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Montag, 18. Februar 2008
Wo man bleiben kann - Platz 6: Ingolstadt
Ich bin heute von Au in der Holledau über die Autobahn nach Ingolstadt gefahren, konstant 120 und habe auf den Verkehr geachtet. Auf den 35 Kilometern habe ich exakt einen anderen Wagen überholt; einen altersschwachen VW Bulli. Auf einem Kilometer haben mich zwischen 15 und 25 Fahrzeuge überholt. Bei einem Benzinpreis von 1,40 Euro, und in aller Regel weit über 130 schnell. Unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft. Das ist das eine, und es ist für mich unbegreiflich.
Im Internet stösst man immer wieder auf diese betrügerischen "Sie sind der 1 Millionste Besucher und gewählter Gewinner"-Anzeigen, denen es nur um das Abzocken geht. Gelockt wird mit Traumgegenständen wie iPods, Weltreisen und Autos. Namentlich Audi TT, was ich so lala verstehe, und der langweiligsten Gurke der Welt, dem A3. Was ich absolut nicht verstehe. Weil ich von da komme, wo man die Dinger baut. Letztes Jahr war ich beim Kauf so eines Wagens dabei - es war schwer, einen zu kriegen, weil sie so begehrt sind. Deutschland ist, was Autos angeht, vollkommen verrückt.
Aber gut. Hier geht es nicht um Autos, sondern um die Frage, wo man mit 120-180.000 Euro ein nettes Plätzchen kaufen kann, um die kommende Krise zu überstehen. Wenn wir nur mal die Rohdaten aller grossen Städte dieses Landes nehmen und mit der Dummheit der Menschen kombinieren, gibt es nur einen Ort, der meilenweit vor allen anderen für das Überdauern der Krise in Frage kommt: Ingolstadt.
Es gibt hier Übervollbeschäftigung, ein paar Weltmarktführer, unabdingbare Rüstungsindustrie, einen noch nicht ganz obszönen Reichtum und sozialen Wohnungsbau, der andernorts als gehobene Wohnlage durchgehen würde. Man kann hier schlecht arbeitslos sein, und das, obwohl die Altstadt durchaus zum müssigen Treiben einladen würde. Die Dynamik hier ist so stark, dass es die Russlanddeutschen in Jobs durchgesaugt hat, und mein Schraubergott seine Firma zugemacht hat, weil er in der grossen Firma im Vertrieb mehr verdient. Die einzige Zukunftsangst, die man hier kennt, ist der Fachkräftemangel, und die einzige Pleite, die der Autohersteller verzeichnen musste, war der spritsparende Stadtflitzer, während die Scheichs schon drängeln, wann sie endlich ihren 560 PS starken Kombi bekommen. Es ist vollkommen verrückt, aber es funktioniert.
Und weil der letzte Wagen erst stehen bleiben wird, wenn der letzte Tropfen Benzin verbrannt ist, wird es weitergehen. Und länger. Denn während General Motors und Ford und andere Firmen in anderen Entwicklungsländern krepieren werden, haben die hier längst einen Plan, wie es ohne Benzin weitergeht. Es gibt hier ein Gymnasium, da werden solche Ingenieure bald in vierter Generation gezüchtet, sie mögen akulturell sein und des norddeutschen Dialekts nicht mächtig, aber sie können Autos bauen. Es wird alle anderen Zentren treffen, Rüsselsheim, Köln, München und Stuttgart, aber nicht das Kaff an der Donau. BMW ist zu proll, Mercedes zu Opa, Opel zu poplig, Ford zu billig, VW zu normal, und Porsche, ach so, Porsche, kennen Sie schon den neuen R8?
Bliebe noch die Frage, ob hier nicht irgendwann eine Nokia-Situation kommt. Nein. Autobau ist nicht eine Sache der rasend schnellen Kapitalmarktstrategen, sondern der Ingenieure und Facharbeiter. Zwei Gattungen, die sich hier enorm schnell einfinden, einrichten und bleiben. Und die grenztotalitär von dem überzeugt sind, was sie tun. leute, die nicht wissen, was das sein soll, Krise. Es gibt hier keine Krise. Krise ist Nürnberg, Berlin, New York und Karatchi. Hier ist Orgelmatinee am Sonntag, Jazzfest, Klassik zwischen Altmühl und Donau, und was es nicht gibt, findet man 23 Minuten südlich in München. 23 Minuten braucht man im R8 oder RS6 bis München Nord, sagt ein Nachbar, der es weiss.
Natürlich sind die Eingeborenen nicht so ganz leicht zu nehmen. Für mich ist das anders, ich komme von hier und bin einer von denen mit der richtigen Familie. Es ist aber nicht unmöglich. Man kaufe eine alte Wohnung in der Altstadt, oder in einem der Viertel aus der Jahrhundertwende, und repariere das. Man gilt dann zwar erst mal als Depp, aber dann wollen sie doch reinschauen, und später behaupten sie, dass es ihre Stadt war, die einen dazu bringt, an ihrer Verschönerung mitzuwirken. Spätestens, wenn sie Bekannte auf dem Wochenmarkrt ausfatscheln, wo man gerade im Urlaub ist, und mit wem, hat man es geschafft, man darf in den Konzertverein und sich vielleicht sogar in den zweiten Heiratsmarkt eingliedern.
