: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 29. November 2004

Warum Du in den Wedding ziehen wirst.

Na, Du Mitte-Depp? Wie hat Dir die Mietpreiserhöhung gefallen, die Du heute im versifften Briefkasten unter all den unbezahlten Rechnungen gefunden hast? Heftig, was? Aber so ist das nun mal in dem Drecksloch, in dem Du Deine 30 Quadratmeter hast, in dem der Treppenaufgang verschmiert ist und sich die Party-People auf dem Heimweg vom LSD-Viertel Erleichterung verschaffen: Dein Vermieter braucht zur Rückzahlung seiner Steuerschulden dringend die Kohle, die Du auch nicht hast. Wenn Du nur an die Zitterpartie von vorgestern Abend denkst, mit Claudia am Bankautomaten... schon fast ein Wunder, dass der noch was ausgespuckt hat, anyway, jedenfalls war es nicht genug, um Claudia damit rumzukriegen. Jetzt sitzt Du also in dem Loch, es ist kalt, der Kühlschrank ist leer, alle Zigaretten sich schon geschnorrt und draussen wird es langsam finster. Du bist allein, und bleibst es auch, denn seit gestern ist das Telefon gesperrt. Anrufen kann man aber noch; so zum Beispiel Mutti, die sicher bald einen Schreikrampf bekommt, wenn sie zu Hause die Kontoauszüge in die Finger bekommt. Dann kannst Du sie auch nicht mehr anlügen, dass das grosse Projekt jetzt schon Geld überweist, nachdem Du vor 2 Semestern das Studium in die Tonne getreten hast, weil die Chancen in Berlin ja so gross sind.

Mann, Du bist, offen gesagt, am Ende. Lass uns reden, ok? Es gibt drei Möglichkeiten. Suizid, nicht wirklich angenehm, aber nachhaltig und für Dich garantiert sorgenfrei, wenn Du auch da nicht wieder versagst. Der Gedanke geht Dir schon seit Monaten durch den Kopf, ungefähr so lange wie die Idee von Deinem Projekt, und um das mal klar zu sagen: Beide Gedanken sind gleich scheisse. Die zweite Möglichkeit ist, eine psychische Störung vorzutäuschen, mit der Du gegenüber Deinen Eltern erklären kannst, dass Du die letzten Jahre nicht zurechnungsfähig warst und sie doch bitte die Schulden ein letztes Mal begleichen. Dann gehst Du zurück in die Provinz und beginnst mit 32 die Buchhandelslehre, die Du schon nach dem Abi hättest machen sollen. Du würdest als Versager unter Deinen alten Kumpels dort den Fussabstreifer geben, haha, der Mitte-Depp auf der Fresse, hehe, war ja schon immer klar. Auch nicht prickelnd, was?

Also die dritte Möglichkeit: Hör auf, ein Mitte-Depp zu sein. Reduziere konsequent alle Ausgaben und gehe dorthin, wo es noch Chancen gibt, wo nach Neuland zu entdecken ist, wo Du Dein Schicksal endlich mal selbst in die Hand nehmen kannst, wo Dich keiner kennt, wo alles erst am auf 0 gesetzt wird zum grossen Neuanfang: Komm in den Wedding.



Genauer in den Randbereich des Weddings rüber zum Prenzlauer Berg zwischen Behmstrasse, Prinzenallee und Wollankstrasse. Und alles wird gut - warum - bitte hier lesen.

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Warum Du in den Wedding ziehen wirst.

Na, Du Mitte-Depp? Wie hat Dir die Mietpreiserhöhung gefallen, die Du heute im versifften Briefkasten unter all den unbezahlten Rechnungen gefunden hast? Heftig, was? Aber so ist das nun mal in dem Drecksloch, in dem Du Deine 30 Quadratmeter hast, in dem der Treppenaufgang verschmiert ist und sich die Party-People auf dem Heimweg vom LSD-Viertel Erleichterung verschaffen: Dein Vermieter braucht zur Rückzahlung seiner Steuerschulden dringend die Kohle, die Du auch nicht hast. Wenn Du nur an die Zitterpartie von vorgestern Abend denkst, mit Claudia am Bankautomaten... schon fast ein Wunder, dass der noch was ausgespuckt hat, anyway, jedenfalls war es nicht genug, um Claudia damit rumzukriegen. Jetzt sitzt Du also in dem Loch, es ist kalt, der Kühlschrank ist leer, alle Zigaretten sich schon geschnorrt und draussen wird es langsam finster. Du bist allein, und bleibst es auch, denn seit gestern ist das Telefon gesperrt. Anrufen kann man aber noch; so zum Beispiel Mutti, die sicher bald einen Schreikrampf bekommt, wenn sie zu Hause die Kontoauszüge in die Finger bekommt. Dann kannst Du sie auch nicht mehr anlügen, dass das grosse Projekt jetzt schon Geld überweist, nachdem Du vor 2 Semestern das Studium in die Tonne getreten hast, weil die Chancen in Berlin ja so gross sind.

