Heimat. Jetzt noch besser.

Immer, wenn es mir hier zu gut ging, wenn ich meinte, dass die Provinz ja doch was Nettes hat, dass man es hier schon länger aushalten kann und ein mittelfristiger Verbleib über ein, zwei Jahre nichts Schlimmes an sich hat, immer also, wenn ich anfing, mich hier irgendwie zu Hause zu fühlen, musste ich nur zu meinen Eltern radeln, die draussen vor der Stadt eigentlich mitsamt Katzen ein weiterer Grund sind, sich hier gut zu fühlen. Meine Eltern nämlich haben ein Abo des hiesigen pechschwarzen Drecksblatts, ein widerliches Ding provinzieller Verstocktheit, politisch CSU-hörig wie der Bayernkurier und von grenzenloser Dummheit in der Darstellung des lokalen Vereinslebens, einen miserablen Internetauftritt, ein höchst unerfreuliches Benehmen gegen alles und jeden, die versuchen, am allumfassenden Lokalblattradiofernsehenmonopol zu kratzen, und aus den Zeiten, da mein Vater beruflich noch aktiv war, weiss ich auch um die journalistische Unabhängigkeit dieses Dings.

Beim Kruzifixstreit druckte dieses Ding eine ganze Seite empörter Leserbriefe ab, nur der meinige fand das Abhängen der Folterinstrumente in Ordnung, und der war auch noch sinnentstellend gekürzt. Über Jahre förderte dieses Blatt, dessen Entstehung in der Nazizeit und der Übergang in die BRD ein ganz besonderes Kapitel bundesdeutscher Mediengeschichte ist, Veröffentlichungen einer rechtsextremen "historischen" Gesellschaft, die sich unter anderem dem Versuch verschrieben hatte, den zweiten Weltkrieg den Russen anzulasten. Einmal hatten sie einen kritischen Journalisten in München - der wurde dann schnell von der CSU auf dem kurzen Dienstweg weggewünscht. Unvergessen auch ihr Engagement für den "Premiumstammtisch", der dieses Jahr forderte, den türkischstämmigen Niederbayern, der die Salvatorrede hielt, abzusägen. Kurz, wer hier gross wurde und nicht ganz verblödet war, hasste dieses Schmarrnblatt, das in den letzten Jahren auch noch wenig erfreuliche Tarife bei Journalisten - besonders Photographen - durchsetzte. Mir sind meine Besucherzahlen hier im Blog vollkommen egal, aber das Wissen, dass ich auf meine Inhalte mehr Page Impressions habe als die mit ihrem durchgereichten dpa- und Lokaltrash, war immer Anlass zur Zufriedenheit. Und dieses Ding bei meinen Eltern zu sehen bedeutete, sofort wieder zu wissen, dass ich hier in diesem Sumpf, dessen Ausdruck dieses übelriechende Stück Textschmiere ist, ganz sicher nicht bleiben werde.

Und nun hat diese Zeitung in einer wirklich spektakulären Aktion gegen die Vorratsdatenspeicherung alle anderen Medien der Republik beschämt.

Chrhrgsss.

Aber jetzt kommt das Wochenende, und am Montag werden sie wieder über die Deppen schreiben, die sich besoffen auf der B13 vom Alpenmax oder auf der A9 vom Tanzhaus A9 auf dem Weg in den Club Venus derrannt haben, von der Fahnenweihe in einem der vielen grotesken Wallfahrtsorte dieser Region, und die fettig glänzenden Fressen unserer hässlichen Politchargen abdrucken, dazu noch die üblichen Umfrage der fetten Provinznixchecker, die am Ende alles so gut finden, wie es ist, und alle sind sie zufrieden und ich weiss wieder, dass ich hier nur verrecke, wenn diese Provinz auch dabei drauf geht.

Samstag, 10. November 2007, 00:24, von donalphons | |comment

 
Nun, leider hat dieses zugegebenermaßen erzkonservative Medium nicht nur in seiner letzten Wochenendausgabe die anderen Medien der Republik beschämt - sie zogen es in fundierten Artikeln zum Thema sowie die Woche über in 1/1-Seitigen Kampagnenanzeigen in eigener Sache weiter durch.

Und was tat der Rest der Medienlandschaft?
Nichts.

Du berichtest heute darüber, obwohl die Kampagne vor 6 Tagen startete.
Und empörst Dich darüber dass sie - Deiner Vermutung nach, die WE-Ausgabe ist noch nicht draussen - nach 6 Tagen wieder einschlafen lassen?

Nachdem sonst _keiner_ mitgemacht hat?

traurig...

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Ich bin hier aufgewachsen. Ich komme von hier. Dieses Blatt hat mein Leben begleitet, und auch, wenn ich viel vergessen habe, so weiss ich immer noch genug um zu begreifen, dass sie, nur weil sie einmal für etwas Richtiges eintreten, in irgendeiner Art und Weise anders sind. Ich kenne ihre Argumentation während der Asyldebatte, als am Auwaldsee Feuer war, ich kenne die Genese gewisser "Widerstandskämpfer", ich kenne die erbärmliche Geltungssucht, wenn der Konzertverein einen berühmten Pianisten zum Runterklimpern seiner Standards herholt, die Geschichten rund um die Causa Megapetrol, sie sind der Feind, genauso wie Gauweiler auch der Feind ist, selbst wenn er diesmal anders abgestimmt hat.

Und ich berichte nicht über die Kampagne dieser Zeitung. Ich berichte über meine Heimat, die das Unglück hat, von diesem Medienkonzern monopolartig beherrscht zu werden, der jetzt einmal was Ungewöhnliches macht. Dass gerade sie es allein waren, ist nur eine Vergrösserung der Schande für andere.

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Will sagen: Der Laden beweise mal, dass er anders geworden ist, und fange an, wieder mehr zu zahlen als 15 (?, das vernahm ich letztes Jahr) Euro pro Bild, und er bringe im Lokalradio was anderes als diese grenzenlose Verblödung - und arbeite mal seine eigene Geschichte auf, da gab es früher ja noch andere Zeitungen, vor 33, nicht wahr, und dann können wir reden. Keine Sekunde früher.

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Mich wundert sowieso, dass die JournaJungs und Mädels heuer so "ruhig" geblieben sind. Denn gerade sie sind es, die in Zukunft mächtig leiden werden. Warum? Weil ihnen die Informanten weglaufen werden. Ich habe vor einiger Zeit im Auslandsspiegel einem belgischen Journalisten zugehört (da gibt es die VDSpeicherung seit zwei Jahren), der sich bitterlich beklagte, dass ihm die ganzen Informanten abspringen, und allgemein kaum noch jemand ausserhalb der üblichen PR-Termine mit ihm fernmündlich oder per E-Mail reden will. Denn wie schnell kommt denn der Abgeordnete B unter Verdacht, wenn bei Partei C das Geheimnis D ausgeplaudert wird? Selbst wenn B es nicht getan hat, aber 3-mal (über Kuchenrezepte) mit Journalist E geredet hat...
Neben dem Generalverdacht eine weitere schöne Auswirkung des Gesetzes. Die doofen Medien werden (noch) unkritischer...

bravo.

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Immerhin geschwärzt
Wenigstens sind sie der Hausfarbe Schwarz treugeblieben, die ja im Druck gerne ins bräunliche abschweift. Na ja, Weiß hätte im Druck auch etwas bräunlich ausgesehen.

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