new rich

Wer eine Vorstellung von reichen Menschen bekommen will, muss sich die deutsche Architectural Digest kaufen, und ganz nach hinten blättern. Dort versammelt eine eigen Kategorie lausige Bilder von irgendwelchen Leuten, die auf irgendwelchen Empfängen von Designfirmen oder Luxusmarken herumstehen. Das genau Gegenteil davon - das ist die typische Erscheinungsform von Reichtum in Deutschland. Und das ist auch der Grund, warum Park Avenue, Vanity Fair und Rich hierzulande nie akzeptiert werden: Weil sie das Publikum im Auge haben, das sich bei derartigen Events ablichten lässt.

Das grundlegende Missverständnis beginnt schon in der Person der Zeitschriftenmacher. Die Leute, die sich mit den modernen Schimmerloses abgeben, haben zwar mitunter Geld, aber gerade dieses Suchen von Mediennähe existiert nur in einem sehr kleinen Bereich dessen, was man als "Oberschicht" definieren könnte. Es gibt tatsächlich Leute, für die ein Besuch der AD, oder nich schlimmer, Elle Decoration, die Erfüllung darstellt. Aber das sind Ausnahmen. Und ganz sicher nichts, worauf man ein Geschäftsmodell der Luxusanzeigen und darauf folgender Verkäufe aufbauen kann.



Denn das Ausgeben von Geld - interessiert in diesen Kreisen normalerweise nicht. Was interessiert, ist das Behalten und Erwerben weiteren Geldes. In Bayern sagt man "von den reichen Leuten kann man das sparen lernen" - und ich kann das angesichts der Erfahrungen aus meinem Umfeld nur bestätigen. Übermässiges Geldverschwenden ist geradezu ein Zeichen von Leuten, die sich den Besitz jeden Tag aufs Neue beweisen müssen; dem Herrn K., dessen Katze ab und zu durch den Garten meiner Eltern strolcht, reicht seine inzwischen über 20 Jahre alte S-Klasse immer noch. Und Herr K. ist ganz sicher einer von denen, die die erwähnten Magazine im Auge hätten - wüssten sie überhaupt, dass es ihn gibt.

Das heisst nicht, dass man den Reichtum gezielt verbirgt. Er ist nur für die Welt der Glitzeranzeigen schwer erreichbar. Und er bedarf dieser Texte nicht: Kein Mensch muss sich von einem Magazin sagen lassen, wie man eine Dinnerparty organisiert. Zum einem macht man in Deutschland keine Dinnerparties, man lädt ein. Zum anderen lernt man das in diesen Kreisen schon als Kind, inclusive des Essens mit Büchern unter den Armen und des Einschenkens. Wer reich ist und das nicht als Kind lernte, den kann die Parvenüpresse gern abfüttern, mit bein paar französischen Austern und was man sonst noch in der Designerküche mit frei stehendem Herd so macht. Dort redet man vielleicht auch über die neuesten Modetrends aus Mailand und die teuersten Wellnessoasen im indischen Ozean, weil man sonst kein Thema hat.

Ich will nicht sagen, dass reiche Menschen nicht für bedrucktes Papier empfänglich sind. Aber der Coffeetable der Reichen ist in aller Regel reserviert für Bücher, und nicht für Pseudoheftchen. Die drei Euro, die eine World of Interior mehr als die grauenvolle AD Deutsch kostet, haben diese Leute meistens übrig. Und wer meint, sich jedes Jahr die neueste Komplikation von Patek in die Vitrine legen zu müssen, hält sich als Kenner entweder eine Spezialzeitschrift, oder liefert als Verschwender mittelfristig die Notverkäufe der Gebrauchtschmuckhändler am Viktualienmarkt.

Mittelfristig werden sich die Luxusmarken fragen, wieso sie eigentlich noch die Johurnaille bezahlen sollen, wenn sie mit dem Internet selbst Begehrlichkeit wecken können. Für den Preis einer Anzeigenseite kann man einen famosen Autoren auch drei Monate lang Geschichten über die eigene Welt schreiben lassen, und ihm einen Photographen mitgeben, den man virtuell nicht einfach überblättert. Das ist dann zwar immer noch PR, aber dennoch ehrlicher als ein Gefälligkeitsgeschmier, das seine Zunge nie so fein wird spalten können, um all den begehrten Zielgruppen gleichermass den Staub von den Schuhen zu lecken.

