Real Life 24.12.06 - Von einer, die auszieht.

Es könnte ein Abschlussball sein, eine Abiturfeier, die Überreichung des Magisterzeugnisses, wenn man nach dem Äusseren gehen wollte. Die Herren sind in Schwarz, dreiteilig, und der ein oder andere trägt heute sogar eine Vollsavonette statt der üblichen Rolex. Die Krawatten und Fliegen auf den weissen Hemden jedoch sind gelockert, die Krägen geoffnet, und so manches Sakko sitzt nicht mehr ganz optimal, nach der heimischen, fünfgängigen Stopfung ohne jeglichen sportlichen Ausgleich, wollte man die Flucht in die Altstadt nicht unter lebenserhaltung, sondern unter Leibesertüchtigung abhaken. Das kann es aber nicht sein, denn der Rest der legendären 11b, die letzten Unverheirateten der einzigen Jungenklasse des Gymnasiums, befüllt den Leib mit Alkoholika, als gäbe es kein Morgen mehr und kein Resteficken heute Nacht. Aussenstehende aber wissen nicht, dass die 11b sich vor allem aus Kindern von Grossbauern zusammensetzte, und so fehlt Ihnen das Einfühlungsvermögen in die Volumina, die in so einen 11bler passen. Du aber, der du damals schon bei den Austragshausparties im Donaumoos dabei warst und dem abschliessenden Novemberschwimmen im Dorfteich, um dann die Physikschulaufgabe ernüchtert antreten zu können, du weisst, was geht. Selbst wenn du nur Tee trinkst.

De Boazn is gschdegt voi mit vor allem jüngeren Semestern, aber kaum Zugreisten, denn die sind alle daheim, und ihre Standardkneipen sind eher leer. Hier aber wackeln die Wände vom Lachen, als die Geschichten über die anderen abgeglichen werden. Die, die im gegensatz zu ihren Sprüchen von damals heute nacht brav daheim sitzen, oder vielleicht später heimlich kommen, während die Frau die Blagen aus der Kirche nach Hause bringt. Die, sie sich dann immer komisch fühlen, wenn die unverheirateten Reste der weiblich dominierten 11c vorbeikommen. Man kennt sich ja noch aus der Klassenfahrt nach Rom. So ist das. Der 24. Dezember zeigt gnadenlos auf, wie es um euch alle bestellt ist, wer die Ideale noch lebt und wer draussen vor der Stadt vegetiert, in seinem Einfamilienhaus mit Nachwuchs und mässig funktionierender Beziehung.

Du machst eine kleine Runde, begrüsst die Reste der humanistischen Oberrealschule und die abgefallenen Töchter des Mädchenpensionats mit geschenktem Abitur und freust dich, dass die, die mit 33 allen Begehrlichkeiten des geregelten Lebens widerstanden haben, auch heute noch der Bürgerlichkeit entsagen. Das Vorankommen wird zunehmend schwierig, aus der Tür drängeln sich die ersten Gottesdienstbesucher ins Warme, mancher schaut etwas verlegen drein, wie es so ist, wenn man als Ü30 noch von den Eltern mitgeschleift wird in den eiskalten Steinsarg, und man sich nicht widersetzen kann. Du redest noch mit Sabine, die inzwischen den Laden von Dad übernommen hat und immer noch oder schon wieder ein gschlampertes verhältnis mit einem anderweitig verheirateten Mann hat, da siehst du Iris von hinten, ihre lange, dunkle Silhouette, ihren bestimmten Gang, der sich nie wieder von einem Ehemann wird hemmen lassen, höchstens noch von einer der seltenen depressiven Anfälle, alle zwei, drei Tage. Jürgen ist sowieso gerade dabei, Sabine zu übernehmen. Also verabschiedest du dich so hastig, dass Sabine fragt, was los ist, und Jürgen deutet auf die Neuangekommene und sagt, dass der Don der Iris ja verfallen ist. Jürgen war schon in der 11b ein Arschloch.

