: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 8. Februar 2007

Elite

Als ich letzte Woche in Berlin gelesen habe, waren auch ein paar Geschichten über den sozialen Status meines Umfelds dabei. Einige Abende später war ich mit einer dort anwesenden Person essen, und die wollte wissen, ob das wirklich so ist. Die Antwort ist: Nein. Das Umfeld ist in Wirklichkeit nur halb so amüsant und mitunter dermassen banal, dass ich oft nicht weiss, wie ich das in eine Geschichte packen soll. Heute war es wieder so weit.



Das ist die Sohle eines Stiefels von Alberta Ferretti; eine Marke, die eifrigen Betrachterinnen von "Sex and the City" bestens bekannt sein dürfte. Es ist dunkelrotes Schlangenleder, der Preis war 566 Euro, wie auf der Schachtel zu lesen ist, und wie man an der Sohle sieht, ist die bisherige Besitzerin damit nur einmal auf und ab gegangen und hat sich einmal um 90 Grad vor dem Spiegel gedreht. Und dann gekauft.

Und danach nie mehr getragen. Heute hat sie sie faktisch weggeworfen. Oder, besser gesagt, mir mitgegeben, damit ich sie entsorge. Weil sie keinen Platz mehr hat.

Das ist die ganze Geschichte. Mehr gibt es nicht zu schreiben.

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Warum Vanity Fair scheitern wird

Wer wie ich aus dem reichen Westen und hier wiederum aus dem kommt, was man früher mal "bessere Gesellschaft" nannte und unter Zuhilfenahme höherer Töchter gezüchtet wurde, muss sich Vanity Fair nicht kaufen und noch nicht mal anschauen, um zu begreifen, warum das nichts werden kann. Denn diese Zeitschrift ist mit diversen Geburtsfehlern behaftet, und schlimmer: Schon die Gebährmutter ist der eigentliche Grund, warum man das Wechselbalg besser abgetrieben hätte, bevor man das Umfeld so restpektabler Punlikationen wie "Praline" und "Penthouse" mit so einem Produkt der Ahnungslosigkeit verdreckt.

Es geht um den Kopf des Ganzen, Herrn Poschardt, dem über die Tom-Kummer-Affaire gestürzten Ex-Chefredakteur des Tempo-Imitats SZ-Magazin. Ulf Poschardt wird Vanity Fair Deutschland zielgenau vor die Wand fahren. ich will mich hier nicht über die immer gleichen Versagerkreise auslassen, die von Verlag zu Verlag als "Hoffnungsträger" die Runde machen und die durch Praktiausbeute und Bestechung eingesammelten Gelder rausblasen, sondern lediglich darauf verweisen, woher Poschardt kommt, und warum es nichts werden kann.

Denn dieser Herr war schon länger in Berlin. Nicht nur in Berlin, sondern schlimmer: Beruflich im Springer-Hochhaus, als Creative Director von der Welt am Sonntag, einem Surrogat eines reaktionären und defizitären Provinzblatts, das mit seiner Autorenmischung aus Neoconnards, Lobbyleibeigenen, Contentdieben und banaleren Abschreibern so kreativ wie die Speisekarte des Dorfwirts "Zur Post" in Buxheim ist, dort, wo immer nich die Bilder der Kriegsgefallenen über dem Stammtisch hängen und der Daddelautomat Baujahr 1978 das zweitmodernste Einrichtungsstück nach der Glotze ist. Zur Ehrenrettung der "Post" - obwohl die Speisekarte sprachlich genauso eintönig ist, sind die Ergebnisse besser als bei der "Welt".

Aber noch nicht mal das würde den Sarg für die Vanity Fait zumachen. Es gibt was Schlimmeres als die Welt im Springerhochhaus. Das Böse ist ganz oben. Und wer dort gern hin will - das wollen alle bei Springer - bekommt den falschen Blick auf die Welt da draussen. Denn ganz oben sind die Repräsentationsräume von Axel C. Springer, die inzwischen liebevoll restauriert sind. Und wer öfters dort ist, gewöhnt sich daran und nimmt den Geist in sich auf. Das, meinen die Herrschaften, ist dann ein toller Raum, sowas will man erreichen, hoch über Berlin und sicher sehr teuer. Und dieser Blick, dieses Giftund dieses Ambiente von Axel C. Springer ist es, was Vanity Fair ruinieren wird, wie die Operettenkulisse des Republikpalastes die Optik der DDR-Bonzen krümmte.

Es ist nämlich so: Dieser bevorzugte Aufenthaltsort der Spinger-Oberen, die dort auf den Ledersofas lümmeln - ist aus Sicht der halbwegs modernen westlichen Elite das Gegenteil von angemessen. Die offen ausgestellten Sektkühler sind nur aus Blech und bei genauerem Hinsehen verbeult. Die Devotionalien des Hauses an den Wänden sind vergilbt, die Teppiche, die vorgeben, echte Perser zu sein, sind so echt wie die Mitgliederzahlen von StudiVZ ohne Abzug von Fakes, Ficksuchern und politschen Extremisten. Das Ding da oben soll gediegen wirken, sah aber aus wie ein Neureichentraum aus den 60er-Jahren, der vor allem einer nicht existierenden Legitimierung gewidmet war. Heute wirkt er wie eine B-Pornokulisse, schäbig, billig, ein englischer Pseudoclubb in einem hässlichen Hochhaus, definitiv nicht vorzeigbar und für Eliten des Westens allenfalls ein Kopfschütteln wert. Es mag Ausnahmen geben in retardierten Regionen bei Mittelständlern, die posche Blondinen heiraten, aber unsereins ist nicht erklärbar, wie es jemand ernsthaft in so einem Umfeld aushalten kann, ohne nicht nach dem 5 Besuchen an giftigen Bemwerkungen zu ersticken.

Der Umstand, dass dieser Herr in Berlin da inzwischen seine eigene Redaktion mit reinem Weiss, der Gründerzeit-Holzvertäfelung der 90er Jahre ausgestattet hat, zeigt nur, wie er selbst die Lektion von Axel C. Springer und seinem Holzloch über der Stadt verinnerlicht hat. Damit lönnte der Herr vielleicht eine weitere prima Gossenzeitschrift machen, aber die Elite des Westens erreicht er damit nicht, und die lobbypolitische Nichtelite des Slums Berlin hält sich schon ein rechtes Schmarrnblatt namens "Cicero". Die Distinktion der begehrten Gruppe schliesst die Poschardts dieser Welt aus, die sich deshalb mit B-Promis begnügen müssen und damit den Weg auf die Friseurswartetische der Republik antreten. Aber genau das wiederum verschreckt auch den nach oben orientierten Sachbearbeiter. Das ist schlecht für das Niveau der Leserschaft, und das wiederum macht die Zeitschrift zum Kombi-Ladenhüter beim Anzeigenverkauf, und das wiederum...

Nun, zum Glück sind die Folgen dann mal wieder die Probleme von Berlin, dieser Stadt, die glücklicherweise durch einen massiven Ruinengürtel von Kreisen abgeschirmt ist, die nicht wirklich zwingend ein Magazin über ihre Geselkschaft brauchen, denn man weiss ohnehin, was man wissen muss.

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