Mann, Du bist, offen gesagt, am Ende. Lass uns reden, ok? Es gibt drei Möglichkeiten. Suizid, nicht wirklich angenehm, aber nachhaltig und für Dich garantiert sorgenfrei, wenn Du auch da nicht wieder versagst. Der Gedanke geht Dir schon seit Monaten durch den Kopf, ungefähr so lange wie die Idee von Deinem Projekt, und um das mal klar zu sagen: Beide Gedanken sind gleich scheisse. Die zweite Möglichkeit ist, eine psychische Störung vorzutäuschen, mit der Du gegenüber Deinen Eltern erklären kannst, dass Du die letzten Jahre nicht zurechnungsfähig warst und sie doch bitte die Schulden ein letztes Mal begleichen. Dann gehst Du zurück in die Provinz und beginnst mit 32 die Buchhandelslehre, die Du schon nach dem Abi hättest machen sollen. Du würdest als Versager unter Deinen alten Kumpels dort den Fussabstreifer geben, haha, der Mitte-Depp auf der Fresse, hehe, war ja schon immer klar. Auch nicht prickelnd, was?

Also die dritte Möglichkeit: Hör auf, ein Mitte-Depp zu sein. Reduziere konsequent alle Ausgaben und gehe dorthin, wo es noch Chancen gibt, wo nach Neuland zu entdecken ist, wo Du Dein Schicksal endlich mal selbst in die Hand nehmen kannst, wo Dich keiner kennt, wo alles erst am auf 0 gesetzt wird zum grossen Neuanfang: Komm in den Wedding.



Genauer in den Randbereich des Weddings rüber zum Prenzlauer Berg zwischen Behmstrasse, Prinzenallee und Wollankstrasse. Und alles wird gut. Schon wenn du hier die Strassen runtergehst, wirst Du Dinge sehen, die es bei Dir in Mitte nicht gibt. Hier leben Kleinbürger, und Kleinbürger stehen nun mal auf Ordnung. Es gibt weniger Grafittti, Sticker, Hundekot und Kaugummi auf den Strassen. Es ist immer noch genug, um das typische Berlinslum-Gefühl zu haben, aber Du merkst nach hundert Metern, wenn Du zum ersten mal hier bist, dass Du das eigentlich gar nicht brauchst. Ausserdem ist es still hier, und der Fensterschmuck der alten Frauen zeigt, dass hier und dort noch ein klein wenig Romantik in den Herzen ist. Du siehst es, musst an Deine arme Oma denken, die Dir jeden Monat 100 Euro in der Hoffnung schickt, dass Du sie nicht für Joints durchorgelst, und das schlechte Gewissen setzt Dir zu, beim Anblick dieses Fensters.



Zwei Schritte weiter, gleich daneben, ist die Wohnung zu vermieten. Stell Dir das mal vor: Eine nette alte Dame als Nachbarin, die Dir das Salz leiht und Dir vielleicht noch einen Lebkuchen gibt. Erinnerst Du Dich, als Du Dir bei Julia das Salz ausgeliehen hast? Die arme Sau war am Ende so malle, dass sie Waschpulver in den Salzstreuer getan hast. Ach so, der Gedanke an Julia tut weh. Klar, verstehe ich. Dass sie Dir am Abend, als sie sie geholt haben, noch vor die Tür gekotzt hat, ist kein Grund, sie nicht trotzdem mal zu besuchen, meinst Du nicht? Niemand geht gern in die Geschlossene, aber Du ... jaja, ich hör schon auf. Wie auch immer, bei der Lebkuchen-Dame würde es kein Sauerkraut mit Ariel geben. Jedenfalls, diese Wohnung ist Parterre, gross und sicher nicht allzu teuer.