Du aber hast eine Aufgabe, eine Pflicht zum Schenken, schliesslich stand der nicht ganz schlichte, kristallübersähte Leuchter für den Nachttisch schon seit Monaten offen in deiner Wohnung rum, wurde von ihr sehr bewundert und wechselt so jetzt den Besitz. Ein Küsschen hauchst du auf ihre Wange, schnupperst an ihr, wirst leicht geschüttelt von der Ähnung von Kälte und Weihrauch, die aber schnell von dem herbwarmen Ton ihre Parfüms überdeckt wird. Sie guckt in das Geschenk, freut sich, hat nichts für dich und meint dann unversehens und ernst: Ich muss dir was zeigen.

Einen neuen Mann?

Nein. Übler. Komm.



Und so eilt ihr hinaus in die kalte, nebelverseuchte graue Weihnachtsnacht, was soll´s, Kinder werden ohnehin zu viele geboren, das kümmert nicht, aber ihre Laune ist nicht gut. Durch die engen, krummen Gassen der Oberstadt führt euer Weg, keine Seele und nur wenige Messenbesucher sind unterwegs, und Iris will nicht sagen, was sie in diese Gegend führt. Dann hält sie vor einem Haus inne, drückt sich an die Tür und sperrt auf. Du folgst ihr ins Innere eines sanierten, alten Professorenhauses, sie geht die Treppen nach oben, und sperrt eine Wohnung im zweiten Stock auf.

Das ist es, sagt sie, das haben sie mir geschenkt. Damit ich endlich wieder auf eigenen Beinen stehe, soll das wohl heissen. Du streifst durch die Räume, durchaus angemessen für ihren sozialen Stand, 3 Zimmer, Bad, Galerie und eine Wohnküche, die, wenn sich der Nebel hier in fünf Monaten gelichtet hat, sicher ganz nett und freundlich im Morgenlicht erstrahlen wird. Stuck fehlt noch, Kronleuchter, all das, was man so zum Leben braucht, aber die Basis ist prima und das frische Weiss der Wände wartet nur darauf, in warmen Farben überstrichen zu werden. Und das alles keine 10 Minuten vom Stadtpalast.

Grossartig! Phänomenal! Knorke! brichst du in Entzückenskieksern aus, endlich keine langwierigen Gespräche mehr mit ihrem Vater über dessen konservative Politikeinschätzung, wenn Iris mal wieder 30 Minuten länger im Bad braucht, kein Earl Grey mehr, den man in deren Haus serviert, ohne Rücksicht auf deine - nie zugegebene - Abscheu vor Bergamotte, du weisst ja, was sich gehört.

Iris steht im Türrahmen, schaut an die Decke und sagt: Weisst du, was so schlimm daran ist? Als meine Eltern so alt waren wie ich, hatten sie sich schon zwei Autos verdient, ein Haus erworben und umgebaut, eine Position im Leben, ein Kind grossgezogen und nie erwartet, dass ich mit meinen Noten und den Startbedingungen es nötig haben würde, mir von ihnen eine Wohnung schenken lassen zu müssen.

Du protestierst und verweist darauf, dass auch eure Eltern damals Autos geschenkt bekamen; grünelfenbeinfarbene Käfer Cabrios etwa und später die abgelegten Isabellas der Väter, von der die Legende geht, dass ihre Mutter den ihrigen Ende der 60er mit Paisleymotiven bemalen liess, und ausserdem war die Heirat ihrer Eltern ja auch durch den dicken Bauch von Mama bedingt, das Haus draussen vor der Stadt kam dann von ihrem Grosspapa. Und überhaupt, wenn man nur mal nach Berlin schaut, wie sie dort sorglos in ewiger Jugend und im Wissen, dass sie mangels Nachkommen ohnehin alles durchbringen können, in ewiger Jugend Richtung Vergreisung gehen - von denen lernen heisst froh sein lernen.

Aber nichts vermag die Betrübnis von ihr zu nehmen, und irgendwann später, nachdem sie zwischenzeitlich schon auf dem Sofa eingeschlafen ist, ist sie dann aufgewacht und wieder hinausgefahren in die Vorstadt, in die sumpfige Niederung heim zu den Eltern, die jetzt mit ihr Ralph Lauren Home Kataloge wälzen und nicht begreifen, was sie jetzt schon wieder hat, obwohl sie doch alles hat.

Dienstag, 26. Dezember 2006, 00:31, von donalphons | |comment

 
... von denen lernen heisst froh sein lernen.

Die kaufen sich sicher keine 400 Jahre alten Stiche und renovieren einen Stadtpalast.