Nachtrag: Der Anlass dieses Beitrags war das unbestätigte Gerücht, Vanity Fair würde demnächst zu einer 14-tägigen Erscheinung aus Berlin werden. Und wie es gerade durchsickerte, wird es im August tatsächlich nur zwei Hefte und zwei Sonderhefte geben - den Rest mag sich jeder selbst denken,

Dienstag, 3. Juli 2007, 00:14, von donalphons | |comment

 
Das ist wahr.

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Man würde Dir ja gerne zustimmen - aber ist denn *altes Geld* wirklich die Zielgruppe von Vanity Fair & Co. ?

Also ich meine ja mal irgendwo gelesen zu haben, daß man eigenlich die sehr gut verdienende obere Mittel-, die gerne Oberschicht wäre, anpeile.

Irgendein englischer "Gesellschaftsautor" schrieb mal, man solle "Schichten" immer eine Stufe höher ansprechen ... ;)

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Jaja, die Unsicheren, die Leitung und Anweisung suchen... börps. Die Männer lesen im Flieger die Bild und die "Reich werden in 14 Tagen", und für das weibliche Klientel ist der Griff zu den artgerechten Modezeitschriften immer noch sinnvoller, als Magazine, die beide Geschlechter ansprechen wollen. Und man muss schon sehr, hm, seltsam gepolt sein, ein Magazin rumliegen zu lassen, das angeblich nur Spitzenverdiener haben. Ich bin ja gespannt, ob die im Viertel meiner Eltern jemand bekommz; vermutlich ist das für die ein weisser Fleck auf der Landkarte.

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Luxusmarken Online-only?
Das seh ich mittelfristig eher nicht. Der Punkt ist, dass das indirekte Bezahlen von redaktionellen Inhalten über den Anzeigenpreis die gewünschte Aura schafft, die ein reines corporate publishing-Projekt (sei es Print oder Online) nun mal nicht liefert. Vielleicht ist das ja weniger sexy, eben weils der ehrlichere und einfachere Weg wäre. Glaub mir, es gibt auch seitens der Werbekundschaft durchaus den Wunsch, den schönen Schein aufrecht zu erhalten.

Das muss keinen abhalten, so ein Projekt zu machen. Aber kein vernünftiger Werbeleiter wird es deshalb komplett bleiben lassen, mit Anzeigengeld zu wedeln. Du hast ja "AD" angesprochen - guck Dir andere Condé-Nast-Blätter an: Kaum eine der Hochglanz-Postillen aus diesem Hause hatte in der Medienkrise nach 2001 mit sinkenden Anzeigenumsätzen zu kämpfen. So eine Maschinerie substutuierst Du nicht mal eben auf die Schnelle mit bisschen Internet-Geschreibsel mit Hochglanz-Gepixel drumrum.

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Nicht auf die Schnelle.
Aber es gibt durchaus Ansätze, die in eine andere Richtung gehen. Mercedes Mixtapes zum Beispiel. Oder die Lamborghini-Kundenzeitschrift. Da spielt der ganze Betreuungsbereich mit rein. Also nicht nur verkaufen, sondern als Kunden behalten. Ausserdem zum Nutzen anregen: Wer nicht kocht, braucht so schnell keinen neuen Herd. Und generell: Es ist furchtbar, aber vom Ikeakatalog lernen heisst da siegen lernen. Oder nicht ganz so brutal: Unopiu´.

Ansonsten: Ich habe gerade mit einigen Leuten zu tun, für die Einrichtungszeitschriften das A und O sind. Und da schlägt die Werbung inhaltlich die redaktionellen Teile oft um Längen. Einzige Ausnahmen: World of Interiors und Byzance. Ansonsten glaube ich nicht, dass es irgendetwas von der Wischiwaschischreibe gibt, das Luxusfirmen nicht besser könnten. Weil sie vermutlich sehr genau wissen, wen sie ansprechen müssen: Nicht zwingend das Umfeld, das sich mit einem Park-Avenue-Abo erwischen lässt.

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Sicher,
das Corporate Publishing als zentraler Baustein im Customer Relationship-Management, diese Fachwort-Monster in der einschlägigen B2B-Publizistik brüllen seit Jahr und Tag in dieser Tonart. Und Deine Beispiele sind ja stichhaltig.

