Auf der Suche im wiedergefundenen Antiquariat

Zwei Jahre ist in der Maxvorstadt eine lange Zeit. Als ich nach Berlin ging, deutete sich bei meinem Meistkaufantiquariat bereits die Krise an, es kam einfach zu viel rein und zu wenig verkaufte sich. Im ersten Frühjahr war die ganze kleine Kette mit dem charakteristischen Schriftzug verschwunden, ausverkauft, vorbei. Sonderausgaben, Bücherschwemme und die widerliche Weltbildkette haben wohl mitgeholfen, das über Jahrzehnte gewachsene Geschäft, das ich noch von seinem kleinen Ausgangspunkt kannte, vor die Wand zu fahren.

Glücklicherweise gibt es jetzt Ersatz. Der damalige Gründer macht weiter, gleich um die Ecke, mit dem annähernd gleichen Programm zwischen Kunstgeschichte, Kochbüchern und Nacktphotobänden, wie man das von einem notorischen Langhaar und Lederhosenträger jenseits der 60 erwarten kann.



Er liegt nur nicht auf dem Weg zum Bäcker. Es gibt daher zwei Möglichkeiten: Entweder ich suche mir einen neuen Bäcker, oder ich entschliesse mich, einen grossen Umweg zu laufen, weil ich panische Angst habe, im (in Liquide kurz negativ erwähnten) Japaner um die Ecke widerliche Startupper bei der Sushiblamage zu sehen, und komme so zufällig beim Antiquariat vorbei. Beim Heimweg vom Bäcker könnte ich dann auch noch bei einem anderen Antiquariat vorbei. Klingt gut, ich glaube, ich bekomme gerade Panik.

Montag, 5. Dezember 2005, 19:58, von donalphons | |comment

 
In diesem speziellen Fall würde ich sagen: Kaufen, kaufen, kaufen! Support your local Boquinist!

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das ist nett gesagt im bücher&antiquariatsviertel.
felix verrät umme ecke türkenstraße ..
achneh, das war der annere artikel. die personenbeschreibung klingt nach freundlichstillem altrocker im bookowski, aber der is wohl alles andere als ein antiquar und passt so garnicht. obw0hl ich mich seit der eröffnung frage (nich, dass ich da oft drinnewär, aber ich komm auf dem weg zum bäcker vorbei) was der typ in sonem allles andere als einladenden laden macht. wenn hier von support die rede sein soll, wäre ich für einen geheimtip aufgeschlossen dankbar.

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@ ladensterben
Das Mysterium mit den kleinen Läden im Erdgeschoss verwundert mich auch immer wieder. Wundere mich oft, wie man davon leben kann. Sind wahrscheinlich wirklich die Mieteinnahmen aus den oberen Stockwerken welche den Laden am Laufen halten. Aber zum Golfen reicht es nicht ;-)

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@ andersanders: ich muss mich da auch erst mal wieder einleben. Leider ist der normale Gebrauchtbuchhandel so gut wie zum Erliegen gekommen, statt dessen wird die Neuware nach einem Jahr rausgepfeffert, dass man kotzen könnte. Was ledergebundene Pracht angeht, bleibt nur der Weg zum Flohmarkt.

@ immo: Es geht auch anders, etwa bei meinem Buchhändler in der Provinz. Der hat die Räume vor 25 Jahren gemietet, als die Ecke der Stadt noch nicht beliebt war, hat die Räume selbst hergerichtet und ist ansonsten ein sehr umgänglicher Mensch. Seine Vermieterin ist sehr zufrieden, ein ordentlicher Laden, der immer seine nicht hohe, aber angemessene Miete zahlt. Ein paar Häuser weiter hat ein geldgeiler Investor mit besten Kontakten zur Stadtverwaltung das Erdgeschoss eines sanierten Hauses für ein Internetcafe der Stadt für Jugendliche vermietet und recht gut kassiert - nur wollte danach keiner die 4 Stockwerke darüber haben. Die Stadt hat das Projekt nach 2 Jahren gestoppt, und jetzt sitzt er da und kann schaun, was er damit macht.

Will sagen: Wenn einer 25 Jahre dem Vermieter keine Probleme macht, ist das besser, als wenn für den doppelten qm-Preis 10 Mieter 20 Jahre drin sind und ich insgesamt 5 Jahre dauernd Baustelle wegen neuer Deko oder Leerstand habe. Und drei der Mieter auch noch Pleite gehen und 4 Monate die Miete nicht bezahlt haben.