Ob die so froh sind, in ihrer Verlorenheit?

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Nun, Iris wird das Beschaffen der Stiche und das Restaurieren wohl auch anderen überlassen.

Ob sie froh sind? Sie sind jedenfalls so. Und das ist nicht das Allerschlechteste. Besser als depri.

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Schönes Foto.

Kommt mir alles bekannt vor. Ich meine, dass man in der Heimat an Weihnachten auf Leute von früher treffen kann.

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Mann, deren Sorgen möchte ich haben.
Bzw. noch nicht mal geschenkt.
Wenn wir Klassentreffen machen, tragen die Leute Jeans und Lederjacken oder nen Blazer, aber Anzüge und Rolex? So was habe ich auf einer Weihnachtsfeier oder in der Firma an, aber doch bei keinem Wiedersehenstreffen. Zur Magisterprüfung gab es Straßenkampfchic (HG-Jacke, Outdoorhose, Dr.Martens).

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... kann ja jeder machen wie und was er/sie will, peinlich allerdings ist das Mama|Papa-Geheule mit Ueber 30 - in dem Alter sollte man das Thema entweder von der anderen Seite aus oder aber gar nicht behandeln, als Client aufzutreten jedenfalls geht gar nicht ...

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Das hat ja durchaus sein Nettes, Loreley. Und dass der eine weint wegen seiner kommenden Glatze und der nächste wegen Midlife und nochmal andere über die Eltern, Franz, die zu diesen Gelegenheiten zeigen, wer immer noch der Herr im Haus ist. Und wenn man frisch aus dem heimatlichen Bankett fällt, zieht man sich nicht mehr um, sondern kommt, wie man ist, Che - denn auf die innere Wertlosigkeit kommt es an.

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Bekanntes Gefühl...
... alleine in einer gemieteten Miniwohnung in einer Großstadt mit absurdem Mietniveau zu sitzen, in einem Alter, in dem die Eltern schon mit dem gemeinsamen Hausbau beschäftigt waren. Und keinen Mut, einen einzigen Cent mehr zu investieren, weil man sich fragt, wie lange man diesen Job mit doch halbwegs anständigem Einkommen überhaupt behalten kann. Anders als Iris habe ich nicht mal einen treuen Verehrer :-(, der dem Leben doch irgendwie einen gewissen Wert gibt. Die Eigentumswohnung als elterliches Geschenk fehlt auch - sie könnten es sich sogar leisten, aber ich wäre nicht stark genug, um mit diesem lebenslangen Zwang zur Dankbarkeit klarzukommen.

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Alles nur Melancholie oder depressive Verstimmung. Milde affektive Störungen würde der Arzt sagen. Das Gras ist immer auf der Nachbarwiese grüner. Es gibt genug Momente, in denen ich gedanklich den Resthof mit Scheune gegen ein 1-Zimmer-Wohnklo in bester Szene-Metropolen-Lage tauschen würde.

Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Kein Grund auf jemanden zu warten, der es einem abnimmt.

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Pah! Im Gegensatz zu gewissen Gründungsmythen der BRD ist es nicht so, dass früher keiner irgendwas hatte. Meine Urgrosseltern bekamen von deren Eltern, gaben ihren Kindern, die meinen Eltern gaben, und so ist es nur sinnvoll und logisch, wenn ich - oder Iris oder sonstwer - auch was bekomme. Der Unterschied ist allein, dass sich manche da heute Gedanken machen. Früher gehörte es ganz einfach zum Sozialprestige dazu dafür zu sorgen, dass die Kinder nicht ohne Besitz blieben.

Und ausserdem ist es letztlich ein Gewinn - Miete ist langfristig enorm teuer.

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Na ja, das mit dem Erbe ist ja nicht gerade gleich verteilt. In der Summe sind das enorme Werte, die in den nächsten Jahren den Besitzer wechseln, aber nur ein kleiner Teil der Erben erhalten ein echtes Vermögen. Viele lediglich eine kleine 5-stellige Summe - oft in Form eines Hauses, das schlecht gelegen ist und an dem seit 30 Jahren nichts gemacht wurde. Und mehr als 50% der Erben gehen ganz leer aus. Gedanken machen sich eher manche, weil von Billionen geschrieben wird, die demnächst hinterlassen werden und sie sich wundern, wo das hingeht.

