Hausbibliothek der Aufklärung I
Diese Serie habe ich schon lange geplant, und immer wieder verschoben. Sie sprengt den Rahmen normaler Blogschreiberei, und befasst sich mit Themen, von denen ich nicht weiss, ob sie die Mehrzahl der Leser auch nur ansatzweise interessiert. Die Erfahrungen der letzten Wochen lassen mich ohnehin daran zweifeln, ob das Buch und die Aufklärung ihre Zukunft nicht schon lange hinter sich haben. Vielleicht aber ist meine Auffassung dieser Welt schon immer die verschobene Perspektive eines Menschen mit bayerischem Abitur, Latinum, kulturwissenschaftlichem Studium und weit über 5.000 Büchern gewesen. Dennoch scheint es mir geboten, ein wenig auf die Entwicklung einzugehen, die - im Gegensatz zum Christentum und ähnlich totalitären Konstrukten - ein wirklich vornehmer Ursprung unserer Gegenwart ist: Die Aufklärung, dargestellt anhand von originalen Druckerzeugnissen der Zeit. Es wird eine Weile dauern, bis wir am Ende angelangt sind, aber ich hoffe, doch kurzweilig einige hübsche Bücher aus meinem Besitz zeigen zu können.
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Wenn man über Aufklärung redet, die Zeit also zwischen dem 30-jährigen Krieg und dem Nachklang der franzöischen Revolution, zwischen dem Absolutismus eines Ludwig XVI und dem Diktat Metternichs, empfiehlt es sich, mit dem Gegenteil zu beginnen, um die gesamte Wegstrecke der Entwicklung aufzuzeigen. Beginnen wir also in einer Region, die auf immer fern sein wird vom Lichte der Vernunft, die zu allen Zeiten schon dumm und rückständig war, nicht nur aus Pariser, nein auch aus bayerischer Sicht - beginnen wir im Passau des Jahres 1650.
Es ist ein schmuckloses Buch im Kleinoktav, gebunden in isabellaweissem und senfgelbem Pergament, Reste umgearbeiteter, noch älterer Handschriften, die hier nochmal neues Leben erhalten. Proprium Sanctorum steht als Titel auf dem wurmzerfressenen Titel. Das Proprium beschreibt die Teile der Messe, die sich jeden Tag, je nach Anlass ändern, im Gegensatz etwa zur Eucharestie und anderen immer gleichen, monotonen Verrichtungen des Katholizismus, stur und einfallslos. Doch auch das Proprium ist nicht wirklich eine Erlösung vom Trott; vielmehr ist es eine Handlungsanweisung zum mühseeligen Schreiten durch ein Kirchenjahr voller Pflichten, die sich im Bistum Passau angesammelt haben.
Kaum ein Tag ist frei, an dem nicht irgendwelchen Heiligen, Seligen, Märtyrern oder verdienten Gestalten der Donaustadt, die genug für ewige Messen gezahlt hatten gedacht werden muss. Jeden Tag eine Messe, jeden Tag das gleiche Ritual in den vielen Kirchen der Stadt, jeder sollte kommen, um sein Untertanentum unter die Religion zu beweisen, seine Gebete sprechen, während die da vorne etwas in unverständlichem Latein murmelten, sie aber waren die die Klingelbeutel zu füllen hatten, denn der Krieg war vorbei und die Kirche brauchte neues Geld. So viele Stunden stehend und knieend in den hohen Sälen, denn Bänke gab es damals nur im Chor, die normalen Besucher mussten stehen oder knien, im Winter sicher kein Vergnügen und auch im Sommer zu früher Stunde eher eine Pflicht denn eine Freude. Doch der Druck der Gruppe, der verbindliche Glaube, der in den Jahrzehnten davor jedes unvorstellbare Leid über das Land gebracht hatte, kannte keine Ausnahmen und kein Erbarmen, egal wieviel von den Heiligen in dem Büchlein versprochen wurde.
Es ist eine düstere Zeit, aus der diese Seiten stammen, die Texte sind stilistisch einfältig, Märchen für Dumme, und die Rubrizierung erinnert nicht zufällig an heute Gossenzeitungen. Wer dieses Buch besass, wusste nur so viel, wie er wissen musste, um andere dumm zu halten. Jeder Tag ein neuer Heiliger für andere Sorgen und Nöte, die Kirche lieferte Immaterielles und Hoffnung frei Haus, für den Preis eines Lebens unter ihrem Joch, reguliert und bestimmt durch dieses wenig schöne Buch mit seinem schlechten Papier.
