Ich mag Pessimisten

Das mag überraschen, denn ich sehe meiner eigenen Zukunft immer mit einer Mischung aus lässiger Nachlässigkeit und Zuversicht entgegen, die meine Umwelt regelmäsig zur Verzweiflung treibt. Meine Beiträge kommen dennoch rechtzeitig beim Magazin an, der erbremse die Kurven immer und glaube an die Weisheit meiner Grossmutter. die immer "Das ist alles noch kein Unglück", falls etwas doch mal nicht ganz optimal laufen sollte. Ich weiss einfach, dass abgesehen von meinem in sehr weiter Zukunft liegenden Tod nur wenig kommen wird, das mich in existenzielle Krisen werfen könnte. Die Nebenwirkungen, die sich in mitunter wenig geschätzter Ehrlichkeit gegenüber meinen Übernächsten, Sorglosigkeit und der Erklärung von Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" zu meinem philosophischen Maximen äussern, sind aber gemeinhin meiner Umwelt eher Freude als Last. Und dennoch mag ich Pessimisten.

Derer gibt es in Bayern nicht wenige; Jodmangel, Alkohol- und Katholizismus sowie dörflicher Inzest haben hier ihre Spuren in Genpool und Charakter hinterlassen, und nur der Vorsehung sowie der traumhaft schönen Landschaft ist es zu verdanken, dass aus den Bayern mit diesen schlechten Startbedingungen wenigstens keine echten oder österreichbalkanesischen Preussen wurden. Zu den Volksfesten säuft man sich hier die betrübliche Existenz schön, ansonsten hadert man mit dem Schicksal und baut die besten BMW der Welt, um damit gegen Bäume zu fahren. Nein, frohgemut ist der Bayer als ein solcher nicht, und auch seine Frau gehört nicht zu den lebensbejahenden Wonneproppen. Ich liebe sie.

Etwa, wenn wie heute drei solche Fässer nebeneinander vor mir über den Pfaffenhofener Flohmarkt rollen, im Regen die Mundwinkel von der Schwerkraft a la das merkel nach unten getackert und missmutig um sich schauend. Jeder Händler könnte ein Betrüger sein, der sie um das ehrlich erworbene Gehalt des Apothekersgatten bescheisst, überall Diebe und wirklich trauen tun sie auch nur dem Pfarrer und der CSU. Diese Leerguttransporte mit Überbreite also walzen vor mir durch die Wege, ein Vorbeikommen ist nicht möglich, wenngleich ich möchte: Denn da vorn ist der Silbermann mit Kisten voller amerikanischer Silverware. Die Damen sind vor mir dort, und eine ergreift das Tablett, das ich auch sofort genommen hätte, und schaut es sich an. Es ist das Tablett, das ich in meinen jetzt doch etwas grösseren Räumen und den 4 Zimmern zwischen Küche und Computer noch brauche, mit Griffen und gross genug für eine Kanne, einen Kuchenteller und eine Tasse - aber auch nicht grösser, damit nichts verrutschen kann. Briten und Amerikaner haben das einfach drauf. Und die fette, alte Schachtel hat es in den fleischigen Fingern.

Wos kosdn dös, fragt sie den mir wohlbekannten Händler, der nennt einen Preis, der unter dem liegt, was man in den 50ern dafür in Dollar bezahlt hat, woraufhin sie sich eingehend mit dem Tablett beschäftigt und eine der anderen schnell wie eine Packratte nach der Servierplatte greift, von denen ich insgesamt 10 Stück hatte und nun, von Bekannten und Frenden ausgeplündert, dringend Ersatz brauche. Sie schauen die aufgrund des Alters schwarz angelaufenen Objekte meiner Begierde an, und reden darüber, dass man sie kaum mehr sauber bekommt. Der Händler bestreitet das, geht mit dem Preis runter, aber sie jammern weiter, da ginge niemals und dann hätten sie so einen schwoazn Gseilln in der Küche, und man erkennt: Das sind die, die immer einen Makel finden und denen es nur dann gut geht, wenn es ihnen und allen um ihnen herum schlecht geht. Aber heute haben sie versagt, denn sie legen die Silberplatten wieder hin und zockeln ungerührt vom nochmal niedrigeren Angebot meines Händlers weiter.



Und deshalb liebe ich solche Pessimisten, die immer nur das Problem sehen, und nie die Chancen und Möglichkeiten. Jedesmal, wenn ich von nun an mit diesem Tablett meinen Tee an den Rechner oder auf die Dachterasse trage, werde ich an sie denken und lächeln. Und das, obwohl ich beim genaueren Suchen noch einen Haufen andere Sachen gefunden habe, die nicht schlechter sind. Wie übrigens andere auch.

