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Sonntag, 26. September 2004
Real Life 26.09.04 - BoD (Breit on Demand)
Das Oktoberfest macht aus München einen beschissenen Ort. Um auf der nach oben offenen Unerträglichkeitsskala was entgegensetzen zu können, veranstaltet Berlin ein Literaturfestival, während dessen Laufzeit man am besten verreisen sollte. Nach Cottbus zum Beispiel. Irgendwer meinte, dass auch Gelsenkirchen Ende September im Regen und Nebel sehr reizvoll sein soll.
Ein Ex-Münchner Bekannter aus der Verlagsszene hatte in seinem Haus die Arschlochkarte gezogen und musste einen stotternden, äh-lallenden Hirnfickpornographen (HFP) durch ein Programm schleusen, das drei Dutzend Geriatrieinsassen begeistert hatte. Der HFP unterschrieb säuerlich die Taschenbuchausgaben seiner Werke aus den späten 70ies, die sein Klüngel unter den Kukidentgläsern hervorgezogen und mitgebracht hatten, verschwand im Hotel, und am nächsten Morgen im Zug Richtung Westen. Mein Bekannter, der mir von dieser Pleite erzählte, bleibt noch bis Montag, und so trafen wir uns kurzentschlossen im Ein Euro Cafe, so heisst das glaub ich, in der Veteranenstrasse.
Nicht zum Aufreissen, natürlich. Verlagsmitarbeiter und Autoren lernen schnel und blutig, dass es nichts Grauenvolleres gibt als potenzielle Bettgeschichten, die sich im Vorfeld präventiv als eine Kreuzung der literarisch unterdrückten Frauen von Brecht, Sartre und Fitzgerald aufführen. Nur falls sich das werte Publikum wundern sollte, warum Schriftsteller so oft Stammgäste in Bordellen sind und so viele Dialer auf dem Rechner haben.
Jedenfalls, mein Freund hatte schon erheblich den ein oder anderen sitzen, als ich ihn traf. Der HFP hatte auf zwei Mahlzeiten verzichtet, was hier für einen ordentlichen Affen auf Spesen für ihn und die beiden Mädchen, die neben ihm sassen, gereicht hätte. Er konnte meine beiden Namen halbwegs korrekt aussprechen, die Namen seiner Begleiterinnen hatte er schon wieder vergessen. Auf den ersten Blick buchinteressierte Germanistikirgendwasse im 12-x. Semester, und zwar aus der handfesten Creative-Writing Ecke, irgendwie ziemlich prägnant im Ausdruck, was meinereins im normalen Gespräch nur dann hinbekommt, wenn er schnöselig ist.
Trotz Alohohl war mein Freund noch so zurechnungsfähig, sich keine Möchtegern-Autorin mit 40 unveröffentlichten Kurzgeschichten über Berlin Mitte und einem ihres Erachtens bestsellerverdächtigen Romanfragment rausgesucht zu haben. Er hatte eine, wie sie sich später nannte, Kollegin von mir aufgetan, und ihre Bewunderin, sprich, eine Schriftstellerin mitsamt Privatgroupie. Das Privatgroupie soff die Spesen meines Freundes weg, und meine Kollegin machte das, was alle Kollegen tun, wenn sie nicht gerade auf meinen Verleger schimpfen, der im übrigen ein wunderbarer Verleger ist: Sie zog über den Betrieb her, den sie mit ihrem Debutband jetzt rocken würde. Hey, in Frankfurt ist sie auch, am Stand, gibt Interviews und so, und ich begann mich zu fragen, ob ich in den letzten Wochen was verpasst hatte, irgendwie kenne beruflich ich die meisten Verlagsprogramme, die Debutanten schaue ich mir meistens an, komisch das.
Sie macht Kuzgeschichten. Ah ja. Weil das die wahre Kunst ist, etwas zu sagen, ohne es zu schreiben, und das in so knapper Form, dass die Geschichte einen Roman enthält, und das ist das Leben. Darauf kommt es an. Ah ja, sagte ich und dachte mir, hey, die muss heute eine ganze Radisch gesfrühstückt haben, oder zumindest einen ergrauten Lietraturprof.