Ein paar Beispiele: Die ganze Flüchtlingsgeneration, die nun ans Lebensende stösst - viel vererben können die nicht und das wenige muss noch auf 2-3 Erben aufgeteilt werden. 7% der Haushalte sind überschuldet - ich denke nicht, dass ein Erbe die davon befreien wird. Oder im Osten der Republik. Die Rente ist gut, aber Werte können selten an die Nachkommen weitergegeben werden. Hat nicht jeder einen "Clan".

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Wie schon meine schlesische Urgroßmutter zu sagen pflegte:
Der Teufel scheißt immer auf denselben Fleck.

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"Milde affektive Störungen" ist gut ;-), Vielleicht schon die aufkommende midlife crisis? Müssen wir uns jetzt alle noch einmal ein Motorrad (Marke soft chopper) kaufen?
Nun sind die Mägen voll und die Besinnlichkeit hat sich zum grübeln ausgewachsen. Wer hat was erarbeitet, ereerbt oder gibt es Werte in der Wertelosigkeit? Sicher, mein Vater hatte in meinem Alter schon einen Krieg überlebt, ich aber habe die Alt68er-Landplage in mittlerer Führungsposition und die lebenslang enttäuschte und überqualifizierte 70er Zaungeneration bis zu deren nicht finanzierbarer Rente am Bein. ;-)
Mein Tipp: 3 Ar Land umgraben (Tageslichtbad, verschreibungsfrei), alte Samensorten jenseits der patentgeilen Lifescience Industrie suchen, vier Apfelbäume schneiden oder den Apfelwein vom Faß auf Flaschen ziehen (schlauchsuckelhicks) - hilft alles gegen aufkommende depressive Verstimmung.
Btw.: der "Gallenessig der Societas" ist fertig. Lieferwünsche?

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"Die ganze Flüchtlingsgeneration, die nun ans Lebensende stösst - viel vererben können die nicht"

Strappato, da kennst Du die gestopften bayerisch-böhmischen Flüchtlingsenten aber nicht, der leibspeise der hiesigen CSU-Granden. Da Behm, da Flichtling erfreute sich hier stets der Wertschätzung, die man gemeinhin dem mehrheitserhaltenden Klientel zukommen lässt. Nichts gegen diese Jungs, aber draussen auf den Dörfern gibt es ein paar böhmische Paläste, die lassen einen so einiges überdenken, zumindest in Bayern. Und die Wirtschaftswunder- und Vollbeschäftigungsgeneration hat schon einiges an Vermögen zusammengetragen, insofern ist da allgemein einiges zu erwarten - sofern es nicht vom Pflegedienst gefressen wird.

Wo der Teufel scheisst, weiss ich nicht, Arboretum. Aber ich denke, dass Familien, die über Generationen zur oberen Mittelschicht gehören, so eine Art natürliches Bewusstsein für Geld und dessen Erhaltung haben. Wie meine Grossmutter immer sagte: "As Glump is zwoamoi deier". Und Vermögen ist genauso eine Frage des klugen Ausgebens wie eine Frage des Verdienens.

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El Loco, ich glaube, seit der Erfindung der Quarterlife Crisis können wir wohl von einer Dauersinnkrise des Lebens reden. Wie auch immer: Gerade waren hier die neuen Mieter. Mit Eltern. Ich denke, das Problem ist ein universelles in dem, was man in 30 Jahren sagen wird, dass man es damals Bürgertum genannt hat. Besser noch so als andersrum. Und wenn jemand einem eine Viertelmillion in Immobilien mal eben so rüberreicht, ist eine leichte Krise vielleicht etwas angemessener als das Abnicken der Frau T., die von ihrem Mann einen Bentley bekam und damit am 24. Nachts noch in die Stadt fuhr, ohne Zulassung und Kennzeichen, und die Karre in der Fussgängerzone vor ihrem Lieblingscafe stehen liess. Das ist hart.

Jesuitengalle? Gerne!

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Don, in meinen Herkunftsfamilien ist das schon so, wie strappato es beschrieben hat. Die einen Flüchtlinge, die es danach zwar irgendwann wieder zu bescheidenem Wohlstand brachten (der später dann durch fünf geteilt wurde), aber den vorigen Wohlstand nie mehr erreicht haben. Die anderen waren vorher sogar noch wohlhabender als die erstgenannten, danach drei Halbwaisen, ohne Geld. Meine beiden Eltern kannten jahrelangen Hunger und Quäkerspeisungen.

