: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 2. Januar 2005

Offline in der Provinz

Der Freistaat hatte grosse Pläne mit den Internet. Virtueller Marktplatz Bayern, Bürgernetz, mit diesen Begriffen und Multimillionen-Subventionen sollte ein virtuelles Wunderland aus dem lehmigen Boden gestampft werden, wo auch der letzte Bauer zum Erzeuger, Marketingspezialisten und E-Commerce-Entrepreneur werden sollte.

Die Städte, zumal die reicheren, wurden gehalten, selbst vergleichbare Institutionen zu schaffen. Und weil man in dieser Provinzstadt meinte, dass auch ein paar Brosamen für sozial benachteiligte Kinder abfallen sollten, stellte man ihnen eine Art Internet-Cafe hin. Es bekam Räume im Erdgeschoss eines restaurierten Hauses, dessen in der Stadt durchaus angesehener Pojektträger eine Weile gewisse Probleme hatte, die Räume zu vermieten.

Dort nun konnten sich die sozial Schwachen 5 Tage die Woche unter Aufsicht von ABM-Kräften ihrer Entwicklung zum E-Bürger widmen, surfen, downloaden, bei der Arbeitsagentur reinschauen und feststellen, dass es auch hier für sie nicht allzu gut aussah. Aber immerhin konnten sie für lau ins Netz, die Technologien wie Chatten und Email erlernen, und hingen so nicht auf der Strasse herum, um so auszusehen, wie sich der typische braune Lokalpolitiker den türkischen Rabauken vorstellt.

(Nur ein Hinweis in Sache Rabauken: Die Provinzstadt beschäftigt einen speziellen Ordnungsdienst, der das Ausspucken von Kaugummi und ähnlichem mit Geldbussen belegt; Abiturfeiern mit einem Lärmpegel von mehr als 70 db im Stadtpark haben einen Aufschrei in der Lokalpresse und verstärkte Polizeipatroullien zur Folge, Sprayer, Tagger oder Street Culture hatten hier noch nie eine Chance, und Autos beschädigen hier allenfalls lokale CSU-Grössen, die beim Ausparken mit 2,5 Promille das Lenken vergessen, aber das Gaspedal voll durchdrücken, weswegen dann ihre Töchter zwei Monate lang versuchen dürfen, deren Mercedes Combi um die Strassenrandbegrünung zu wickeln, für die sich ihre Väter so stark eingesetzt haben - hier läuft alles wieder zusammen, aber nein, Rabauken gibt es nicht).

Nun, letztes Jahr gab es da einen neuen Stadtratsbeschluss, analog zum reduzierten Interesse der alleinseligmachenden Staatsregierung am Internet, und deshalb sieht das Internet Cafe für die Jugend jetzt so aus:



If you can´t bill it, kill it, werden sie sich im Stadtrat gedacht haben. Die Begründung dürfte so gelautet haben: "Inzwischen, ned woa, hod ja a jeda von dene a sowas dahoam, as Indaned hod se sein Plotz in da Geseischoft erobat, so wia bei uns jo a, schaugns nua amoi die schena Fraims auf unsane Seidn o, oiso, i moan, mia hom echt wos damit gschoft, olle Ziele san erreicht, oba etzad miassn mia de Mittl ondast verwendn..."

Die Gymnasiasten und Realschüler haben weiterhin das Programm Schulen ans Netz, und daheim steht auch so eine Kiste, die ihre Eltern nicht bedienen können, und sie werden auch nie die DivX mit all den nackten Frauen finden. Internet braucht keiner mehr, weil schon genug Leute in dieser Stadt für viel teures Geld zum Multimediahansel umgeschult wurden. Eigentlich, sagen die Stützen der Gesellschaft, wollten sie das Internet ja nie nicht haben, sie verstehen auch nicht, was es soll, und was daraus wurde, das sehen sie ja, wenn sie in ihre Depots schauen, alles voller EM.TV und Brokat, hoit na, de Brokat san ja pleite, solchene Hund - und deshalb stimmen sie auch überein, dass der Türke doch bitte was anständiges lernen soll, statt auf Kosten der Allgemeinheit sich im Internet rumzutreiben. Ansonsten hat man immer noch das Bürgernetz, mitsamt eigenem Haus in der Altstadt.

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