Und doch trägt es in sich den Keim der Vernichtung des Aberglaubens. Denn der Religionskieg hatte alle bisherigen Regeln für ungültig erklärt, der Fanatismus dieser Zeit eröffnete Chancen für die, die von ihm profitierten. Besonders raffgierig war der Mann, der als Autor des Buches genannt wird: Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich, Bischof von Passau und zusätzlich von Olmütz, Halberstadt, Magdeburg, Breslau und Straßburg, Hochmeister des deutschen Ordens und, vor allem, Heerführer der Katholiken. Diese Aufgabe war es, die ihn wirklich lag, die Bistümer waren die Pfründe, die ihm bei der Finanzierung des späten Krieges halfen. Leopold Wilhelm und sein Buch stehen für den Höhepunkt der kirchlichen Macht, die sich völlig vergessen hat und jede noch so miese Schweinerei duldet und fördert, von den Untertanen jeden Verzicht und totale Unterwerfung unter das System fördert, und sich selbst jeden Luxus und alle Verbrechen leistet, die die Welt damals erkennen musste. Es hat Zentraleuropa entvölkert und ruiniert, die Menschen unterdrückt und entmündigt, und gerade aus diesem Krisen erschaffenden Gegensatz zwischen oben und unten, zwischen Allmächtigen, die bestimmen und verprassen, und Ohnmächtigen, die sich fügen und zahlen, entstand, weit entfernt von Passau, die Erkenntnis, dass es so nicht auf immer sein könnte. Und schuld waren natürlich - die Frauen.
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Wenn man über Aufklärung redet, die Zeit also zwischen dem 30-jährigen Krieg und dem Nachklang der franzöischen Revolution, zwischen dem Absolutismus eines Ludwig XVI und dem Diktat Metternichs, empfiehlt es sich, mit dem Gegenteil zu beginnen, um die gesamte Wegstrecke der Entwicklung aufzuzeigen. Beginnen wir also in einer Region, die auf immer fern sein wird vom Lichte der Vernunft, die zu allen Zeiten schon dumm und rückständig war, nicht nur aus Pariser, nein auch aus bayerischer Sicht - beginnen wir im Passau des Jahres 1650.
Es ist ein schmuckloses Buch im Kleinoktav, gebunden in isabellaweissem und senfgelbem Pergament, Reste umgearbeiteter, noch älterer Handschriften, die hier nochmal neues Leben erhalten. Proprium Sanctorum steht als Titel auf dem wurmzerfressenen Titel. Das Proprium beschreibt die Teile der Messe, die sich jeden Tag, je nach Anlass ändern, im Gegensatz etwa zur Eucharestie und anderen immer gleichen, monotonen Verrichtungen des Katholizismus, stur und einfallslos. Doch auch das Proprium ist nicht wirklich eine Erlösung vom Trott; vielmehr ist es eine Handlungsanweisung zum mühseeligen Schreiten durch ein Kirchenjahr voller Pflichten, die sich im Bistum Passau angesammelt haben.
Kaum ein Tag ist frei, an dem nicht irgendwelchen Heiligen, Seligen, Märtyrern oder verdienten Gestalten der Donaustadt, die genug für ewige Messen gezahlt hatten gedacht werden muss. Jeden Tag eine Messe, jeden Tag das gleiche Ritual in den vielen Kirchen der Stadt, jeder sollte kommen, um sein Untertanentum unter die Religion zu beweisen, seine Gebete sprechen, während die da vorne etwas in unverständlichem Latein murmelten, sie aber waren die die Klingelbeutel zu füllen hatten, denn der Krieg war vorbei und die Kirche brauchte neues Geld. So viele Stunden stehend und knieend in den hohen Sälen, denn Bänke gab es damals nur im Chor, die normalen Besucher mussten stehen oder knien, im Winter sicher kein Vergnügen und auch im Sommer zu früher Stunde eher eine Pflicht denn eine Freude. Doch der Druck der Gruppe, der verbindliche Glaube, der in den Jahrzehnten davor jedes unvorstellbare Leid über das Land gebracht hatte, kannte keine Ausnahmen und kein Erbarmen, egal wieviel von den Heiligen in dem Büchlein versprochen wurde.