Nur darf man eben nicht den klassischen Fehlschluss daraus ziehen, dabei ginge es darum, den anderen Kommunikationskanälen das Wasser abzugraben. Oder von der ganzen Klaviatur nur noch ein, zwei Oktaven zu spielen. Dass die redaktionellen Inhalte streckenweise nicht das Niveau der Werbung drumherum haben, liegt doch in der Natur der Sache. Das stört auch nicht wirklich. Es muss ja nur den Anschein erwecken, als habe es der Werbekunde nicht nach Maß kaufen können. Dass der Kunde selbst sich fähigere Lobhudler für seine Produkte leisten könnte, ist doch jedem klar.

Die Interessenslage von werbenden Unternehmen und dem medialen Komplex drumrum ist oftmals doch ein bisschen komplexer als man sich das gemeinhin vorstellt. Und gerade auf dem Hochpreis-Sektor leistet man sich gerne werbliche Streuverluste, die man wenn man es nur unter reinen Effizienz-Gesichtspunkten bewerten würde, für völlige Ressourcenverschwendung halten würde. Das alte Dilemma von Henry Ford, dem keiner mit letzer Sicherheit sagen konnte, welche Hälfte seiner Werbeausgaben denn nun rausgeschmissenes Geld sei, besteht auch weiterhin fort...

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Ich denke, die Kunden wollen ernst genommen werden, und das erreicht man mit CP nun mal besser als mit Werbung. Wobei das nicht immer einfach ist... ich habe am Freitag in München eine gewisse Zeit mit Handtaschenabhängigen verbracht, erst mal eine Vertreterin der koreanischen "Elite" und dann eine deutsche Vertreterin der "Funktionselite" - beide hatten eine LV-Tasche, aber die Geschichten und kulturellen Zwänge dahinter sind extrem unterschiedlich. In Deutschland ist es den Kundinnen bewusst, dass schon die Herzogin von Windsor dort kaufte, in Korea ist es ihnen bewusst, dass ihre Freundinnen sowas haben. Werbung ist da der grosse Gleichmacher, aber ich glaube, CP könnte da näher ran, wobei ich lieber den Job in Deutschland machen würde als in Korea.

Und wie Werbung funktioniert... vor vier Jahren gab es eine D&G-Werbung, wo man die Modelle auf einem Perserteppich präsentierte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Perserteppiche in der AD vollkommen unvorstellbar, der Inbegriff der Spiessigkeit, aber nach 2 Jahren hatte sich das komplett geändert, weil D&G zeigte, dass es wieder geht. Die D&G-Kampagne an sich war dagegen nicht der Hit für die Firma. Mit CP könnte man wenigstens dynamischer reagieren und sowas ausbauen oder kontrollieren. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ausser der Werbebranche eh keiner mehr an Werbung glaubt.

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Zum Nachtrag:
Das VF-Problem ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit einem Problem der Luxusgüterwerbung. Da bringst Du womöglich ein paar Sachen zusammen, die ursächlich eher wenig miteinander zu tun haben. Kern des VF-Problems ist doch, dass der Titel weder in der Masse noch in der Klasse die erhoffte Transportleistung bringt. Ich denke auch nicht, dass VF von vornherein als Luxustitel angelegt war. Dann hätte man das nicht nur inhaltlich anders anlegen müssen, sondern auch erst gar nicht anfangen dürfen mit einem Copypreis von einem Euro.

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Vllt. gibt es hier einen Experten, der Genaueres über die Positionierung der Vanity Fair sagen kann- in meinen Augen eine Mischung aus Focus, Bunte und Vogue.

ME wird die "strebsame", besserverdienende Mittelschicht angepeilt.

Und außerdem ist @Don ein Snob. :)

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Ich glaube schon, dass die ein gewisses Niveau erreichen wollten, aber das geht in Berlin nicht, da bekommt man kein gefühl für die Zielgruppe. Ohnehin: Was ist das für eine Idee von Conde Nast, weg aus München zu gehen und dann noch diesen Chefredakteur zu holen, der von der Welt kommt? Und für was soll man da drin werben, wenn nicht Luxus oder teure Produkte?

