Mitte 1999

kam jemand auf mich zu und fragte, was ich von einer gewissen New Economy Firma halten würde. Ich sagte meine Meinung, aber die hatte keinen erkennbaren Einfluss auf die Entscheidung der fragenden Person. Der Job war gut dotiert, verlockend und über alle Massen schick, in dieser Zeit. Und wurde natürlich angenommen. Er verliess seinen alten Arbeitgeber mit einem "Leck mich Chef Grinsen". Das Ganze endete in der totalen Katastrophe, wie es nun mal so üblich ist.

Gestern nun hatte ich ein langes Gespräch mit einer Person, die diese Firma und ihren Markt gut kannte und auch etwas mit deren Werden und Vergehen zu tun hatte. Nicht viel, nur am Rande, aber doch so viel, dass sie Einblicke in die realen Abläufe hatte.

Er erzählte mir, dass keiner der Gründe, die ich 1999 genannt hatte, entscheidend für den Niedergang war, und dafür, dass der Fragesteller 2 Jahre seines Lebens vor die Wand gesetzt hat, und heute sein Leben für verpfuscht hält. Es waren Eifersüchteleien der Leute im Hintergrund, ein Streit um Einflusssphären und Marktanteile, und, um die Ironie auf die Spitze zu treiben, ein Konflikt, bei dem auch sein alter Arbeitgeber letztlich geschluckt und ausgeweidet wurde. Das miserable Management, seine mangelnde Erfahrung und die Menschenverachtung waren zu keinem Zeitpunkt Kriterien der Entscheidungsfindung-

Es gab 1999 keine richtige oder falsche Entscheidung. Es war nur die Frage, auf welchem Deck des Schiffes man absaufen wollte.

Aber zumindest habe ich ihn in dieser Frage gut beraten, liess mich mein gestriger Gesprächspartner wissen, und wechselte das Thema.

Freitag, 23. Januar 2004, 20:44, von donalphons | |comment

 
“Hi, I´m xyz from xyz.com, that´s cool, eh?”
“kam jemand auf mich zu und fragte, was ich von einer gewissen New Economy Firma halten würde”

Frage: was hast Du Mitte 1999 von der New Economy gehalten? Ehrliche Antwort bitte. Bitte nichts mit “Das habe ich alles schon vorher gewusst”.
1999, als alle nachts an strahlenden Monitoren die US-Hype-Onlinepostillen lasen, als die highways im SilValley mit jedweden .com-Plakaten zugepflastert waren, studentische Hausmeisterehepaare aus den nördlichen Stadtteilen vom “next big think” träumten und jeder einigermassen hype SilValley-Mensch einem am Telefon entgegen rülpste: “Hi, I´m xyz from xyz.com, that´s cool, eh?”

“Es war nur die Frage, auf welchem Deck des Schiffes man absaufen wollte.”
Seien wir ehrlich. Wenn denn schon, wollten wir alle möglichst weit oben auf den besten Decks absaufen. VC war cooler war als ein DB oder Coba-Bankkredit. -Und leichter zu bekommen.

... link  

 
He, Du alte Römerwursthaut,
der Du anonym in meinem Blog Forderungen aufstellst: Wieso sollte ich Dir antworten?

Ich kann´s Dir schon sagen: Ich beschäftige mich seit 1997 mit dem Thema. Ich weiss, was die Prognosen für 98, 99 ff versprochen haben. In diesem geschäft, ganz gleich ob VC oder Kredit, hängt alles von der Richtigkeit der Prognosen ab. Nur wenn die Prognosen übertroffen werden, kann man sich ein drittklassiges Management leisten.

Allerdings zeigte sich schon 1998, dass die Prognosen (besonders im erwähnten Bereich) nicht stimmten. Die verantwortlichen Institute berechneten schnell ein noch grösseres Wachstum, um das in den Folgejahren zu kompensieren. Aber um so eine aus dem Ruder laufende Geschäftsentwicklung zu überstehen, braucht man erstklassige Leute, die die nicht hatten.

Ich hatte nie eine einzige Aktie. Ich war zwar mittendrin, aber auch nur dabei. Ich bin eigentlich Kulturhistoriker und wundere mich über gar nischt. Nur ein weiterer Hype, so what. Take the money and run before everything goes down in flames, war meine Devise.

Was ich mir hingegen nicht vorstellen konnte ist, dass die gesamte Kultur der New Economy ausgelöscht werden würde. Die Startups - da war 1999 klar, dass der Big Bang kommen würde. Aber die Einstellung der Leute? Das war unbegreiflich. Wo sind die heute alle hin? Was wurde aus den Träumen, der Ideologie, dem Glauben?

Deshalb auch dieses Blog. Nicht wegen so ein paar Startups.

... link  


... comment