Es ist eine düstere Zeit, aus der diese Seiten stammen, die Texte sind stilistisch einfältig, Märchen für Dumme, und die Rubrizierung erinnert nicht zufällig an heute Gossenzeitungen. Wer dieses Buch besass, wusste nur so viel, wie er wissen musste, um andere dumm zu halten. Jeder Tag ein neuer Heiliger für andere Sorgen und Nöte, die Kirche lieferte Immaterielles und Hoffnung frei Haus, für den Preis eines Lebens unter ihrem Joch, reguliert und bestimmt durch dieses wenig schöne Buch mit seinem schlechten Papier.
Und doch trägt es in sich den Keim der Vernichtung des Aberglaubens. Denn der Religionskieg hatte alle bisherigen Regeln für ungültig erklärt, der Fanatismus dieser Zeit eröffnete Chancen für die, die von ihm profitierten. Besonders raffgierig war der Mann, der als Autor des Buches genannt wird: Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich, Bischof von Passau und zusätzlich von Olmütz, Halberstadt, Magdeburg, Breslau und Straßburg, Hochmeister des deutschen Ordens und, vor allem, Heerführer der Katholiken. Diese Aufgabe war es, die ihn wirklich lag, die Bistümer waren die Pfründe, die ihm bei der Finanzierung des späten Krieges halfen. Leopold Wilhelm und sein Buch stehen für den Höhepunkt der kirchlichen Macht, die sich völlig vergessen hat und jede noch so miese Schweinerei duldet und fördert, von den Untertanen jeden Verzicht und totale Unterwerfung unter das System fördert, und sich selbst jeden Luxus und alle Verbrechen leistet, die die Welt damals erkennen musste. Es hat Zentraleuropa entvölkert und ruiniert, die Menschen unterdrückt und entmündigt, und gerade aus diesem Krisen erschaffenden Gegensatz zwischen oben und unten, zwischen Allmächtigen, die bestimmen und verprassen, und Ohnmächtigen, die sich fügen und zahlen, entstand, weit entfernt von Passau, die Erkenntnis, dass es so nicht auf immer sein könnte. Und schuld waren natürlich - die Frauen.
donalphons, 00:49h
Montag, 4. Dezember 2006, 00:49, von donalphons |
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spaetburgunder,
Montag, 4. Dezember 2006, 07:43
Sobald ich Bücher zur Ausübung meiner Propaganda, meines Kultes, veröffentliche, nehme ich den Kult aus dem Dunkel des Mystischen heraus. Und ist das nicht sozusagen schon der Weg ins "Licht"?
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung Deiner Bibliotheksführung.
PS: Das bayerische Abitur... ist das nicht ein wenig "overrated"? Habe selbst ein - nichtbayerisches - Zentralabitur ... eine "klassische" Bildung war das nicht, die musste nebenher oder später erworben werden, wenn sie denn sein sollte.
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung Deiner Bibliotheksführung.
PS: Das bayerische Abitur... ist das nicht ein wenig "overrated"? Habe selbst ein - nichtbayerisches - Zentralabitur ... eine "klassische" Bildung war das nicht, die musste nebenher oder später erworben werden, wenn sie denn sein sollte.
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:36
Also, um mal ein wenig aus der Zeit zu erzählen. Ich hatte in der Kollegstufe Physik als 3. Abiturfach. Der Lehrer hat den Lehrplan links liegen gelassen und das Ganze im Grundkurs so beschleunigt, dass wir am Ende der K13 auf dem Stand der Forschung waren, die gut 10 Jahre später die Nobelpreise einsammelte. Dem war es egal, was vorgegeben wurde.
Um nicht den falschen Eindruck zu erwecken: Ich bin kein Freund der bayerischen Schleiferei. Man zahlte damals für das Wissen mit gnadenlosen Lehrern, die gezielt Klausurenschnitte auf 3.9 hinrechneten, intoleranten Rassisten an der Tafel, einem schwarzen Corps in Wirtschaft und Sozialkunde, das wörtlich (!) sagte: So steht das zwar im Grundgesetz, aber wir in Bayern...