Sonntag, 25. Februar 2007, 17:28, von donalphons | |comment

 
Es gibt in solchen Dialogen dann auch den Punkt wo ein mir bekannter Händler die Jugendstiltasse mit Schwung auf dem Asphalt zerscherbt hat, mit den Worten, "Wann's so a Dreck is, dann brauch i's eahna ja ned verkaufen..."

Die ganze Ware-Schlechtmacherei ist eine widerliche Angewohnheit, und jeder, der mir damit kommt, dearf oafach weidagehn. Oaschlöcha.

... link  

 
Es gibt einen Unterschied zwischen "auf Macken hinweisen" und "runtermachen". Letztlich müssen beide Seiten was davon haben. Über das "Wie" - Mengentabatte, langfristige Beziehung, gegenseitig übers Ohr hauen - kann man reden, aber es soll Spass machen. Übel finde ich auf Käuferseite nur diejenigen, die mir weiszumachen versuchen, dass etwas eher Wertloses etwas ganz, ganz Tolles ist.

... link  

 
Es gibt einen Unterschied zwischen "Respekt" egal wem gegenüber und "Arschlöchrigem Verhalten", ganz einfach.

Um den Preis handeln ist ein Tanz, der Spaß machen kann. Sich von anal geöffneten Piefke erklären lassen, daß die Ware der letzte Dreck wäre, macht sicher keinen Spaß.

Einen Dreck als Wertsache verkaufen wiederum macht auch keinen Spaß, dem Kunden nicht -- und wenn der Händler kein Psychopath ist, dann dem Händler auch nicht. Und mit Schaudern auf die Stapel an Müll starren, die als Ware anzubieten sich Händler erdreisten, bringt auch eher kein Licht in meinen Tag.

Ich weiß warum ich Märkte eigentlich im Normalfall zum Kotzen finde und den Besuch wenn's geht vermeide.

[Edit:] Sorry. Bin zu oft gestanden und habe zu viele unfreundliche Dreckshammel gesehen.

... link  

 
Oh, ich liebe Märkte.

Und der Umstand, dass mich die Berliner Händler auch nach 9 Monaten Abwesenheit alle noch erkannten, deutet eher darauf hin, dass es eine gute Zeit mit mir war.

... link  


... comment
 
Nachdem sich dort die Meute um die Tabletts raufte, hatte ich mich auf die Salz & Pfeffer Streuer konzentriert. Nachdem ich noch mindestens sechs kleine Streuer brauche, bin ich beim nächsten mal wieder da (ausserdem konnte ich mich für Deine Expertise ja gar nicht revanchieren).

... link  

 
Vier Wochen warten und hoffen, das wird böse. Zum Glück bin ich am Tag davor in Berlin unterwegs. Wenn ich dann nicht pleite bin...

... link  

 
Da habe ich keine Befürchtungen, denn Du könntest mir dann immer noch Stauraum für kommende Schnäppchen vermieten.

... link  

 
Stimmt, wir haben auch noch ein Kellergewölbe, wo nichts drinnen ist ausser einem Brunnen, einem Grabstein und den handelsüblichen Leichen Spinnweben.

... link  

 
rebell auf dem antikmarkt
PROJEKTION a la cafehausmarxist:

1. ER will schnäppchen.
2. andere leider auch !
3. die angst zu kurz zu kommen und die scham über die eigene gier lässt nur folgendes szenario zu:
4. es muß um nichts weniger gehen als den kampf GUT gegen BÖSE !

die bösen: unsympathische dicke alte fromme csu-wählende apothekergattinnen, die kapitalistengleich den armen händler um einen ehrlichen preis bringen wollen.

der gute: ER, eben all das nicht, ER, dem es ja eigentlich um das GUTE, und nicht etwa um die WARE geht.

5. so rettet ER das (durch dank ausreichend patina von seiner vulgären luxusinsignienhaftigkeit bereinigte und damit nun ethisch korrekte) silber vor den BÖSEN und eine giergetriebene sonntagnachmittagsflohmarktheichtelei erstrahlt zu einer gewonnenen klassenkampfschlacht.

kompliment, don, kompliment !

... link  

 
Ich werde irgendwann Dir zuliebe ein Disclosure schreiben, wie unglaublich subjektiv das alles ist.

Obwohl, vielleicht halte ich Dich auch einfach für ein langweiliges Stück Kommentarmüll und lösche Dich.

Hm.

... link  

 
neuGIERIG, ich.

... link  

 
Irgendwie klingt das wie Bartlebys oder thomas-bernds kleiner Bruder.

... link  

 
Jetzt ist er gerade im Kindergarten, nehme ich an. Die haben noch kein Internet.

... link  


... comment