Willste mal genauer fragen? Die Wohnzentrale ist gleich die Strasse runter, und preislich kann man immer was drehen. Du musst übrigens nicht so trotten. Na los, ein bisschen schneller - ach so, Du bist flau im Magen, es ist drei Uhr Nachmittags, und es gab bei Dir noch nicht mal das gestrige Abendbrot, mangels Kohle... aber komm, die 40 Cent für ein Fladenbrot hast Du sicher. Nein, ich täusche mich nicht, 40 Cent kostet das hier, he, es ist Wedding, hier würden die ganzen Feinkost-Fidschis mit ihren 80-Cent-Fladen keine Woche überlegen, da schau rein:



Das ist übrigens auch ein Nachtkauf, optimal für so Typen wie Dich. Auch die Bierpreise sind hier sehr human. Und wenn Du hier einziehst und erst mal weder Telefon noch Internet hast, weil es ja gesperrt ist, kannste das hier auch für die Hälfte von dem machen, was Du in der Kastanienallee zahlen würdest. Coffee 2 Go 4 2 Euro gibt´s hier auch nicht, aber Kaffee zum mitnehmen oder am Monitor für 50 Cent, das gibt es. Krieg Dich wieder ein, das ist normal hier. Echt. Jaja, Pberg ist nur 500 Meter weg, aber das war vor der Mauer auch schon so, dass hier die Glücklichen und drüben die Verarschten gesessen sind, nur ist es jetzt drüben kapitalistische Verarsche. Ich bring Dir was zum Futtern, dann geht´s weiter.



So, das sind also die Mietangebote. Hier kannst Du ab 200 Euro inclusive Nebenkosten was Besseres als Dein 100% teureres Loch in Mitte bekommen. Wenn Du auf 60 Quadratmeter rauf willst, zahlst Du immer noch weniger als für 30 im Prenzlberg. Du hast hier freie Auwahl, Grösse, Ausstattung, Preis, alles sofort zu beziehen, und wenn Du die 3 Monate Kaution von Deinem Loch bekommst, hast Du hier schon 2 Mieten sicher. Weisst Du, was das heisst? Du bist wieder flüssig, zumindest hört das Zittern am Automaten auf. Oder nimm was grösseres, hol Dir einen anderen Versager als Untermieter und lass ihn 70% der Kosten tragen. That´s business, wird Zeit, dass Du das lernst. Genau hier im Wedding, nicht bei den Versagern in Mitte. Und dabei bist Du von hier aus mit dem Rad in 10 Minuten in der Schönhauser Allee. Ach, Du hast kein Rad, weil es geklaut wurde? Kein Problem.



Willkommen im Mekka der An- und Verkäufer! Ist hier alles kein Drama. Rund um die Wollankstrasse sitzen ein Dutzend Wohnungsauflöser, da kann man auch gute Schnäppchen machen. Echt. Wenn Du bei meiner kleinen Schwester in die Wohnung kommst und den Korbleuchter mit den 800 Kristallen siehst, würdest Du nie glauben, dass der von hier ist. Die Grundausstattung kannst Du für 100 Tacken zusammenkaufen, und das ist auch nicht schlechter als Ikea. Sondern besser. Porzellan, Bleikristall, das kostet hier weniger als das Starterset von Ikea. Bei der Gelegenheit kannst Du auch gleich mal das Verhandeln üben. Auch das gehört zum Geschäft. Fahrrad ist ab-so-lut kein Problem. Aber Du fährst dann doch lieber Deine Schrottkarre weiter? Zumindest kannst Du Dir dann die tägliche halbe Stunde Parkplatzsuche schenken. Hier findet auch der grösste Schlitten genug Platz.



Überall frei. Und dann auch noch die Grünflächen... OK, es gibt echt hässliche Ecken im Wedding, aber nicht hier. Hier sind überall Bäume, Gärten und kleine Rasenstücke. Sehr viel mehr als in Mitte, und es sind keine Trümmergrundstücke! Das muss man sich mal vor Augen halten. Hier wurde am Rand der Westzone bis 1989 was für die Anwohner getan, und davon hat das Viertel bis heute was. Bei Licht betrachtet, ist dieses Eck vom Wedding besser restauriert, besser in Schuss, besser verkabelt und besser gegen Stromschläge gefeit als der Slum über dem Bahndamm. Klar, Suizid vertuschen ist schwieriger mit richtigen Kabeln, aber hey, Du siehst ja schon wieder ganz passabel aus, frisch renoviert. Macht die frische Luft im Grünen.



Noch was. Natürlich sind die Leute hier nicht reich, aber wenn sie mal arbeitslos werden, versuchen sie in der Regel, wieder einen Job zu bekommen, einfach, weil ihnen wenig anderes übrig bleibt. Das ist halt der Westen, im Gegensatz zu dem Sozialschmarotzertum der Projektmenschen in Mitte, die vom Staat kassieren, was geht, und falls ihr Projekt Geld brächte, wären sie die ersten, die Steuern hinterziehen würden. Hier im Wedding gibt es tatsächlich die Chance, Arbeit, einen Nebenjob, irgendwas zu finden, was zumindest etwas Geld bringt. Auf ehrliche Art und Weise. Ja, das hast Du seit 7 Jahren nicht mehr gemacht, als Du das Taxi geschrottet hast, aber es klappt bei einem Grossteil der Bevölkerung, also auch bei Dir - und sicher besser als Dein Projekt. Danach bist Du dann auch fertig und kommst nicht mehr auf die Idee, Deine Kohle in überteuerten Läden im LSD-Viertel durchzubringen. Zumal es hier Läden gibt, die es an Originalität mit jedem Szenebums aufnehmen können:



