Die wilden Jahre sind vorbei

Früher, wenn der Oberlandler sein Geld in den den Viktualienmarkt umgebenden Boazn versoffen hatte und vielleicht noch am Hauptbahnhof eine der dortigen Dirnen in Anspruch genommen hatte, gingen mitunter seine flüssigen Mittel zur Neige. Ohne Kreditkarte und Handy war man damals ziemlich aufgeschmissen. Da blieb, zumindest bis zum Beginn der 80er Jahre, nur eines: Ab in den Radlsteg, gleich hinter dem Viktualienmarkt, und die Uhr oder sonstige Wertgegenstände, die bei Oberländlern bin heute Teil der Tracht sind, versilbern. Im Radlsteg klebte ein Gebrauchtjuwelier am anderen, immer wieder durchbrochen von Antiquitätenhändlern. Der Radlsteg war das unaufgeräumte Schatzkästchen der Stadt, und es war immer ein genuss, spät Nachts durch die Schaufenster auf die Massen an Repräsentationsgüter zu schauen, von der Patek bis zum Reservistenkrug, vom Prunkspiegel bis zu einer Schar kleiner Putti. Den Besitz der Oberländer kauften dann oft die Touristen aus Amerika und Japan.



In den letzten Jahren sind hier die letzten Boazn verschwunden, und der Touristenstrom treibt die Mietpreise hoch. Und so kommt es, dass in dieser Gasse ein Schmuckhändler nach dem anderen aufgegeben hat, die Antiquitätenläden wurden geschlossen, und in den Lücken machte sich orientalischer Kitsch, teure Kleidung und sonstiges Allerweltsniveau breit. Gegen deren hell erleuchtete Schaufenster wirken die alten, verbliebenen Läden etwas schäbig, und nur wenig erschliesst sich dem heutigen Fremden von der funklnden Pracht, die einst hier wohnte.

München hat sich on den letzten beiden Jahren nur dort kaum geändert, wo es schon früher unerträglich war.

Mittwoch, 21. Dezember 2005, 10:27, von donalphons | |comment

 
"nur dort kaum geändert, wo es schon früher unerträglich war"
das klingt so, als ob veränderung per se etwas prinzipiell schlechtes sei. veränderung wird von menschen vorangetrieben, und ein mensch der sich nicht verändert oder nichts verändern will, der ist so gut wie gestorben. natürlich sind nicht alle veränderungen gut, ich ärgere mich auch, wenn irgendwo der x-te restpostenmarkt, wettshop oder die dönerbude aufmacht. aber bewahren um des bewahrens willen kann doch nicht das ziel sein.

was bleibt wird die zeit zeigen, es werden ja auch schon immer mehr auswüchse der 60er und 70er gesprengt. und wenn es so bleiben sollte, dann hat die gesellschaft nichts anderes gewollt.

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@ Geschichte
Lieber Don,

Was ist Boazn ? Sowas wie "Spitzbube" ? A´ baazi bzw. a´ saubaazi ?

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Nein. In einem Spitzbuben kann man sein Geld auch schlecht versaufen. Näheres hier.

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Im Norden würde man sagen: Schwemme. Wenig gehobenes Lokal mit meist pseudorustikaler Einrichtung und überfetteteter Besatzung, in der Regel eher zu viel Bir saufend als zu wenig, und auf der Speisekarte meist Fleisch und Würste.

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Ah: Das zu dem die Schweizer "Beizen" sagen!

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Mei, do wa de Braadschicks de Blunzn hea hod (Der Ort, an dem sich die unangenehme ältere Dame den Leibesumfang vergrössern lässt)

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Oiso in da Westenriaderstrass danehm san no gnua von denane Goidtandler do!

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