Viel zu vererben gibt es nicht. Da hat auch die jahrhundertelange Zugehörigkeit zur oberen Mittelschicht nüscht genützt.

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Hmm. Interessant , so etwas von Dir zu lesen, Arboretum. Es ist nämlich so, dass die meisten Leute, die ich so kenne, aus Umschichtungsfamilien kommen. Meine Eltern zum Beispiel sind Upper Middleclass, wobei mein Vater einen Aufstieg und meine Mutter einen Abstieg erlebt hat. Er Sohn einer halbalphabetisierten Landarbeiterin und eines langzeitarbeitslosen Schlossers, der es in einer dieseer typischen Nachkriegskarrieren zum Manager gebracht hat, sie Tochter eines wohlhabenden Viehhändlers, Dorfschulzen und Verbandsfunktionärs, der wegen seiner Nichtbereitschaft, Juden aus seinem Verband auszuschließen, 2 Jahre unter den Nazis im Knast gesessen und in dieser Zeit große Teile seines Vermögens verloren hat, aufgewachsenen in einem Haushalt mit Dienstpersonal, nach dem Krieg in drangvoller Enge als rabottende Hausfrau am Herd. Und Ähnliches bei vielen anderen auch: Der Arbeitersohn, der Lehrer geworden ist, die Briefträgertochter, die in der New Economy arbeitet, der Sohn einer Krankenschwester und eines Fernmeldetechnikers, der eine Werbeagentur betreibt, die Kapitänstochter, die Physiotherapeutin geworden ist usw.

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Sohn einer Tochter einer Tochter eines Sohns eines Sohns eines Sohns eines Sohns eines Sohns eines berüchtigten Steuereintreibers.

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Jahresendromantik
Jedes Jahr das Gleiche: Die einen verspießern, die anderen suchen nach Bestätigung für die eigenen Entscheidung zur Unabhängigkeit. Ich für meinen Teil sage mir: Jeder nach seinem Geschmack. Verspießern - Wem's gefällt, der verspießert nicht, sondern war schon immer so. Und wer das alles nicht haben will: Auch gut.

Schlimm wird es nur, wenn Lebensmodelle aufgezwungen werden. Und die, die das mit sich machen lassen sind halt "Opfer"...

Am Ende des Tages ist doch nur wichtig, dass wir unseren Spaß haben. (Also ich meine jetzt das private Leben, nicht unsere Wirkung auf -Trommelwirbel- die Gesellschaft). Und wer das nicht hinbekommt, der hat halt ein Problem. Wie ach so viele um die Weihnachtszeit ;-)

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Ich bekomme das allermeiste Verspiessern in seinen Hardcore Toskanastil Doppelgarage Säulen und Rosina Wachtmeister Drucken ja ohnehin nur dritter Hand mit, in solchen Kreisen wil man mich nicht verkehren lassen. Aber wieso sollte ich mich über die braven Steuerzahler beschweren - was die über mich tratschen, das betreibe ich eben im Internet, es ist ein Geben und Nehmen, und letztlich gerecht. Denke ich.

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Luxux-Deprimierte
Solche Leute wie diese Iris - ob real oder fiktiv - nennt man wohl Luxus-Deprimierte. Spätestens wenn die Eltern ins Gras beißen und das Erbe die Konten füllt, kann sie immer noch ihre innere Leere mit äußerer Fülle kaschieren, täglich Prosecco schlürfen, sich die Lippen oder Brüste machen lassen und im Nachtleben auf Männerfang gehen, bevor die biologische Uhr abgelaufen ist. Während das Leben vieler Normal- oder Prekariat-Deprimierter unter einer Brücke oder mit Rasierklingen in einer Badewanne endet.

MfG

Daniel

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... ja neee - und dann werden die alten Herrschaften 95 - und zwar alle beide - bei nur in der letzten Dekade abnehmender Gesundheit (bis zur allerhoechsten Pflegestufe, samt unfassbar teurer Medikation, Kuren, 24/7 Betreuung etc. pp.) Und dann? ... sag mir keiner das da kein Potential fuer grosse Verwerfungen gegeben ist ... gut, man koennte sich natuerlich auch mit 70 noch ... die Lippen "machen lassen".