Ach so, ist Dir zu strange. Das Essen bei denen ist nicht schlecht, wenn Du auf Eingeborenenkost stehst. Zum Essen ist die Gegend sowieso zu empfehlen: Billig und gut, teuer und schlecht hätte hier einfach keine Chance gegen die Konkurrenz. Döner ab 99 Cent, beispielsweise, bis 4 Uhr morgens. Chinapfanne 1,50. Und falls mal Mama vorbeikommt, bekommst Du Gebäck wie das, das sie aus der Provinz gewöhnt ist - zum Rekordpreis und auch in quietschlila. Wie daheim, wird Deine Mama denken und glauben, dass alles in Ordnung ist.



Ist es aber doch nicht. Denn hier, nur eine U-bahn-Station vom Pberg entfernt gibt es kaum wirklich coole Locations. Eine einzige Ausnahme hat in der Behmstrasse eröffnet, aber die ist eher was für ältere Leute. Da kannst Du mit Mutti hingehen, aber nicht mit Claudia. OK, das ist ein Problem. Dann musst Du eben rübergehen. Ist auch kein Beinbruch, denn Du musst über eine Brücke, und die schaffst Du nur, wenn Du nicht zu viel gesoffen hast, sag mal, hörst Du mir überhaupt noch zu? He? Was ist? Da drüben?



Ja, die Bunte Bühne. Ist dicht. Der Name ist klasse, eigentlich, da hast Du Recht, der Schriftzug ist auch geil. Bunte Bühne, was das kostet? Keine Ahnung, erst mal nichts, 6 Monate mietfrei sind hier bei Gewerbeimmobilien im Wedding die Regel... Ob ich in eine Bunte Bühne gehen würde? Logisch. Bunte Bühne. Es gäbe auch genug junge Leute hier, die hier nichts haben ... könnte was werden ... eigentlich wäre ein Club genau das, was hier noch fehlt. Der übliche Mischmach, ein bisschen Galerie für die umliegenden Künstler, die von der Degewo gesponsort werden; die haben übrigens auch keinen Treffpunkt in der Ecke ... Blogger gibt´s hier auch ein paar, logo.

Break

Es ist Dezember 2009. Eine billige Praktikantin von der Zitty spricht bei einem Mittdreissiger vor, der als der "Kneipenpadron vom Wedding" bekannt ist. Er erzählt ihr, wie er damals, Ende November 2004, durch das Viertel spazierte, den Kopf voller Ideen, und als er dann das Fenster der netten alten Dame sah, der das gesamte Haus und noch ein paar andere gehörten, da hat sich sein Leben verändert. Er wusste, es würde das Zukunftsviertel werden. Er gab seine Wohnung in Mitte auf, zog hier her, eröffnete die Bunte Bühne, auch bekannt als die Schule der Stars, denn alle jungen Literaten haben hier gelesen, MTV machte hier seine Castings, dann machte er das legendäre Tonhaus Corso in der Heidebrinker auf, der Hexenkessel wurde schnell eine Berühmtheit weit über die Grenzen Berlins, und heute sind die wirklich coolen Leute hier, im aufstrebenden Wedding. Wenn der arbeitschscheue, zurückgebliebene Pack vom Pberg drüben bliebe, wäre das Glück hier perfekt. Sagt er, und muss darüber lächeln, dass er selbst mal so ein Mitte-Depp war. Aber inzwischen ist er Wedding, und sein Leben ist schön.

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Schwierig...

Nun ist es soweit: Wenn ich das nächste Mal nach Berlin fahre, könnte ich schon die silberne Barchetta nehmen. Leider hat sie neben der üblichen Probleme eines Aquariums auch ein paar optische Macken an Front und Beifahrerseite. Folgende Lösungen bieten sich an:
Nach Polen düsen und sie dort herrichten lassen.
Keinen Gedanken drum machen, ist doch nur für Berlin.
Schwarzweisse P-51 Invasion Stripes und D.A.-Kennung über die Beulen
Orange Ralley-Streifen und die Nummer 13 auf die Tür.
Barchetta an Achmed verkaufen, Geld sparen, weiter Punto fahren.

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Erstellt von donalphons am 2004.11.29, 08:04.


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