Tatsächlich aber wurden auch Talente gefördert. Ich war beispielsweise meistens schlecht in Deutsch, weil mir Formen und Textanalysen zu schematisch waren. Was mich auf die Bahn in Richtung Literatur gesetzt hat, war eine Literaturgruppe und der LK Englisch. Das alles, keine Frage, zu einem hohen Preis.
Um nicht den falschen Eindruck zu erwecken: Ich bin kein Freund der bayerischen Schleiferei. Man zahlte damals für das Wissen mit gnadenlosen Lehrern, die gezielt Klausurenschnitte auf 3.9 hinrechneten, intoleranten Rassisten an der Tafel, einem schwarzen Corps in Wirtschaft und Sozialkunde, das wörtlich (!) sagte: So steht das zwar im Grundgesetz, aber wir in Bayern...
Tatsächlich aber wurden auch Talente gefördert. Ich war beispielsweise meistens schlecht in Deutsch, weil mir Formen und Textanalysen zu schematisch waren. Was mich auf die Bahn in Richtung Literatur gesetzt hat, war eine Literaturgruppe und der LK Englisch. Das alles, keine Frage, zu einem hohen Preis.
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lem,
Montag, 4. Dezember 2006, 11:17
Wir hatten doch nicht etwa den gleichen Wirtschaftslehrer? Der Satz kommt mir so bekannt vor ;)
Allerdings erwähnte besagter Lehrer auch mindestens dreimal pro Stunde, Deutschland hätte noch "Ansprüche im Osten" und "in 50 Jahren gebären die Männer den Nachwuchs", gefolgt von einem glasig irren Blick durch dieColaflaschenböden Brille.
Allerdings erwähnte besagter Lehrer auch mindestens dreimal pro Stunde, Deutschland hätte noch "Ansprüche im Osten" und "in 50 Jahren gebären die Männer den Nachwuchs", gefolgt von einem glasig irren Blick durch die
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 11:32
Nein, die zweitere Sorte Sprüche kam vom Religionslehrer der anderen: "Damals bei der Partisanenbekämpfung, da hätte man sowas wie den Alphonso..."
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flawed,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:18
Ich hatte dafür in der Oberstufe eine evangelische Religionslehrerin, die ausserdem Politikwissenschaftlerin an der Uni Tübingen war. Islamforscherin und Feministin, und weiter links stehend als alle anderen Lehrer und wahrscheinlich auch die meisten Schüler.
Das war einer der besten Kurse, den ich an der Schule je hatte.
Das war einer der besten Kurse, den ich an der Schule je hatte.
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:33
Stimmt, ich hatte einen Religionslehrer, der mit uns darüber diskutierte, ob die Selbstmorde von Stammheim nicht doch Morde waren. Im Religionsunterricht ging das, doch schrieb man über die Frage in der Schülerzeitung, flog man oder wurde nicht versetzt.
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sokrates23,
Montag, 4. Dezember 2006, 08:31
Mit Verlaub,
soweit kann die bayerische Bildung nicht geholfen haben, wenn Eucharistie und Messe in Gegensatz gebracht werden und überdies "Eucharestie" daraus gemacht wird. Im übrigen sind die Ackermänner unserer Zeit wohl auch nicht viel besser.
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nikolausph,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:09
Wo werden denn Messe und Eucharistie in Gegensatz gebracht? Ich dachte es geht um "die Teile der Messe, die sich jeden Tag, je nach Anlass ändern, im Gegensatz etwa zur Eucharestie". Da ist wohl jemand etwas zu erregt über die "Ackermänner". Ach ja, und das nächste Mal beim klugscheißen bitte über die Schreibweise von "im Übrigen" informieren, "mit Verlaub". Vielleicht hätte da bayerische Bildung doch ein wenig geholfen...
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:36
Pardon, es war spät, und das Christentum ist nicht meine Religion. Den angeblichen Gegensatz kann ich auch nicht erkennen.
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hockeystick,
Montag, 4. Dezember 2006, 11:01
Schon unter einem aufgeklärten Christen kann ich mir partout nichts vorstellen, das ist so wie Sonnenschein bei Nacht. Vielleicht bringst Du ja irgendwo in der Serie auch mal etwas über den scheinbaren Widerspruch unter, ein aufgeklärter Jude zu sein.
