: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 4. September 2004

Real Life 2.9.04 - Alles so sauber hier

Es gibt nur zwei Stockwerke. Es gibt keine Grafittis; es gibt noch nicht mal passende Wände dafür, denn die Fronten sind aus Glas, und davor sind grosse Gärten, Mauern und hohe Bäume. Wenn man nicht drin war, kann man es nur von der Strasse aus erahnen. Manchmal stirbt jemand, dann gibt es ein grosses Begräbnis mit den Honoratioren, und das Haus wird verkauft, an Leute, die es dann komplett nach ihren Wünschen umbauen lassen. Viele Häuser sind noch zu einer Zeit gebaut worden, als ein Pool im Keller noch nicht sein musste, und auch Doppelgaragen sind nicht mehr Stand der Familien- und Automobilplanung.

Alle Strassen sind verkehrsberuhigt, und so angelegt, dass niemand rasen kann. Nirgendwo gibt es mehr Spielstrassen, und auch sonst ist praktisch kaum Verkehr. Die Leute kennen und grüssen sich, wenn sie am Morgen die Zeitung holen. Wer in die Stadt fährt, bringt den anderen frische Brötchen mit. Geschäfte gibt es hier nicht, die würden auch nur stören. Allenfalls das Röhren des Schulbusses, der nie mehr als halb voll wird, stört manchmal die Idylle. Inzwischen ist man hier nach langem Zögern dazu übergegangen, Hauspersonal einzustellen. In Strassenabschnitten teilt man Gärtner, Haushaltsgehilfinnen, Köchinnen und sonstige hilfreiche Hände, die in den überwucherten Gärten und nippesverseuchten Räumen für Ordnung sorgen, während man am Springbrunnen Tee trinkt. Hier ist alles sauber, zufrieden und krisensicher. Hartz IV ist nicht nur kein Thema, es existiert einfach nicht.

Und wenn ich nicht ein paar Mal noch etwas weiter im Westen gewesen wäre, am Rand der Stadt vor dem Golfplatz, wo das städtische Klinikum ist, in diesen völlig unfassbaren Nächten, wo Freunde tschüss sagten und Schönes Leben noch meinten, weil sie sich dann zu Hause in dieses Viertel fuhren, und sich ohne jeden Grund aus dem perfekten Leben in Wohlstand und Zufriedenheit bomben wollten, wenn ich das alles nicht in diesen hedonistischen frühen 90er Jahren erlebt hätte, würde ich vielleicht etwas unbedarfter diese schmale, geschwungene Strasse hinaus in das kleine, hübsche Wohngebiet fahren, wo kaum ein Haus unter 200 Quadratmeter hat und die Katzen auf der Strasse voller Zuversicht liegen bleiben, wenn sie einen der hier typischen 6- bis 12-Zylindermotoren kommen hören.

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Prestige-Platte

Ein weggeworfener und verrottender Fernseher bringt es nie über einen Meter Höhe. Etwa drei Meter über dem Boden endet meistens die illegale Beschmutzung von Gebäuden durch Grafitti.



Darüber beginnt die Verschmutzung des Luftraumes mit Gebäuden. Nur wenige wollen hier wohnen. Die meisten haben wenig Alternativen.

Ich schon. Ab heute Bayern.

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