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Also, bei uns gibt es mehrere kleine Antiquariate, die seit Jahren gut laufen. Nischen gibt es immer noch.

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Es werden nun mal zu viele Bücher gedruckt, und die müssen dann schnell weg - wenn sie nicht eingestampft werden. Golf2 von Illies soll angeblich noch palettenweise in Erstauflage rumstehen. Bei Belletristik ist das extrem, aber auch bei Ausstellungen, wenn die Museen keinen Platz zum lagern haben. Abgesehen davon sind verlage wie Belser oder Artemis und Winkler nicht ganz unschuldig daran, wenn ihnen Taschen und Co. den Markt der grossen Hardcovers abgraben. Weil, so doll sind ihre Texte auch nicht.

Aber solange neue Sonderausgaben billiger sind als gute Gebrauchtbücher, was in meinem Bereich oft der Fall ist, wird die Masse halt die 14,95-Zusammenfassung zur Kunstgeschichte des Mittelalters kaufen, und nicht mehr den ein oder anderen Katalog für 19,95. Ich persönlich profitiere ja davon, weil das dann übrig bleibt, aber es ekelt natürlich, wenn man den wissensbefreiten Müll liest, der die Populärwissenschaft ausmacht.

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Ich meine eher die Travens, Conrads, Millers und Simmels für 5 Euro mit Druckdatum vor 1970, Leineneinband. Abgesehen davon, dass ich vor längerer Zeit einmal von einem Bücher handelnden Freund etwas sehr Spezielles bekam: das Gesamtangebot des Militärverlags der DDR, ein Schrank voll. Da war viel Müll dabei (hört sich ja auch grauslig an), aber auch echte Perlen etwa zum Thema Widerstand im NS oder geheimdienstliche Hintergründe des Falkland-Malvinenkrieges und Sachen, die zumindest lesenswert waren, z.B. der Zahal-Report.

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Öps, sowas gibt es in München nur beim nicht ganz billigen Basis-Antiquariat, ansonsten ist diese Zeit engültig vorbei. Und auch die würden wohl keine Chance haben, wenn sie nicht alles und jeden beliefern würden, mitunter zu recht kapitalistischen Preisen (ich weiss wovon ich rede, bei Kunstgeschichte gab es immer schon mehr Käufer als Angebote).

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Wie gesagt, bei uns läuft das noch, was leider nicht mehr läuft, sind Gebrauchtcomixshops (so mit Franquin, Manara, Lauzier usw.). Vor einem Jahrzehnt wurden beide Arten Bücher noch, neben wunderschönen bibliophilen Manesse-Bändchen, von fliegenden Händlern auf dem Campus der Göttinger Uni vertrieben, 60 Meter Ladentische. Die Zeiten allerdings sind endgültig vorbei *schnüff*.

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Der obige Laden hat Manesse zu 4,95 Euro, gestern erst einen Andre Gide gekauft.

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Eine Pest in unserer Gegend ist das Bücher-Kaufhaus Schmorl&von Seefeld, das reihenweise Buchläden in den Ruin treibt. Glücklicherweise haben die in meiner Stadt noch nicht Fuß gefasst.

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Nö, das ist der Typhus, bestenfalls die Cholera. Die Pest ist http://www.berlin-hidden-places.de/sachindex/buchhandlungen/charl_hugen.htm

und hat Schmorl& von Seefeld gerade geschluckt. Wobei, das Ganze hat schon wieder etwas Kultiges und ist so groß, dass man den kleinen Buchläden direkt wohl keine Konkurrenz macht. SAP ist auch keine Konkurrenz zu amazon.

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interessant, das mit dem schwarzen tod.

nach der konzentration bei der buchherstellung kommt jetzt die konzentration im vertrieb. sonderbar eigentlich, denn wenn es sich lohnen würde, tätens die verlage selber. wird also was mit der rabattstaffel im einkauf zu tun haben, die schleckerisierung des buchhandels, sozusagen.

irgendwie läuft sich das ganze tot, wenn da noch mehr bücher liegen, heisst das nicht, dass die leute deswegen mehr kaufen. überhaupt, wer kauft die ganzen bücher eigentlich?

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Ich. Selbst ohne Rezis komme ich locker auf über 1oo Stück im Jahr. Liegt halt daran, dass ich die Wissenschaft nicht ganz aufgeben will.

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da ist es natürlich von vorteil, wenn man in einer ehemaligen bibliothek wohnt. andererseits, für den geistesarbeiter ist fachliteratur das, was das werkzeug für den handwerker ist, internet hin oder her.

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