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 11:03
Aus der Haskalah habe ich keine Originale, leider. Ausserdem kann man als Jude auch Atheist sein.
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artur,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:16
ein echter teaser, fürwahr!
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:37
Leider von der dunklen Seite - und mit dem nächsten Buch werde ich mir vermutlich Übernahmeangebote der Rechtsliberalen einhandeln...
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hockeystick,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:50
@loreley: Ach was. Horden von Dünnbrettbohrern pilgern seit Jahrzehnten jeden Morgen über die Donau. :-)
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 10:54
aside: oooops, da habe ich wohl ein Fass aufgemacht, das viele Kommentare nach sich ziehen wird.
Zu den anderen: Bitte friedlich!
Zu den anderen: Bitte friedlich!
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hockeystick,
Montag, 4. Dezember 2006, 11:02
@don: OK, ich trage den gedachten Smiley sicherheitshalber mal nach, ich will hier ja keinen Krawall machen :-)
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 12:19
Aufklärung und ihre Dialektik
Diese Serie sprengt den Rahmen normaler Blogschreiberei? Dann lies mal bei mir den Kommentarbereich, oder das, was Momorules hierzu zu sagen hat!
Und was das bayerische Abi angeht: Wir mussten im kühlen Norden in Bio die DNA-Helix aus dem Gedächtnis zeichnen und Zellteilungen als Schema darstellen, und wehe, man vergaß die Mitochondrien! In Klasse 12 mussten wir in Deutsch in Mittelhochdeutsch vortragen.
Anspruchsvolle Schulen gibt es nicht nur in Bayern.
Der Klerikalfaschismus, der allerdings ist eine bayerische Spezialität.
http://che2001.blogger.de/stories/621487/#comments
http://www.blogfrei.de/metalust/2006/12/beissattacken_gegen_gutmensche.html#more
Und was das bayerische Abi angeht: Wir mussten im kühlen Norden in Bio die DNA-Helix aus dem Gedächtnis zeichnen und Zellteilungen als Schema darstellen, und wehe, man vergaß die Mitochondrien! In Klasse 12 mussten wir in Deutsch in Mittelhochdeutsch vortragen.
Anspruchsvolle Schulen gibt es nicht nur in Bayern.
Der Klerikalfaschismus, der allerdings ist eine bayerische Spezialität.
http://che2001.blogger.de/stories/621487/#comments
http://www.blogfrei.de/metalust/2006/12/beissattacken_gegen_gutmensche.html#more
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vroni,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:01
che2001
Anspruchsvoll sind doch Schulen nicht, wenn sie erbarmungslos nachschlagbares Wissen einbläuen, sondern wenn sie zum eigenständigen Denken erziehen.
Muss ja da schieres Glück gehabt haben, wenn ich euere Erfahrungen so lese. Gerade so Fleiß- und Auswendiglernkram hielt sich an meinem Gym (neusprachlich, naturwissenschaftlich, Bayern) in Grenzen. Hatte wohl auch etliche Aufklärer und Freidenker als Lehrer, gerade in Geschichte und Sprachen. Nachträglich (damals nicht :) )schätze ich auch sehr, dass es ein reines Mädels-Gym war, wir waren ungehemmt fit in Mathe und Physik und mussten uns in keiner sexualisierten Atmosphäre künstlich zu Barbie-Puppen runterstilisieren. Keine Jungs, die sich produzierten. (Eher ein leichtverklemmtes Latein-Professörchen, das immer ein wenig errötete, wenn sich eine Klassen-Schönheit meldete.)
Der Knaller kam dann eher an der Hochschule (auch widda Bayern): Frischfleischparties, Überheblichkeit und patriarchales Gedönse statt Lust am Denken. Das war exakt das Gegenteil von dem, was ich mir von einem strahlenden Studentenleben erhoffte, die Enttäuschung hält bis heute an.
Aufklärung? Ja bitte! Dringend.
Anspruchsvoll sind doch Schulen nicht, wenn sie erbarmungslos nachschlagbares Wissen einbläuen, sondern wenn sie zum eigenständigen Denken erziehen.
