: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 18. November 2005

Die chinesische Kommode und das Kartellamt

Bei meinem vorletzten Berlinbesuch fand ich in einem Laden in der Bergmannstrasse eine flache chinesische Kommode aus Nussholz, leicht beschädigt, aber sehr schön, eine zeitlose Form und genau passend für den Platz unter dem Fenster, bei dem ich gerade schreibe. Der Händler ist, vorsichtig gesagt, eher von der offensiven Sorte, und Begehr teilt man ihm besser mit, indem man nichts, absolut nichts findet, nur vielleicht diese Kommode da, aber nein, die ist sicher zu gross, also danke. Danach entsteht eine längere Verhandlung,und am Ende steht ein Preis, der beide Seiten zufrieden sein lässt. So auch in diesem Fall.

Zusammen befreiten wir die Kommode von den darauf stehenden Stühlen - der Laden ist ziemlich voll - da klingelte sein Handy. Auf der anderen Seite war sein Bruder, dem er erkennbar erfreut vom Verkauf erzählte. Dann gefror sein Gesicht voller Enttäuschung. Er legte auf und sagte, dass die Kommode bereits verkauft sei.

Insofern weiss ich ansatzweise, wie beschissen es heute manchen Leuten im Springerkonzern, ihren Büchsenspannern beim Spiegel und gewissen rechtskonservativ gesteuerten Gossenmedien gehen muss. Das Kartellamt mag den Kauf von Pro7Sat1 durch Springer so einfach nicht genehmigen. Und das, obwohl Springer bereits über 75% der Anteile besitzt. Die Begründung ist schon ziemlich happig. Da wird sich Springer ziemlich schlank machen müssen, um das noch über die Runden zu bekommen. Vielleicht killen sie ja endlich die Bildextension Die Welt, wenn die ohnehin Inhalte bei Bloggern klaut. Oder sie machen eine Kampagne für eine Gesetzesänderung und drohen mit dem Verkauf an Heuschrecken. Halt nein, das geht ja nicht, sie haben die Mehrheit ja gerade von Heuschrecken gekauft. Oder sie kriegen die Sender ebenso wenig wie ich damals die Kommode. Wobei mir die Vorstellung des Flennens bei Springer über meine Trauer hinweghilft.

Was machen die eigentlich mit den Aktien, wenn sie sie nicht behalten dürfen?

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Real Life 18.11.05 - A room with a view

Der frische Multimediacontent rast gerade über die Hamburger Mac in die Beschleunigung für den Weg in den Süden, da klingelt das altmodische Telefon ohne Anzeige und AB. Hier hat man sowas oft nicht, wenn man da ist, geht man ran, wenn man nicht da ist, klingelt es halt. Sage keiner, dass die Zeiten der Wählscheibentelefone vorbei ist, hier zumindest nicht. Es klingelt drei Mal, dann bist dran, ohne dem Händel den Saft abdrehen, der hier die Luft erfüllt, hätte es noch nicht mal so lang gedauert.

Wie es morgen aussieht, will Iris wissen. Ganz schlecht, ist die ehrliche Antwort, und damit schon wieder ein ausgefallenes Konzert. Gut, meint sie, dann geht sie auch nicht, das ist ihr ohnehin zu früh und auch sonst passt das Programm nicht. Aber du solltest dir mal überlegen, warum du überhaupt hier bist, wenn du nicht am Leben teilnimmst. Draussen bricht die Sonne zum ersten Mal seit Tagen durch die Wolken, zumindest so, dass alles im herbstlichen Sepia erscheibt, und du fragst dich, ob es so eine gute Idee ist, sich zu sehr auf das alles hier einzulassen.



Schliesslich hast du erst gestern nein gesagt zu einem Antrag, ein paar Wochen ab Januar wieder Richtung Südwesten zu gehen, in ganz anderem Auftrag und mit einer Arbeit, der es nicht egal ist, ob du erst um 5 ins Bett gehst. Aber die nächsten Monate werden hier nicht ganz unhart, so klein ist diese Stadt und so übel werden die neujahrsempfänge zwischen Betonfrisuren und lebensgrossen Keramiktigern in der Vorstadt, bei den Ferrarisammlern und den Vätern unverheirateter Töchter. Alle werden fragen, ob man sich auch für das zweite Abo angemeldet hat, das 2006 Mozart im Überfluss bietet, und wenn du es vergisst, wird man dich kurz vor dem ersten Konzert anrufen und sagen, dass man extra für dich ein Abo zurücklegen hat lassen, du weisst ja, wie gut ihre Verbindungen sind, da kannst du gar nicht nein sagen.

Da draussen vor dem Fenster, in den Kirchen, den Collegien, den Bruderschaften und besseren Kreisen wird sich nie was ändern. Warum auch, es funktioniert, es ist unfassbar stabil und wahrscheinlich auch richtig so. Niemand ahnt etwas von dem Leben da draussen, die kurzen Tage vergehen schnell und lassen viel Raum für den Schlaf, der ihr Leben beherrscht bis zum Übergang in das Nichts, das sie von Geburt an in sich tragen. Die Litaneien, für die all das vor dem fenster aufgetürmt wurde aus dem Morast der Tiefebene, haben ihre wahre bedeutung nicht verloren, einer nach dem anderen wird alterm und hinscheiden, und das einzige bestreben kann sein, sie zu überleben mit ihren Chorälen der Entsagung und der Dummheit.

Du sagst noch ein paar Nettigkeiten, bietest ein Essen am Montag an und vielleicht auch einen Trip zum Einkaufen nach München, und legst auf. Von weiteren gedanken hält dich ein Haifisch ab, der grosses verkündet, den Fall eines Giganten, der gerade jetzt schon lautlos stürzt, keiner vermag es zu hören, doch er fällt, und wenn er in Trümmern explodiert, versichert der haifisch, wird auch Dein Dasein wieder spannend. Dann liest Du, dass die grosse Koalition in Berlin besiegelt ist, und empfindest Erleichterung ob des Umstands, jemand anderen an Deiner Stelle in Berlin auf den krummen Wegen der Bundespolitik zu wissen.

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Au-Stalinismus - Pjön Jang in Hamburg

"Das Vertrauen in die Kompetenz der Redaktion und des Chefredakteurs ist durch die Diskussion aus Sicht der Gesellschafter in keiner Weise in Frage gestellt." - da sage noch einer, Neoliberalismus und Steinzeitkommunismus würden sich nicht trefflich ergänzen, zumal, wenn das rote Battalion Angelaberia aus Berlin mitfoltert. Und nun weiter im 5-Jahresplan, Stefan Aust, Stefan Aust, der hat immer Recht.

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