: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Es hiess mal Alma Mater

Als ich meine Besuche an der Uni 2003 von regelmässig auf sporadisch umgestellt habe, hatten sie in dem Fach gerade erst den Bachelor eingeführt. Es war sowas wie eine Spätfolge der New Economy, in der alle Arschkrampen der Unternehmerzunft die Politiker beschrieen, man bräuchte für globalisierte Billigmärkte auch globalisierte Abschlüsse. Eine hübsche Vorstellung angesichts des Umstandes, dass die Praktika nach dem Abschluss mangels Geld natürlich genauso in Deutschland stattfinden, wie die Besuche beim Arbeitsamt. Wer einmal einen Monat im bett einer Erasmus-Studentin den Winter in Lassabon genossen hat, weiss ohnehin um die wahre Bedeutung des internationalen Wissenschaftsaustauschs, der sich mehr in Körpersäften denn in Lehrinhalten äussert. Wird man bildungspolitisch in 20 Jahren zurückschauen auf diese Phase der Umstellung, wird man diese Kretins zur Hölle wünschen. Die modernen Arschkrampen sagen jetzt, dass die leute nicht gut genug ausgebildet sind und deshalb Runden als Interns schieben müssen. Und die Lehrkörper kotzen zurecht ab, wenn sie sehen, was das mentalitätsmässig für Folgen haben kann: Man gibt ihnen bei der marktbereitmachung auch gleich noch die naturprallen Tschackaaah-Personalities mit, als würde man sie für ein Businessformat bei N24 casten. Schlechtere Leistung bei geringeren Entstehungskosten für einen überfüllten Arbeitsmarkt mit hohen gesamtgesellschaftlichen Folgekosten.



Es ist ja nicht so, dass die Leute das nicht begreifen: Bei den Ausbildern herrscht der Zynismus des Alters, bei den Studenten der Zynismus des Sozialdarwinismus, und dahinter die nackte Angst. Man muss nur mal reingehen in so ein Seminar, und den Leuten sagen, was da draussen wirklich los ist: Alles dabei von den ausgefallensten Verdrängungsmechanismen über Depression bishin zur SS-Mentaliät, der gnadenlos zelebrierten Bereitschaft, sich unterzuordnen und das System zu verteidigen. Jeder, der sich ein wenig damit beschätigt hat weiss, dass Bachelor und Master hierzulande ein Griff ins Klo sind, kein Job wird dadurch besser bezahlt und keine Rente sicherer, das Bruttosozialprodukt steigt nicht und die Akademikerschwemme wird auch nicht besser. Aber die, um die es geht, finden das alles super, weil sie Deppen sind und keinen Ausweg haben. Ich bekomme jedesmal Lust, ihnen Voltaires Candide als Hardcover um die Ohren zu hauen, diesen Dummbratzen in der besten aller möglichen Welten. Denn lesen werden sie ihn nicht, es gibt ja kein Executive Summary. Nich nicht mal das Script dafür kann man downloaden, und Google spuckt bei den ersten 5 Treffern auch nichts Gescheites aus, ist also uninteressant.



Das schönste aller Pseudoargumente der Zukunftshoffer ist dann: "Aber Sie haben es doch auch geschafft". Klar. Als Langzeitstudent, mit Studienortwechseln, mit viel Spass und im Bewusstsein, dass ich meinen Magister später in eine Schublade tun und nie wieder brauchen würde. Mit vielen Zufällen, weil ich ein paar mal am richtigen Ort war, weil ich einer von "denen" sein kann, wenn es sein muss , und weil ich nach all der Zeit in diesem Abgrund inzwischen gelernt habe, mit der dauernden Unsicherheit nicht nur umzugehen, sondern auch daraus Profit zu schlagen. Das Problem ist nur: Auf einen Gewinner kommen fünf Verlierer, und der Gewinner erhält als Preis massig Hotelaufenthalte im Randbereich der grossen Städte, wo er allein mit anderen Arschkrampen in unterkühlt wirkenden Speisesälen sitzt und innerlich abkotzt über das, was er die 12 Stunden vorher erlebt hat. Draussen vor dem Fenster starrt ihn die Ödnis einer noch unbebauten Projektfläche an, für weitere schwer vermietbare Büros, die im gleichen "Wir machen das"-Wahn hochgezogen werden, der sie schon durch das Studium treibt. Nur sagt denen das keiner so direkt.

Warum auch. Ist doch alles prima, das Ministerium ist zufrieden, die Wirtschaft will noch mehr, und den Rest ergruscheln (TM) wir uns auch noch, irgendwann.

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