Muss ja da schieres Glück gehabt haben, wenn ich euere Erfahrungen so lese. Gerade so Fleiß- und Auswendiglernkram hielt sich an meinem Gym (neusprachlich, naturwissenschaftlich, Bayern) in Grenzen. Hatte wohl auch etliche Aufklärer und Freidenker als Lehrer, gerade in Geschichte und Sprachen. Nachträglich (damals nicht :) )schätze ich auch sehr, dass es ein reines Mädels-Gym war, wir waren ungehemmt fit in Mathe und Physik und mussten uns in keiner sexualisierten Atmosphäre künstlich zu Barbie-Puppen runterstilisieren. Keine Jungs, die sich produzierten. (Eher ein leichtverklemmtes Latein-Professörchen, das immer ein wenig errötete, wenn sich eine Klassen-Schönheit meldete.)
Der Knaller kam dann eher an der Hochschule (auch widda Bayern): Frischfleischparties, Überheblichkeit und patriarchales Gedönse statt Lust am Denken. Das war exakt das Gegenteil von dem, was ich mir von einem strahlenden Studentenleben erhoffte, die Enttäuschung hält bis heute an.
Aufklärung? Ja bitte! Dringend.
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:27
Nun komme ich aus einer kleinen, tiefschwarzen Stadt an der Donau und kannte von dort schon das geistige Potenzial meiner Mitmenschen - insofern konnte mich die Uni nicht mehr schocken. Wobei ich durchaus Glück hatte - Kulturwissenschaftler sind in der Regel keine Trampel.
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vroni,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:47
Don, die Stadt, aus der ich komme, war auch tiefschwarz, du da hatten alle eckige katholische Knie.
Nur: die Stadt, in die ich als Fahrschüler ins Gym kam, nicht, harhar. War wohl ein rattenscharfes, oberfränkisches Hardcore-Widerstandsnest. Sauber. Der Norden wieder :)
Nur: die Stadt, in die ich als Fahrschüler ins Gym kam, nicht, harhar. War wohl ein rattenscharfes, oberfränkisches Hardcore-Widerstandsnest. Sauber. Der Norden wieder :)
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 14:05
Vroni, vielleicht habe ich den falschen Eindruck erzeugt. Das Einbläuen von reproduzierbarem Wissen stand so sehr gar nicht im Vordergrund, aber es fand eben auch statt. Das soziale Lernen in Form sich selbst organisierender Arbeitsgruppen, die an langfristigen Prokekten saßen war ein anderer Aspekt, und von Duzlehrern, die in den gleichen Kneipen verkehrten wie ich und beim Bier schon mal was von ihrem früheren Kokskonsum erzählten bis zu Reserveoffizieren, die knapp davor waren, gegen Schüler handgreiflich zu werden war bei uns Alles vertreten.
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hockeystick,
Montag, 4. Dezember 2006, 14:27
Vollständig heißt es ja (vornehm ins Hochdeutsche transkribiert): Geh nach Buxtehude, wo der Hund mit dem Arsche bellt.
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zwischenspeicher,
Montag, 4. Dezember 2006, 12:07
Von wegen ...
".... Vielleicht aber ist meine Auffassung dieser Welt schon immer die verschobene Perspektive eines Menschen mit bayerischem Abitur, Latinum, kulturwissenschaftlichem Studium und weit über 5.000 Büchern gewesen ...."
Das glaube ich nicht. Die Postmoderne hat ihre besten Zeiten hinter sich und spätestens wenn die Christiansen - die Circe der Lobbyisten (Fürsten) - gegangen ist, wird es mit der Postmoderne rapide abwärts gehen. Die Zeit ist wieder reif für "Aufklärung". Wenn schon die national-konservative Presse beginnt, die Pisa-Studie abzuschießen.
Sollte man nicht überhaupt Rankings als postmoderne Form des Proprium Sanctorum bezeichnen? Die Zielsetzungen sind doch gleich: Das Volk dumm halten, den Autoren die Pründe sichern und in jeder Kirche (Land, Region, Schule (Gymnasium!)) die gleichen Gebete sprechen.
