: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 17. November 2004

Final: Cydome kracht in sich zusammen

Am Ende hat nur noch Baumeister Pietroforte am Mauerwerk des IT- und Business-Bloggens gespachtelt, die anderen hatten sich schon abgeseilt und den Meissel abgegeben. Der vorletzte Eintrag nennt sich "Making Money" und dreht sich um die Frage, wie das mit Blogs gehen kann. Ich bin ja nur ein Depp, der keine Ahnung hat, aber zumindest hab ich begriffen, dass, wenn eine Redaktion auseinanderfällt und nichts mehr schreibt, mit Geld ebensowenig zu machen ist wie mit Ansprüchen vom "fachlich fundierten, seriösen Journalismus". Von "Gründer" Klaus Eck kommt, was die Einstellung angeht, nur PR-Sprech nach dem Motto, dass es ein sehr erfolgreiches Projekt war und sie über das weitere Vorgehen noch dieses Jahr entscheiden werden. Vielleicht entdecken sie ja doch noch die "Goldgrube", von der Eck auch schon mal sprach, und machen doch in der Hoffnung weiter, dass Bloghandwerk goldenen Boden hat.

Final: Cydome.de
Quelle: Eigenaussage
20six-BonbonsPunkte: 120

So, und jetzt clicke ich mich zu changex.de rüber und schaue mal, wie lang die mit ihrem neuartigen Paid Content überleben - nachdem das ja alles jahrelang frei zugänglich sein sollte (bis Infineon ausstieg aus dem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, glaub ich).

Update: Mutmasslich aufgeschreckt durch diesen Bericht, stopft "Gründer" Klaus Eck die Leiche CyDome mit zweitverwerteten Infobrocken aus seinem Hauptblog. Dave Kay zu dessen Ideen: "(örgs)" - da kann ich mich nur anschliessen.

... link (14 Kommentare)   ... comment


Eine Stunde

dauert es, wenn man auf der Autobahn von München an die Donau fährt, eingekeilt zwischen den üblichen Rasern in ihren dunkelgrauen BWM, der Landbevölkerung in den Mercedes-Limousinen und den rot/violett/mettalicblauen Kleinwägen ihres Nachwuchses, der tiefergelegt und verspoilert daran arbeitet, dass die ländliche Geburtenrate und in der Folge das Wahlvolk der CSU nicht unbegrenzt anwächst. Der Weg führt in ein paar Kilometern Entfernung vorbei an den sauber geputzten Trümmerfeldern der Hightech-Offensive, Gate Garching, Kirch, Siemens Center of E-Excellence, Martinsried, all diese Retortengeschwüre aus Glas und Beton, die die örtliche Bauwirtschaft reich und die Staatskassen arm gemacht haben. Dahinter, nach der ersten Hügelkette, wird Bayern wieder so, wie es eigentlich ist.



Schön nämlich. Besonders an einem Tag, an dem der Rest von Deutschland unter grauen Wolken liegt. Bayern hat den Föhn, und der putzt den Himmel bis an die Donau strahlend blau. Man kann blind auf der Autobahn weiterrasen, man kann aber auch runter und durch Dörfer fahren, in denen jedes Haus geputzt und bewohnt ist. Trümmerfelder wie im Osten wird man vergeblich suchen. Es gibt trotz Flurbereinigung noch viele Hecken, krumme Wege, schiefe Zäune und, hier und da, auch noch verwilderte Obstgärten im Grund von Tälern, in die nie ein Tourist kommt. Warum auch. Schweitenkirchen ist bestenfalls als Standort einer Grossraum-Disco bekannt, die das Umland mit DJs aus der Region namens Mike oder the Bull und Sekt von 10 bis 1 für die Damen gratis bedröhnt. Wer sich dort die Rübe zuknallt und am Ende doch keine Frau abkriegt, wird die Schönheit der sanft geschwungenen Landschaft kaum wahr nehmen.

Diese und andere Hügel, zwischen denen ich fast mein gesamtes Leben verbacht habe, sind das, was mir im Norden und Osten so fehlt. Nichts ist gerade, alles ist gebogen, unregelmässig, mäanernd-abschweifend, so wie die Leute, die einen mit einer doppelten Verneinung eine einfache Verneining mitteilen, etwa so: Des hob i no nie ned gheart - Das habe ich noch niemals nicht gehört. Das bekommt man zu hören, wenn man hier über so ziemlich alles spricht, über das es in diesem Blog sonst geht. Vor 5 Jahren, etwa zur gleichen Zeit, hatte eine Agentur mit Grosskunden wie Microsoft ganz hier in der Nähe auf einem Schloss eine Tagung abgehalten. Thema in etwa: Wie geht die New Economy nach dem Endsieg in drei Jahren mit den rauchenden Trümmern der nicht virtuellen Wirtschaft um. Man stand an den Fenstern auf dem Feldherrnhügel, blickte hinaus in diese Landschaft der Unwissenden, die nicht ahnten, was da im Schloss geplant wurde. Dieses Landvolk da unten mit seinen Viechern und den blumenbehängten Wagenrädern, oder den Wappen haltenden Löwen an der Einfahrt, das alles war Geschichte; kleine, zurückgebliebene Widerstandsnester, während global jetzt schon ein ganz anderer Takt vorgegeben wurde.

Die meisten im Schloss kamen aus der Stadt, und oft auch nicht aus Bayern. Ich sagte ihnen, dass es vielleicht doch nicht so einfach werden würde, dass das hier nicht die letzten Reste sind, sondern immer noch de Mehrarn, die Mehrheit, die ganz ganz grosse Mehrheit. Ich sagte, dass ich von hier komme, trotz der etwas angefremdeten Blicke, und ich erzählte ihnen vom Leben meiner Verwandten; von meinem Dad, dessen Typ eine Art Idealkunde in ihren Powerpoints war und der schlichtweg zu faul ist, sich mit einem technischen Gerät mit mehr als 3 Knöpfen auseinanderzusetzen. Worauf ein Ministeriumsvertreter sagte, der virtuelle Marktplatz Bayern werde auch das rapide ändern. Sie würden ja wollen, nur könnten sie noch nicht, aber die bayerische Staatsregierung würde auch das schaffen. Keiner von diesen schlichten, zum Aussterben oder Anpassen verdammten Gemüter war auf der Tagung, keiner im Dorf interessierte sich für den Auftrieb im Schloss, denn so Autos wie die da hat der hiesige Bauer auch; es sah auch nicht anders aus als bei einer Bauernhochzeit.



Ich habe gestern, mit den Umwegen über die Dörfer, drei Stunden gebraucht, und Bilder gemacht. Nichts hat sich verändert. Gestern Abend habe ich dann mal eine Stichprobe aus einem alten Verteiler mit Mails beschickt. Von 20 Mails kamen 16 zurück. Zwei von drei Mails, die an staatliche Stellen gingen, scheinen angekommen zu sein. Vielleicht, weil die Empfänger zwar wie die Typen in dem Schloss redeten, aber in Wirklichkeit ebenso apathisch wie die Kühe bei Schweitenkirchen sind. Was nicht das Schlechteste ist.

... link (37 Kommentare)   ... comment