Real Life 18.11.05 - A room with a view

Der frische Multimediacontent rast gerade über die Hamburger Mac in die Beschleunigung für den Weg in den Süden, da klingelt das altmodische Telefon ohne Anzeige und AB. Hier hat man sowas oft nicht, wenn man da ist, geht man ran, wenn man nicht da ist, klingelt es halt. Sage keiner, dass die Zeiten der Wählscheibentelefone vorbei ist, hier zumindest nicht. Es klingelt drei Mal, dann bist dran, ohne dem Händel den Saft abdrehen, der hier die Luft erfüllt, hätte es noch nicht mal so lang gedauert.

Wie es morgen aussieht, will Iris wissen. Ganz schlecht, ist die ehrliche Antwort, und damit schon wieder ein ausgefallenes Konzert. Gut, meint sie, dann geht sie auch nicht, das ist ihr ohnehin zu früh und auch sonst passt das Programm nicht. Aber du solltest dir mal überlegen, warum du überhaupt hier bist, wenn du nicht am Leben teilnimmst. Draussen bricht die Sonne zum ersten Mal seit Tagen durch die Wolken, zumindest so, dass alles im herbstlichen Sepia erscheibt, und du fragst dich, ob es so eine gute Idee ist, sich zu sehr auf das alles hier einzulassen.



Schliesslich hast du erst gestern nein gesagt zu einem Antrag, ein paar Wochen ab Januar wieder Richtung Südwesten zu gehen, in ganz anderem Auftrag und mit einer Arbeit, der es nicht egal ist, ob du erst um 5 ins Bett gehst. Aber die nächsten Monate werden hier nicht ganz unhart, so klein ist diese Stadt und so übel werden die neujahrsempfänge zwischen Betonfrisuren und lebensgrossen Keramiktigern in der Vorstadt, bei den Ferrarisammlern und den Vätern unverheirateter Töchter. Alle werden fragen, ob man sich auch für das zweite Abo angemeldet hat, das 2006 Mozart im Überfluss bietet, und wenn du es vergisst, wird man dich kurz vor dem ersten Konzert anrufen und sagen, dass man extra für dich ein Abo zurücklegen hat lassen, du weisst ja, wie gut ihre Verbindungen sind, da kannst du gar nicht nein sagen.

Da draussen vor dem Fenster, in den Kirchen, den Collegien, den Bruderschaften und besseren Kreisen wird sich nie was ändern. Warum auch, es funktioniert, es ist unfassbar stabil und wahrscheinlich auch richtig so. Niemand ahnt etwas von dem Leben da draussen, die kurzen Tage vergehen schnell und lassen viel Raum für den Schlaf, der ihr Leben beherrscht bis zum Übergang in das Nichts, das sie von Geburt an in sich tragen. Die Litaneien, für die all das vor dem fenster aufgetürmt wurde aus dem Morast der Tiefebene, haben ihre wahre bedeutung nicht verloren, einer nach dem anderen wird alterm und hinscheiden, und das einzige bestreben kann sein, sie zu überleben mit ihren Chorälen der Entsagung und der Dummheit.

Du sagst noch ein paar Nettigkeiten, bietest ein Essen am Montag an und vielleicht auch einen Trip zum Einkaufen nach München, und legst auf. Von weiteren gedanken hält dich ein Haifisch ab, der grosses verkündet, den Fall eines Giganten, der gerade jetzt schon lautlos stürzt, keiner vermag es zu hören, doch er fällt, und wenn er in Trümmern explodiert, versichert der haifisch, wird auch Dein Dasein wieder spannend. Dann liest Du, dass die grosse Koalition in Berlin besiegelt ist, und empfindest Erleichterung ob des Umstands, jemand anderen an Deiner Stelle in Berlin auf den krummen Wegen der Bundespolitik zu wissen.

Freitag, 18. November 2005, 16:24, von donalphons | |comment

 
Angst vor der urbanen Version der Schleiflackhölle ?

Heisst der Gigant etwa wie eines der Wörter in "Cogito ..." ? Ich war der Meinung das wäre noch schön unter dem Deckel.

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Nein , ganz anderes Gebiet ;-)

Angst natürlich. Angst ist gut. Angst ist gesund, aber noch habe ich die Dämonen unter Kontrolle.

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