Das glaube ich nicht. Die Postmoderne hat ihre besten Zeiten hinter sich und spätestens wenn die Christiansen - die Circe der Lobbyisten (Fürsten) - gegangen ist, wird es mit der Postmoderne rapide abwärts gehen. Die Zeit ist wieder reif für "Aufklärung". Wenn schon die national-konservative Presse beginnt, die Pisa-Studie abzuschießen.
Sollte man nicht überhaupt Rankings als postmoderne Form des Proprium Sanctorum bezeichnen? Die Zielsetzungen sind doch gleich: Das Volk dumm halten, den Autoren die Pründe sichern und in jeder Kirche (Land, Region, Schule (Gymnasium!)) die gleichen Gebete sprechen.
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modeste,
Montag, 4. Dezember 2006, 12:44
Ach, die Aufklärung. Ich bin der Aufklärung so müde, und frage mich manchmal, ob es nicht egal ist, wer die Leute ruiniert. Ob nicht immer ruiniert wird, weil die Fähigkeit des guten Lebens dem Menschen nicht innewohnt, und die Fähigkeit zur Erkenntnis die Fähigkeit, die Erkenntnis auch umzusetzen, nicht beinhaltet. Letztlich ist mir die Ästhetik der Kirche, die Schönheit und Schlichtheit der Einfalt und Demut, um ein Vielfaches lieber als die Hässlichkeit der Moderne, die schon wenige Jahrzehnte nach ihrer Erfindung fadenscheinig und verrottet wirkt. Vielleicht ist dem Menschen nicht zu helfen, und was bleibt, sind tatsächlich die Bücher, Harmonien, Farbe auf Leinwand, und all das Geformte, was es zu bewahren gilt vor den Barbaren jedweder Couleur.
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 12:56
Nun, es war ein weiter Weg, der damals gegangen wurde, und es war fraglos ein guter Weg. Dass Dummheit, Ignoranz und Verblendung wie ein schwerer Anker versuchen, den Fortgang aufzuhalten, mag ich ebensowenig bestreiten wie die negativen Folgen der Aufklärung, zu der die Bildzeitung ebenso gehört wie die Talkshow. Trotzdem, wenn man wie ich zu denen gehört, die der Aufklärung eigentlich alles, wirklich alles verdanken, sollte man schon ein klein wenig zum Fortgang beitragen, denke ich.
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modeste,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:33
Ist denn es wirklich so, dass es einen Fortschritt gibt, also eine "richtige" Richtung, und dann irgendwelche retardierenden Elemente, die die Menschheit versuchen aufzuhalten auf dem Weg ins Paradies? Oder mag es sich nicht auch so verhalten, dass die Geschichte als blindes Huhn durch die Gegend tappt, und es vom Zufall abhängt, wer gerade vom scharfen Schnabel gepickt wird? Wenn dem so wäre, verlöre die Politik jegliche ethische Aufladung. Der Fortschritt wäre nicht mehr moralisch höherwertig, und die Reaktion nicht dumm. Am Ende blieben nichts als einander widerstreitende Interessen, mehr oder weniger erfolgreiches Lobbying einzelner Interessengruppen, und am Ende stets Gewinner und Verlierer.
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:39
Das erzähle mal einem mittelalterlichen Missetäter, der gerade, Arme und Beine hat man ihm schon doppelt gebrochen, aufs Rad geflochten wird. An solchen Beispielen ist historischer Fortschritt, wie ich finde, recht deutlich zu spüren. Auch der Internist, der Aids mit Virostatika behandelt, ist gegenüber dem Dominikaner, der sagt, die Pest sei durch eine Brunnenvergiftung der Juden im Auftrag des Kalifen von Bagdad entstanden eindeutig vorzuziehen.
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modeste,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:44
Der technische und wissenschaftliche Fortschritt hat m. E. nicht viel mit der Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zu tun. Natürlich gibt es innovationsfreundlichere Zeiten als andere, aber ob das Getriebene der Moderne und die Leere der Postmoderne den vermeintlichen Fortschritt wert sind, wage ich nicht zu beurteilen. Situativ magst Du recht haben. Die Sehnsucht nach einem Zeitort, an dem sich alle einer Mitte neigten usw. ist indes nicht weniger ein Faktum als die Freiheit, die die Aufklärung mit sich gebracht hat, und mit der die meisten Menschen nichts anzufangen wissen.