Billig ist es nicht. Wenn man sowieso hier lebt, bekommt man das kaum mit, aber die Preise sind inzwischen wirklich hart. Selbst in schlechten Lagen, wo man den Preussen das Primatenfell über die Ohren zieht, geht hier in Neubauten unter 2000 Euro/m² so gut wie nichts. Sehr gute Lagen wären noch erheblich teurer, wenn sie zu verkaufen wären. Die ungetrübte Zukunft und die Sicherheit sind hier eingepreist, aber mit ein wenig Suche und Hilfe durch einen Eingeborenen sollte man schon was finden, und dann selbst Hand anlegen. Billiger wird es eher nicht, schon gar nicht in den zentralen Lagen. Aussenrum ist enorm viel Natur, Gaststätten, Kultur, und wenn es noch immer nicht reicht, geht man halt nach Italien. Ist hier näher als Berlin.
Man kann es also jedem nur empfehlen. Ausser, man kommt von hier. Dann kennt man es eh nicht anders, dafür weiss man um die Schrecken der Provonz, und will weg. Aber da sind ja noch 5 weitere Plätze.
Im Internet stösst man immer wieder auf diese betrügerischen "Sie sind der 1 Millionste Besucher und gewählter Gewinner"-Anzeigen, denen es nur um das Abzocken geht. Gelockt wird mit Traumgegenständen wie iPods, Weltreisen und Autos. Namentlich Audi TT, was ich so lala verstehe, und der langweiligsten Gurke der Welt, dem A3. Was ich absolut nicht verstehe. Weil ich von da komme, wo man die Dinger baut. Letztes Jahr war ich beim Kauf so eines Wagens dabei - es war schwer, einen zu kriegen, weil sie so begehrt sind. Deutschland ist, was Autos angeht, vollkommen verrückt.
Aber gut. Hier geht es nicht um Autos, sondern um die Frage, wo man mit 120-180.000 Euro ein nettes Plätzchen kaufen kann, um die kommende Krise zu überstehen. Wenn wir nur mal die Rohdaten aller grossen Städte dieses Landes nehmen und mit der Dummheit der Menschen kombinieren, gibt es nur einen Ort, der meilenweit vor allen anderen für das Überdauern der Krise in Frage kommt: Ingolstadt.
Es gibt hier Übervollbeschäftigung, ein paar Weltmarktführer, unabdingbare Rüstungsindustrie, einen noch nicht ganz obszönen Reichtum und sozialen Wohnungsbau, der andernorts als gehobene Wohnlage durchgehen würde. Man kann hier schlecht arbeitslos sein, und das, obwohl die Altstadt durchaus zum müssigen Treiben einladen würde. Die Dynamik hier ist so stark, dass es die Russlanddeutschen in Jobs durchgesaugt hat, und mein Schraubergott seine Firma zugemacht hat, weil er in der grossen Firma im Vertrieb mehr verdient. Die einzige Zukunftsangst, die man hier kennt, ist der Fachkräftemangel, und die einzige Pleite, die der Autohersteller verzeichnen musste, war der spritsparende Stadtflitzer, während die Scheichs schon drängeln, wann sie endlich ihren 560 PS starken Kombi bekommen. Es ist vollkommen verrückt, aber es funktioniert.
Und weil der letzte Wagen erst stehen bleiben wird, wenn der letzte Tropfen Benzin verbrannt ist, wird es weitergehen. Und länger. Denn während General Motors und Ford und andere Firmen in anderen Entwicklungsländern krepieren werden, haben die hier längst einen Plan, wie es ohne Benzin weitergeht. Es gibt hier ein Gymnasium, da werden solche Ingenieure bald in vierter Generation gezüchtet, sie mögen akulturell sein und des norddeutschen Dialekts nicht mächtig, aber sie können Autos bauen. Es wird alle anderen Zentren treffen, Rüsselsheim, Köln, München und Stuttgart, aber nicht das Kaff an der Donau. BMW ist zu proll, Mercedes zu Opa, Opel zu poplig, Ford zu billig, VW zu normal, und Porsche, ach so, Porsche, kennen Sie schon den neuen R8?
Bliebe noch die Frage, ob hier nicht irgendwann eine Nokia-Situation kommt. Nein. Autobau ist nicht eine Sache der rasend schnellen Kapitalmarktstrategen, sondern der Ingenieure und Facharbeiter. Zwei Gattungen, die sich hier enorm schnell einfinden, einrichten und bleiben. Und die grenztotalitär von dem überzeugt sind, was sie tun. leute, die nicht wissen, was das sein soll, Krise. Es gibt hier keine Krise. Krise ist Nürnberg, Berlin, New York und Karatchi. Hier ist Orgelmatinee am Sonntag, Jazzfest, Klassik zwischen Altmühl und Donau, und was es nicht gibt, findet man 23 Minuten südlich in München. 23 Minuten braucht man im R8 oder RS6 bis München Nord, sagt ein Nachbar, der es weiss.
