, der fast nichts mit den Klischees zu tun hat, die im Kommödienstadl oder während der Wiesn verbreitet werden. Das Wetter ist schön, die Landschaft ist reizvoll, das Essen ist deftig und die Gastfreundschaft sucht seinesgleichen."

Verdammt, warum habe ich in ingesamt 45 Jahren Zwangsreisen nach Bayern (erst per Familienurlaub, uahrg!, dann beruflich, igittbäväh, dann qua Einheirat, uiuiuiuiui) so gut wie keine freundlich-offenen Menschen getroffen sondern entweder dumpf-dreistes Bauernpack oder geldglänzenden Lüftladel oder kreuarrogantes Münchner Gesindel. Wieso war das Wetter in all den Jahren maximal zu 50% schön? Was ist an Bergen reizvoll? Warum muss ich vom Schweinsbraten samt bierähnlicher Brühe immer sofort erbrechen? Wieso bin ich mit den gastfreundlichen Gastgebern (in Pensionen, Hotels, Gasthöfen etc pp) immer nur aneindner geraten? Ich, ein Rheinländer, der sonst mit jeder ethnischen Gruppierung (die Sachsen mal vielleicht ausgenommen ... und die Schwaben)? Liegt es an mir?
Nein: Statistisch gesehen dürfte mehr als jeder zweite Bewohner des Freistaats (ob nunEingeborener oder Flüchtling) ein Arschloch sein. Damit liegt meiner Erfahrung nach der Arschlochfaktor in Bayern (0,5) ungefähr doppelt so hoch wie im Rest der Republik (wie gesagt: ausgenommen Schwaben und Sachsen), viermal so hoch wie im Ruhrgebiet und ungefähr achtmal so hoch wie im Rheinland, wo der gemeine Einwohner hochintelligent ist, kommunikativ, fröhlich, freundlich, offen und nett. Wo das Wetter immer schön ist (weil's z.B. so gut wie nie schneit), die Landschaften zwischen Hocheifel und Castrop-Rauxel äußerst reizvoll und das Essen hervorragend - vom besten Bier der Welt, das in Düsseldorf, dem Herz des Rheinlands gebraut wird, ganz zu schweigen.

Der Bayer war seit den Tagen als der Strauß die Bayernparteil umgebracht hat immer zu blöd, was anderes zu wählen. Bis 1972 (Olympia München) war er sowieso strunzdumm und durchgehend hinterwäldlerisch, erst die Zugereisten haben einen Hauch an Kultur und Zivilsation mitgebracht. Und wer hat versucht, den Hitler Adolf im Bürgerbräukeller abzumurksen? Ein Bayer? Mitnichten...

So fällt mit überhaupt nur ein Bayer ein, den ich loben könnte: Karl Valentin. Der war lustig...

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Ja, die beiden Bomben gegen Hitler wurden von Schwaben gelegt.
Da sieht man wieder, wer da renitent ist :-)

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