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 13:50
Jeder gesellschaftliche Fortschritt ist ein Ergebnis veränderter Produktionsverhältnisse und damit des technisch-naturwissenschaftlichen Fortschritts. Dass Aufklärung immer auch ihr Gegenteil produziert, ja "die Dialektik der Aufklärung objektiv in den Wahnsinn umschlägt. Dieser ist zugleich einer der politischen Realität "(Adorno und Horkheimer) ist ja sicherlich richtig, das heißt aber nur: Die Aufklärung im emanzipativen Sinne immer weiter voraunzutreiben und ihren Feinden entgegenzutreten, pausenlos.
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hockeystick,
Montag, 4. Dezember 2006, 14:52
Jo zefix, hobs ihr da droom an Dialektik!
Mid da Aufklärung woat ma noch a weng, mei Dochda is grod east achzenn gwoan.
Mid da Aufklärung woat ma noch a weng, mei Dochda is grod east achzenn gwoan.
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zwischenspeicher,
Montag, 4. Dezember 2006, 15:55
@Che .... besser heute Internist ... als früher Dominikaner
Gut, es gibt bestimmte Bereiche "objektiver" Wissenschaft, da geht's nicht wieder zurück und das ist zu begrüssen. Aber nimm z.B. folgendes:
Wo liegt der Unterschied zwischen einer Hexe, die früher die Zukunft aus Hühnerknochen gelesen hat und einem Professor Unsinn, der uns heute mit seine Geschäftsklimaindex beglückt?
Gut, es gibt bestimmte Bereiche "objektiver" Wissenschaft, da geht's nicht wieder zurück und das ist zu begrüssen. Aber nimm z.B. folgendes:
Wo liegt der Unterschied zwischen einer Hexe, die früher die Zukunft aus Hühnerknochen gelesen hat und einem Professor Unsinn, der uns heute mit seine Geschäftsklimaindex beglückt?
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zwischenspeicher,
Montag, 4. Dezember 2006, 17:33
A propos modeste: Kirchgänger atmen länger. Haben wahrscheinlich Internisten rausgefunden :o)
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donalphons,
Montag, 4. Dezember 2006, 20:57
ja, und was haben sie davon? Noch ein paar freudlose Jahre auf den Knien.
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chat atkins,
Montag, 4. Dezember 2006, 14:50
Vergiss nicht, dass die Abschaffung all dieser Feiertage aus utilitaristischen Gründen zum Kernprogramm der Aufklärung zählte. Mit buchstäblich Tausenden von Traktaten und Romanen wollten die Aufklärer - aus keineswegs uneigennützigen Motiven heraus - den einfachen Mann vom Segen der Arbeitsamkeit, des Frühaufstehens, der Dreifelderwirtschaft, des Obstbaus und des Verzichts auf die "müßigen" Feiertage bewegen (sog. "Volksaufklärung"). Was wiederum den kleinen Mann den kirchlichen Reaktionären in die Arme trieb, denn der hatte keineswegs ein Interesse an Mehrarbeit ...
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che2001,
Montag, 4. Dezember 2006, 15:15
Ja, und der Revolutionskalender und die Uhr nach dem Dezimalsystem, und der Tempel der Vernunft. Man kann den Begriff der Aufklärung aber auch etwas weiterfassen als ein Projekt, das mit dem Ende der Religionskriege in Europa aufhört und bis heute weiterläuft, dieses wiederum gleichbedeutend mit dem Sich-seiner-selbst-bewusst-Werden des Menschen als autonom handlungsfähiges Wesen jenseits atavistischer Bindungen an Boden, Stand und Religion.
Ansonsten wäre es praktisch, Druse zu sein: Die haben die wichtigsten jüdischen, christlichen und islamischen Feiertage alle zusammen.
Ansonsten wäre es praktisch, Druse zu sein: Die haben die wichtigsten jüdischen, christlichen und islamischen Feiertage alle zusammen.
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tim,
Montag, 4. Dezember 2006, 18:30
Diesen Leser interessiert es und er freut sich schon darauf, endlich mal wieder angenehmeren Inhalt zu lesen.
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gustav,
Dienstag, 5. Dezember 2006, 00:29
ja dann weißt Du ja jetzt auch wie Du in den Himmel kommst.
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