Real Life 19.12.06 - Kunst besiegt Grenzen

Ein in sich gelungener und dennoch verkorkster Tag neigt sich dem vorläufigen Ende zu; eine schwarz gekleidete Gestalt hastet durch den kalten Wind in der Türkenstrasse, ein paar Pappkartons unter dem Arm, sichtlich zu spät und in Eile. Er steuert auf ein kleines koreanisches Restaurant zu, das sich bei den asiatischstämmigen Schülerinnen der Sprachenschule gegenüber höchster Wertschätzung erfreut, öffnet die Tür, und mit Blick zu ohm sitzt eine Prinzessin 2. Grades, die offensichtlich gewartet hat und ungeduldig ist.

Meine kleine Schwester hatte Stress .... da war noch diese Besprechung .... ich konnte nicht gleich weg .... und Parkplatz ... und überhaupt .... quillt es entschuldigend und hastig aus dem Munde des Mannes hervor, der dir nicht unähnlich ist, und langsam kommt dir der unschöne Verdacht, dass du es tatsächlich bist, der hier gerade versucht, auf dem weiblich dominierten Feld der Ausreden die 2. Niederlage des Tages zu kassieren, nachdem deine kleine Schwester eine superlockere Ausrede hatte, dich eine Stunde in einem anderen Raum mit ein paar PR-Tanten schmoren zu lassen.

Und, würgt dich die Prinzessin 2. Grades unwirsch ab, wie war es? Hat sie alles kassiert? Du blamierst dich auf Lebenszeit damit, etwas bei der Chefin auf asiatisch radebrechend zu bestellen und wünscht dir, dass deine transsylvanische Verwandte koreanische Bekannte zeit gehabt hätte, die bestellte ansonsten mit. Also, das einzige mal, als ihr koreanisch essen wart. Was eine ziemliche Katastrophe war, und zu spät bist du damals auch gekommmen, und seitdem wart ihr fast nur noch thailändisch, italienisch und stockschwul im Morizz essen. jetzt also wieder koreanisch und dieses vegatarische Dings da.

Also, sagst du, die Lage ist so: Es gab nur, leider nur 12 Bildseiten von Yoshitoshi, und 16 Textseiten. Genommen habe ich alle. Genommen hat sie dann auch alle, aber erst mal nur zur Ansicht. Also, die Bilder. Aber sie will nur die Kriegsszenen, das heisst, der Lautenspieler und die Maler und die zarten Damen bleiben alle mir, hoffe ich. 6 mal Splatter für sie, 6 mal angenehmes Leben für mich. Wenn die Habgier bei ihr nicht einsetzt. Also, sagen wir mal, 50/50, dass ich auch was abbekomme.

Und das da, fragt die Prinzessin 2. Grades und deutet auf die Kartons? Ein Stich nach Szothard, sagst du und reichst ihr die weithin bekannte "Vintage", zwei dralle französische Rötelzeichnungen und das da, du ziehst die grösseren Kartons hervor, sind zwei Holzschnitte von Hokusai aus den 100 Ansichten des Fuji.



Die beiden Koreanerinnen neben euch, die bislang über irgendwas auf koreanisch vor sich hingekichert haben, verstummen schlagartig. Das sind dann so die Momente, in denen man erwartet, dass jetzt irgendeines dieser Mädchen irgendwas mit einem langen, scharfen Schwert macht, das nicht wirklich angenehm ist und für europäische Konfliktvorstellungen unangemessen erscheint. Koreaner reden über Japaner gemeinhin wie Griechen über Türken und Bayern über Österreicher, was in allen Fällen darin begründet liegt, dass man von denen mal besetzt war - und nebenbei wohl auch darin, dass man sich in den ersten beiden Fällen dank Feindschaft keinen Gedanken darüber machen muss, dass man genetisch jeweils die ziemlich gleiche Pampe sein sollte, was bei Bayern und Österreichern natürlich ganz anders ist, der Bayer unterscheidet sich grundlegend von den in Braunau beginnenden Degenarationen auf der falschen Seite von Inn und Salzach. Was ein würdiger letzter Gedanke gewesen wäre, wenn jetzt jemand irgendwelche Szenen aus der Werbung nachgestellt hätte. Von wegen, dass die Suppe zu salzig und die Holzschnitte zu japanisch sein sollten.

Hokusai, fragt eines der Mädchen. Echt? Darf ich mal? und zieht das Bild, ohne auf eine Antwort zu warten, zu sich rüber, und in ihren Augen erstrahlt ein warmer Glanz, der im völligen Widerspruch zur dargestellten, kalten Winterszene ist.

Was hättest du gemacht, wenn sie dich gefragt hätte, ob du es ihr schenkst, will die Prinzessin 2. Grades später, auf dem Weg zum Auto wissen. Du ahnst die tückische Falle in ihren Worten, du willst es behalten und deshalb lügst du sie an und behauptest, du hättest natürlich widerstanden. Was noch zu prüfen sein wird, denn die Koreanerin hat deine Nummer, damit sie dich anrufen kann und erfahren, ob deine Quelle noch weitere Holzschnitte von Hokusai hat. Und wenn nicht, nun...

Hinweis: Kleine raffgierige Schwestern hat es auch hier.

Mittwoch, 20. Dezember 2006, 01:05, von donalphons | |comment

 
Sind alles sezessionierte Chinesen...
aber das Verhältnis zueinender ist ab und an mehr als kurios.
Ein chinesischer Freund bezeichnete mal im Ernst die Koraner als die mit den platten Gesichtern. Hatte wirklich was von der vorgeblichen Rolle der Ostfriesen.
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aber das mit der Orangenhaut geschrieben bei Modeste ist echt schon ein wenig arg fies...

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Ich finde es auch immer wieder beruhigend zu sehen, dass "sowas" nicht allein auf die Region beschränkt ist, in der ich lebe.

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Wie schön ...
Mal wieder angenehm zu lesenden Texte. Leicht, unterhaltsam und mit der richtigen Prise Links abgeschmeckt. Wie entspannend ...

Auch der W-Lan-Datenpenner hat mir sehr gut gefallen. Aber zuviel Komentar-Auflauf dort oben und diese Geschichte hat nun auch ein paar nachtschlafene Kommentare verdient.

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