Und wenn das jetzt erst mal in den nächsten Tagen kommt, bewirbt sie sich damit auf Stipendien, und ich fragte sie ganz unschuldig, wie denn da die Unterstützung vom Verlag ist, weil, soweit mir bekannt, dessen Netzwerk da wohl ziemlich wichtig ist, aber sie meinte, das braucht sie nicht. Dazu ist der Verlag nicht da, der soll das Buch machen, Rest macht sie, das will sie so und nicht anders, deshalb hat sie auch gar nicht lang gesucht sondern ist gleich zu BoD (book on Demand).
Ich schaute meinen Freund an, aber der schaute nur sein Glas an. Das 5. oder 6. Bier, da wird einem so ziemlich alles egal, vermutlich, aber sie plapperte schon weiter, dass das mit der Pressearbeit auch locker allein geht, sie kennt ja so viele Leute hier in Berlin, die sind alle schon ganz gespannt auf das Buch, und dann drehte sie Richtung Inhaltsangabe und präsentiert mir tiefgehendes Gedankenwerk hinter ihren Geschichten, irgendwo zwischen von Kürthy, SATC und Judith Hermann angesiedelt, aber eben alles zusammen und doch weitaus mehr. Ich machte ein paar leicht sarkastische Bemerkungen, und sie ging über mit dem Zartgefühl eines Abrahm-Panzers darüber hinweg.
Wie sieht das eigentlich mit den Vorbestellern in den Buchhandlungen aus, versuchte ich es nochmal. Irgenwo musste da doch ein Stecker sein, irgendwas, das so einen minimalen Zweifel erweckte...
Das wird schon, meinte sie mit dem Selbstbewusstsein eines zugekoksten Art Directors, weil ja inzwischen BoD von den Händlern zurückgeschickt werden kann, dann nehmen die das auch.
Irgendwie muss mir heute ganz mieses Karma aus den Knopflöchern gespritzt sein, denn sie stand ziemlich unvermittelt auf und verkündete, dass sie jetzt ginge, und ob die anderen noch mitkommen. Mein Freund rappelte sich auf, meinte was, dass wir morgen, ne heute nochmal telefonieren, und übersah meinen fragenden Blick. Ab nach draussen, sie Richtung Hotel, ich Richtung nach Hause. Allein. In dieser bitterkalten Frühwinternacht.
Das kann ja heiter werden, in Frankfurt.
Ein Ex-Münchner Bekannter aus der Verlagsszene hatte in seinem Haus die Arschlochkarte gezogen und musste einen stotternden, äh-lallenden Hirnfickpornographen (HFP) durch ein Programm schleusen, das drei Dutzend Geriatrieinsassen begeistert hatte. Der HFP unterschrieb säuerlich die Taschenbuchausgaben seiner Werke aus den späten 70ies, die sein Klüngel unter den Kukidentgläsern hervorgezogen und mitgebracht hatten, verschwand im Hotel, und am nächsten Morgen im Zug Richtung Westen. Mein Bekannter, der mir von dieser Pleite erzählte, bleibt noch bis Montag, und so trafen wir uns kurzentschlossen im Ein Euro Cafe, so heisst das glaub ich, in der Veteranenstrasse.
Nicht zum Aufreissen, natürlich. Verlagsmitarbeiter und Autoren lernen schnel und blutig, dass es nichts Grauenvolleres gibt als potenzielle Bettgeschichten, die sich im Vorfeld präventiv als eine Kreuzung der literarisch unterdrückten Frauen von Brecht, Sartre und Fitzgerald aufführen. Nur falls sich das werte Publikum wundern sollte, warum Schriftsteller so oft Stammgäste in Bordellen sind und so viele Dialer auf dem Rechner haben.
Jedenfalls, mein Freund hatte schon erheblich den ein oder anderen sitzen, als ich ihn traf. Der HFP hatte auf zwei Mahlzeiten verzichtet, was hier für einen ordentlichen Affen auf Spesen für ihn und die beiden Mädchen, die neben ihm sassen, gereicht hätte. Er konnte meine beiden Namen halbwegs korrekt aussprechen, die Namen seiner Begleiterinnen hatte er schon wieder vergessen. Auf den ersten Blick buchinteressierte Germanistikirgendwasse im 12-x. Semester, und zwar aus der handfesten Creative-Writing Ecke, irgendwie ziemlich prägnant im Ausdruck, was meinereins im normalen Gespräch nur dann hinbekommt, wenn er schnöselig ist.