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Das nennt man fürwahr Luxusdeprimiertheit.
ich vermute aber eher andere "Sorgen" hinter der vorgeschobenen Materialkrise. Könnte es nicht eher ein Mangel an Wärme und Zuwendung sein?
ich frag ja nur aus der Distanz....

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@franz:

Es gibt noch Schenkungen und zur Not auch Cyankali-Händler ;-)

@ hiddensee:

Nennt man Sinnkrise. Kommt immer mal wieder und derzeit gerade, da alles auf seinen ökonomische Nützlichkeit reduziert wird, angefangen bei der Partnerschaft über Kinder etc.pp. Es mangelt der modernen Gesellschaft an allem möglichen, nur an einem nicht: an toten, sinnlosen Dingen.

MfG

Daniel

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"dass ihre Mutter den ihrigen Ende der 60er mit Paisleymotiven bemalen liess"

Entschuldigen S'bitte, daß ich gar so höhn', aber das sagt doch alles, oder?

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Oh, die Frau Mama ist ein Prachtexemplar in jeder Hinsicht. Ich verzichte darauf, meine Mama nach Geschichten aus der Zeit zu fragen, denn ich fürchte, dann müsste ich einen Roman schreiben, so viele Geschichten gibt es da. So von wegen, 68 war alles besser, und so.

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Oh, die Frau Mama ist ein Prachtexemplar in jeder Hinsicht. Ich verzichte darauf, meine Mama nach Geschichten aus der Zeit zu fragen, denn ich fürchte, dann müsste ich einen Roman schreiben, so viele Geschichten gibt es da. So von wegen, 68 war alles besser, und so.

weil s doch wahr is.
und wenn es auch nicht wahr is: das mit dem roman das tät ich nicht vernachlässigen. ernsthaft.

aber mal was ganz anderes:

das war wirklich ein borgward isabella, den die tochter da geschenkt bekam? - die waren nämlich damals schon eher selten, die borgward isabella *).

und die hat sich dann wirklich getraut, sich den mit einem paisleymuster (oh was die leit denka! die denka, unsa madl is a hippiemadl, a rauschgiftsichtigs!) lackieren zu lassen? respekt, das ist durchsetzungsvermögen. unsereins kam sich schon wer weiss wie vor, wenn er sich die haare an die ohren wachsen ließ.

gibt es den isabella noch?

gibt es da wenigstens noch fotos?

also, wenn ich der musumsdirektor von *stadt wäre**), das teil käme in meine sammlung und wenn ich es neu anfertigen lassen müsste . etat, was für ein etat? dafür lassen wie die pontons sausen, soll doch die bundeswehr die militärtradition hier selber pflegen, genau, der isabella mit dem paisleymuster muss her, und wenn der tausend taler kostet.

*) die borgward-pleite war die erste grosse, heute würde man sagen insolvenz, in der zeit des sogenannten wirtschaftswunders. das war so anfang der sechziger, damals störte es keinen, eben mal einen lästigen mitbewerber loszuwerden. die quote betrug sage und schreibe einhundertvier prozent, das heisst, alle gläubiger erheirlten ihre forderungen befriedigt, und dann war noch was übrig.

die erste wirtschaftskrise kam dann so ende der sechziger, die arbeitslosenquote stieg von 0,5 % (wirklich, so anfang der sechziger gabs das mal) auf 5,0 %, was damals als skandal und politikversagen empfunden wurde. für die heutigen, ich gebe es zu, mutet das so glaubhaft an, wie die geschichten von harun al raschid, kalif von bagdad.

**) nur so von aussen betrachtet, die stadt, in der der don geboren wurde, aufwuchs, und dann, aus der fremde als mann zurückkehrte, nunmehr erst in der lage, seine heimatstadt erst in ihrer vollen bedeutung zu erdassen, sie zu lieben gleichermassen wie sie zu züchtigen, wo er so einen grossen teil seines werkes verfasste. die stadt, an der und deren bewohnern er sich ständig rieb und deren undankbarkeit und unverständnis er so viel verdankt, geradezu ein chronist sihrer sitten und unsitten, diese stadt pflegt, so der äussere eindruck, die museale dokumentation ihres werdens und ihres seins mit grossem aufwand.

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