Ich glaube durchaus, dass man die fragliche Zielgruppe und all die unten dran hängenden Möchtegerns erreichen kann. Und auch erreichen muss, denn das sind die letzten, die Print abbestellen. Aber nicht so, wie VF mit einer miesen Kopie des US-Originals das versucht hat.

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Den Gedanken mit der Zielgruppe, die nicht in Berlin zu erreichen ist, finde ich interessant.

Es ist schon bemerkenswert, daß das polit. Zentrum Deutschlands, das auch zum (pop-?)kulturellen Nabel werden soll, in der Tat "kaum" wirkliche Oberschicht und deren Einfluß hat.

Die "Frontstadt" West-Berlin plus Funktionärograd OstBerlin haben eine "klassische" Kultur- und Wirtschaftselite nicht entstehen lassen... :)

Und ein großer Teil der vorhandenen ostdeutschen (Kultur- und Wissenschafts-)Elite denkt gar nicht daran, Gewandhaus oder Zwinger für *Groß, Laut und Schmutzig* zu verlassen. :)

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Was ich an Westberliner Oberschicht erleben durfte, hat sich in den letzten 20 Jahren nicht im Mindesten geändert. Altwestberlin ist eine Art versiffte Galapagosinsel, und Lummer ist immer noch der Idol einer "Elite", die hauptsächlich das Abkassieren von Beihilfen als Geschäft begreift. Mit Westen hat das absolut nichts zu tun, und es ist falsch, sich an diesem Umfeld zu orientieren.

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ja, ist doch prima, dass berlin der arsch der republik ist, egal wie oft der bürgermeister erzählt, seine stadt sei sexy - sowas ist doch pervers, aber hauptsache, den berlinern gefällts.

nicxht auszuhalten, wenn berlin für den rest der republik das wäre, was paris für die andere republik ist.

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liest das alte geld eigentlich? ich dachte immer, die lassen lesen, wenn überhaupt.

ansonten wirs das halt so sein wie mit der bunten, die, über die da geschrieben wird, brauchen den mist auch nicht mehr zu lesen, das ist was fürs personal, aber die brauchen das auch nicht, weil die die herrschaften aus der nächsten nähe kennen. bleibt also der pöbel, den man in diesen kreise verachtet, der aber zum distinktionsgewinn unbedingt notwendig ist.

und wenn auch das träumen neuerdings nicht mehr hilft: schöner leben sieht beispielsweise so aus:

in einer schönen alten universitätsstadt, in bayern besipielweise, im schwäbischen von mir aus auch (weil, da lebt sichs doch so angenehm wie sonst nirgends und ich kenne einen, der kann euch das beweisen. aber: gott ist langmütig und gerecht, deshalb hat er die bayern erschaffen und die schwaben erst recht), zu wohnen, in einem alten stadtpalais beispielsweise, einem mit geschichte und einer kleinen bibliothek (bloss eben mal so 20.000 bände, ist nicht viel, jeder gute handwerker schätzt gutes werkzeug) mit ausreichend mitteln, um als privatgelehrter seinen neigungen zu leben. alle woche oder zweite ist jour fixe, jeder, der dort auf sich hält, möchte da eingeladen sein, weil dort, in dem alten stadpalais sich eben die leute treffen, die nicht nur interesssant zu erzählen, sondern die auch etwas vernünftiges zu sagen wissen. so stelle ich mir eigentlich das gute leben im allgemeinen und das lesen lassen im besonderen vor.

bloss haben die mit wirklich altem vermögen an dessen mehrung soviel zu tun, dass da leider nichts mit hausmusik und salon ist. schade eigentlich. aber doch auch schön zu wissen, dass es schönes gibt, das hat man oder man hats nicht, aber zu kaufen gibts das nicht.

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Schön wär´s.
Aber ich kenne leider keinen, der diesem Ideal entspricht. Nein halt, ich kenne einen. Äh zwei. Aber nur einer der beiden hat ein wirklich schickes Leben und gibt keine traurige Figur als Teilzeitinvestor ab. Dafür muss er sich aber mit der Forstverwaltung rumschlagen. Alles nicht so einfach, das. Kein Stadtpalast, aber eine Burg und ein Schloss und zwei Höfe in einer Gegend, wo ich nicht sein wollte. Und die Gäste sind da auf dem Land, hm, so als Städter gesehen, strange.

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