Von vergangener Grösse

Ich bin normalerweise ein zielstrebiger Mensch. Gibt man mir Stuck und eine Decke, mache ich hin und arbeite, bis es geschehen ist. Wenn was nicht geht, finde ich eine andere Lösung. Alles was ich brauche, sind klare Vorstellungen aus Seiten der Auftraggeber, und dann geht es los. Ansonsten mache ich es eben so, wie ich es für richtig halte. Ich kann gnadenlos energisch sein, ich schone dann weder mich noch andere.

Was mir dagegen Probleme bereitet, sind Absprachen mit mir selbst. Denn bevor es losgeht, denke ich vielleicht etwas zu viel nach. Und das kann Wochen und Monate dauern, dann hängt es an einem Detail, das nicht gelöst wird, und alle Arbeiten ruhen. So ein Detail war die alte, vernagelte Tür im Wohnzimmer. Denn die ist Familiengeschichte. Und damit geht es immer schwer.

So gegen 1730, als die Gesellschaft Jesu, verflucht sei ihr Name, ihren Reichtum in einer Asamkirche und einer eigenen Bibliothek ausdrückte, wurden die alten Funktionsräume ihres Stadtpalastes überflüssig. Die grossen Säle im Mitteltrakt wurden zu Wohnungen der Jesuitenprofessoren, womit der unrühmlichen Geschichte dieses Hauses weitere düstere Kapitel hinzugefügt wurden - es wurde eine der wichtigsten Bastionen gegen die Aufklärung, so, wie es ein Jahrhundert zuvor ein Bollwerk gegen die Reformation war. Von hier aus kämpfte man gegen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ind für das Diktat von Altar und Krone. Und das in durchaus annehmbaren Raumfluchten mit 10 Zimmern für eine Person. Sage keiner, Verbrechen lohne sich nicht. Auch heute, in einer Zeit, in der die Menschen durchschnittlich 20 Zentimeter höher sind, wirken die Räume keinesfalls klein.

Nur - sind es nicht mehr 10 Räume, sondern nur noch 7. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl der Stadt nach oben schnellte, wurde die Wohnung in zwei Wohnungen geteilt, die Tür zwischen den Räumen mit Brettern vernagelt, und auf meiner Seite ein Schrank davor gestellt. Auf der anderen Seite wurde aus dem Türstock ein Wandschrank, aber ich habe das schlechtere Ende für mich. Und an diesem Holzverschlag blieben meine Gedanken hängen, wie eine Nadel auf der Platte. Abschleifen und verputzen? Ein Bild kaufen und drüber hängen? Es unveändert bestehen lassen als Symbol vergangener Grösse? Den Auszug des Nachbarn abwarten und dann die drei anderen Räume als Bibliothek, Billiardzimmer und neuem Vorraum kassieren? Oder gar eine Wand einreissen und einen langgestreckten Saal mit 60m² schaffen?



Es gibt eine Entscheidung: Die Bretter sind weiss gestrichen und so verputzt, dass man den Verlust noch problemlos erkennen kann. So ist es eben. Und ich brauche keine 10 Zimmer, die ich, genau genommen, mit meiner zweiten Wohung im Haus schon habe. Ja, es gab eine Zeit, in der hier weitaus mehr war, als heute ist. Nein, es ist kein Schaden, denn die, die den Raum beanspruchten, waren Schurken und Verbrecher. Es ist, wie es ist. Und jetzt geht es ruckzuck weiter:



Ein letzter Blick auf die Testfarben an der Wand: Viel habe ich ausprobiert, und am Ende hat sich die Suche gelohnt.



Dann ein grauer Streifen drüber, zur Abgrenzung von weisser Wand und zartgrünblauem Sockel.



Ein letztes Mal werden die Hepplewhitestühle dahin gestellt, wo sie nicht hingehören: Weg von der Wand, in den Raum.



Auf dem Boden liegen schon die Konsolen und warten auf ihre schwere Last, die noch zu erwerben ist. Jetzt aber schnell, denn wenn das Jahr zu Ende geht, muss hier alles fertig sein. Zwecks der neuen Grösse.

Dienstag, 12. Dezember 2006, 15:05, von donalphons | |comment

 
Hoffentlich wird das Zartgrünblau nicht so knallig wie das Altrosa der Bibliothek (?). Es gibt zu wenig Bilder, die man kunstvoll vor den Sockel drapieren kann, ohne dass es heißt "Sind die Bilderhaken ausgegangen?"

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Im dritten Bild ganz rechts unten ist es zu sehen, wo der graue Strich durchgeht - nochmal passiert mir so ein Fehler nicht.

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