: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 10. November 2004

Einer der letzten Boos

vor der Abschaltung von Dotcomtod war eine Meldung, bei der ich schon dachte: Weia... Da berichtete Tomorrow Focus zwar noch einen Verlust, aber die Gewinnschwelle werde jetzt ganz schnell erreicht. Dass da Tricks wie die Reinwurstelung der Playboy-Gewinne und die Aufträge aus dem eigenen Haus dabei sind, war klar, aber dennoch, nach so vielen Jahren als sicherer Boo-Lieferant wurde mir doch etwas bang um den Laden. So möchte man als Sentinel natürlich keinen Exit aus dem Wahrnehmungskreis erleben.

Doch es gibt gute Neuigkeiten! Entegegen der Erwartungen hat ToFo seinen Verlust erheblich ausbauen können, und das bei Umsatzwachstum. In den ersten drei Quartalen hat man im Vergleich zum Vorjahr den operativen Verlust um über 10% auf jetzt 2,9 Millionen Euro gesteigert, bei 35 Millionen Umsatz. Mal schaun, wann das nächste Mal von "Break Even" die Rede ist. Als Aktionär würde ich mir langsam etwas, hm, nicht wirklich zutreffend informiert fühlen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Real Life 10.11.04 - Loft

gewissermassen die private Ergänzung zum offiziellen Tagungsraum.

Das Angebot: 6. Stock, unverbaubare Aussicht, 120 Quadratmeter, Preis sehr, sehr günstig, auch wegen, könnte man sagen, Beziehungen. Der Blick wird einen umhauen, wurde versprochen.



Tat er auch. Lieber Hinterhof ganz ganz unten mit Barracke und drei Autowracks gegenüber, als diesen Berliner Himmel den ganzen Tag vor Augen. Ja, es gibt auch noch Sommer, ja, man sieht weit, aber was man sieht, ist über 7 Monate vor allem eine Wolkenstimmung wie bei einem Chlorgas-Angriff. So für sich betrachtet, ist der Berliner Himmel weitaus schlimmerals die Architektur, und die ist schon eine Katastrophe.

Man könnte den Raum individuell aufteilen, müsste man aber nicht, denn ich mag es grosszügig, es gibt 2 Balkons, aber da, wo ich jetzt bin und bleiben werde, stehen wenigstens Bäume vorne und hinten, die Wände sind hoch und die Dielen sind alt, und wenn ich nach oben sehe, sehe ich Kronleuchter und keine Löcher in der Decke, durch die der Berliner Himmel in all seiner Abartigkeit reingekrochen kommt.



Aber es findet sich sicher ein Jungdynamiker, dem das Hoch über Allem-Gefühl gefällt und die Dramatik der Wolken schätzt, wenn er mal die nötige Zeit hat, um bei Tageslicht aus dem Fenster zu sehen. Und der Raum wäre wirklich gut - ohne diese Stadt und ihren Himmel aussenrum.

Morgen fahre ich nach München.

... link (8 Kommentare)   ... comment


Real Life 09.11.04 - Bornholmer Strasse

Genau 15 Jahre später, zwischen 22.30 und 24 Uhr. Minolta Dimage S414, kein Blitz, kein Stativ, nur natürliche Ablagen, Blende 3,6, Belichtungszeit 2 bis 4 Sekunden, keine Filter, kein Photoshop. 12 Bilder und ein paar Worte.



Einfach klicken.
Für die Rebellen, die danach vielleicht auch keinen Markt gefunden haben, aber immerhin, Markt ist ja nicht alles, was zählt.

... link (31 Kommentare)   ... comment


15 Jahre später - 9.11.2004

Wir beginnen auf den letzten paar Metern Westen:



Blick von der Behmbrücke hinüber zur Häuserzeile im Osten, links hinten die Bornholmer Strasse und die Brücke.



Direkt auf der Demarkationslinie, unter der Behmbrücke, Blick nach Süden, am Prenzlauer Berg vorbei Richtung Mitte.



Nachts, wenn es etwas neblig ist, scheinen die Lichter immer noch so funkelnd hell wie damals, als hier das System endete. Vielleicht sind es noch die originalen Lampen von damals.



Der Todesstreifen, rechts davon die Mauer, hier noch in einer sehr frühen Version. Mehr war wohl nicht nötig, weil dahinter 200 Meter Gleise kamen - offenes Schussfeld.



Die an dieser Stelle durchbrochene Mauer wurde später auf Betreiben der Bahn wieder zugemacht. Bei aller Freiheit ist das Betreten der Bahngleise natürlich verboten.



Fast niemand ist hier um 11 Uhr Nachts noch unterwegs. Kein Ton ausser den vorbeifahrenden S-Bahnen, in den Häusern das dummblaue Licht der TV-Drogen.



Exakt auf der Mauer ein Blick auf die Bösebrücke, über die die Bornholmer Strasse in den Westen läuft. Die S-Bahnstation ist neu und glänzend, und ein Fremdkörper zwischen den schlecht sanierten Teilen des Weddings und des Prenzlauer Bergs.



Unter und hinter der Brücke beginnt eine grosse Brache. Dort liegt viel Müll; was der Typ dort macht, der vor mir in diese Richtung durch die Pfützen gestapft ist, kann ich nur vermuten.



Oben, an der Brücke, ein Mahnmal, ein paar Kerzen und ein Dutzend Leute. Die Kamerateams sind längst weg. Die Brücke liegt um diese Uhrzeit sehr still und ziemlich leer da. Keine Party.



Wieder an der Demarkationslinie, genau drauf, und der Blick geht nach Westen, ins andere System. Hier wurden die ersten Trabbis mit Sekt überschüttet.



Oben, an der S-Bahnhaltestelle, ein paar junge Leute. Sie reden, lachen, verabschieden sich, und gehen in unterschiedliche Richtungen, Ost und West, einfach so. Doch, ich denke, das war´s in jedem Fall wert, ganz gleich, ob 24% im Westen die Mauer wieder wollen.



Denn auch gegenüber, im Wedding, erwacht das Leben wieder. Es ist noch ein weiter Weg, bis der Jülicher Platz wieder erstrahlt, aber als die Mauer noch stand, war hier einfach nur das Ende der Welt.

... link (2 Kommentare)   ... comment