Trotz Alohohl war mein Freund noch so zurechnungsfähig, sich keine Möchtegern-Autorin mit 40 unveröffentlichten Kurzgeschichten über Berlin Mitte und einem ihres Erachtens bestsellerverdächtigen Romanfragment rausgesucht zu haben. Er hatte eine, wie sie sich später nannte, Kollegin von mir aufgetan, und ihre Bewunderin, sprich, eine Schriftstellerin mitsamt Privatgroupie. Das Privatgroupie soff die Spesen meines Freundes weg, und meine Kollegin machte das, was alle Kollegen tun, wenn sie nicht gerade auf meinen Verleger schimpfen, der im übrigen ein wunderbarer Verleger ist: Sie zog über den Betrieb her, den sie mit ihrem Debutband jetzt rocken würde. Hey, in Frankfurt ist sie auch, am Stand, gibt Interviews und so, und ich begann mich zu fragen, ob ich in den letzten Wochen was verpasst hatte, irgendwie kenne beruflich ich die meisten Verlagsprogramme, die Debutanten schaue ich mir meistens an, komisch das.
Sie macht Kuzgeschichten. Ah ja. Weil das die wahre Kunst ist, etwas zu sagen, ohne es zu schreiben, und das in so knapper Form, dass die Geschichte einen Roman enthält, und das ist das Leben. Darauf kommt es an. Ah ja, sagte ich und dachte mir, hey, die muss heute eine ganze Radisch gesfrühstückt haben, oder zumindest einen ergrauten Lietraturprof.
Und wenn das jetzt erst mal in den nächsten Tagen kommt, bewirbt sie sich damit auf Stipendien, und ich fragte sie ganz unschuldig, wie denn da die Unterstützung vom Verlag ist, weil, soweit mir bekannt, dessen Netzwerk da wohl ziemlich wichtig ist, aber sie meinte, das braucht sie nicht. Dazu ist der Verlag nicht da, der soll das Buch machen, Rest macht sie, das will sie so und nicht anders, deshalb hat sie auch gar nicht lang gesucht sondern ist gleich zu BoD (book on Demand).
Ich schaute meinen Freund an, aber der schaute nur sein Glas an. Das 5. oder 6. Bier, da wird einem so ziemlich alles egal, vermutlich, aber sie plapperte schon weiter, dass das mit der Pressearbeit auch locker allein geht, sie kennt ja so viele Leute hier in Berlin, die sind alle schon ganz gespannt auf das Buch, und dann drehte sie Richtung Inhaltsangabe und präsentiert mir tiefgehendes Gedankenwerk hinter ihren Geschichten, irgendwo zwischen von Kürthy, SATC und Judith Hermann angesiedelt, aber eben alles zusammen und doch weitaus mehr. Ich machte ein paar leicht sarkastische Bemerkungen, und sie ging über mit dem Zartgefühl eines Abrahm-Panzers darüber hinweg.
Wie sieht das eigentlich mit den Vorbestellern in den Buchhandlungen aus, versuchte ich es nochmal. Irgenwo musste da doch ein Stecker sein, irgendwas, das so einen minimalen Zweifel erweckte...
Das wird schon, meinte sie mit dem Selbstbewusstsein eines zugekoksten Art Directors, weil ja inzwischen BoD von den Händlern zurückgeschickt werden kann, dann nehmen die das auch.
Irgendwie muss mir heute ganz mieses Karma aus den Knopflöchern gespritzt sein, denn sie stand ziemlich unvermittelt auf und verkündete, dass sie jetzt ginge, und ob die anderen noch mitkommen. Mein Freund rappelte sich auf, meinte was, dass wir morgen, ne heute nochmal telefonieren, und übersah meinen fragenden Blick. Ab nach draussen, sie Richtung Hotel, ich Richtung nach Hause. Allein. In dieser bitterkalten Frühwinternacht.
Das kann ja heiter werden, in Frankfurt.
donalphons, 07:01h
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