Natürlich sind die Eingeborenen nicht so ganz leicht zu nehmen. Für mich ist das anders, ich komme von hier und bin einer von denen mit der richtigen Familie. Es ist aber nicht unmöglich. Man kaufe eine alte Wohnung in der Altstadt, oder in einem der Viertel aus der Jahrhundertwende, und repariere das. Man gilt dann zwar erst mal als Depp, aber dann wollen sie doch reinschauen, und später behaupten sie, dass es ihre Stadt war, die einen dazu bringt, an ihrer Verschönerung mitzuwirken. Spätestens, wenn sie Bekannte auf dem Wochenmarkrt ausfatscheln, wo man gerade im Urlaub ist, und mit wem, hat man es geschafft, man darf in den Konzertverein und sich vielleicht sogar in den zweiten Heiratsmarkt eingliedern.
Billig ist es nicht. Wenn man sowieso hier lebt, bekommt man das kaum mit, aber die Preise sind inzwischen wirklich hart. Selbst in schlechten Lagen, wo man den Preussen das Primatenfell über die Ohren zieht, geht hier in Neubauten unter 2000 Euro/m² so gut wie nichts. Sehr gute Lagen wären noch erheblich teurer, wenn sie zu verkaufen wären. Die ungetrübte Zukunft und die Sicherheit sind hier eingepreist, aber mit ein wenig Suche und Hilfe durch einen Eingeborenen sollte man schon was finden, und dann selbst Hand anlegen. Billiger wird es eher nicht, schon gar nicht in den zentralen Lagen. Aussenrum ist enorm viel Natur, Gaststätten, Kultur, und wenn es noch immer nicht reicht, geht man halt nach Italien. Ist hier näher als Berlin.
Man kann es also jedem nur empfehlen. Ausser, man kommt von hier. Dann kennt man es eh nicht anders, dafür weiss man um die Schrecken der Provonz, und will weg. Aber da sind ja noch 5 weitere Plätze.
donalphons, 00:15h
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Ich kenne schon Holtzbrincks Zoomer.de
obwohl es erst morgen starten soll. Ausserdem kenne ich einen Bug bei StudiVZ, der mutmasslich mal wieder als Feature verkauft wird - all das an der Blogbar.
donalphons, 22:16h
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ma non troppo II: Fernado Sor, Seguidillas Boleras
Eine der reizvollsten Aufgaben der Kulturgeschichte könnte es sein, eine exemplarische Kulturgeschichte der kulturgeschichtlichen Missverständnisse und fehleinschätzungen zu schreiben. Das Problem ist allenfalls die Auswahl der schönsten Beispiele: Das Bild, das sich die Aufklärung von China machte, oder die Bilder, die man in Japan von europäischen Händlern herstellte? Das Mittelalter des verklärenden deutsche Historismus oder der verklärte amerikanische Futurismus der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts? Europas Sucht nach orientalischen Odalisken, deren Vorbilder aufgrund der gewünschten, üppigen Körperlichkeit dafür sicher nicht taugten, oder wiederum deren lächerliche Sucht nach europäischen Silbermünzen, weil der darauf abgebildete fette Ludwig XIV. mit seiner Perücke wiederum dem weiblichen Schönheitsideal entsprach?
Sublimierung nennt der Psychologe diesen Prozess, der in Krankheit ausartet. Seien es im Negativen die armen Würste, die wegen der Unerhörtheit ihrer Wünsche durch meine Bekannte Iris jahrelang, genauer bis zu ihrer Scheidung, die Kissen vollheulten, es dann nochmal - vergeblich - probierten und sich seitdem in unverbrüchlicher Treue und cretinöser Empörung an der Seite des gehörnten Ex-Gatten finden, oder aber im Positiven die wüste Sinnlichkeit, die man in Frankreich von Spaniern haben wollte: Legte Calderon de la Barca selbst noch ein paar verurteilenswerte Sünden in seine Theaterstücke, griffen über zwei Jahrhunderte Lesage, Voltaire, Diderot und Mérimée diese Legenden von Wollust und Leidenschaft auf und bastelten sich daraus das jeweils genehme Spanienbild, bis zum Höhepunkt unter Jan Graf Potozky, der Spaniens falschen Ruhm der Sinnlichkeit mit der schwül-erotische Handschrift von Saragossa für immer in die Geschichte der Missverständnisse eintrug.
Die Folge dieser Schriften war eine grosse musikalische Spanienmode, der wir den Barbier von Sevilla verdanken, die Carmen, den Troubadour, und, da sind wir auch schon beim Thema
den Barden Fernando Sor. Ich persönlich kann mit romantischer Liedsingerei einmal durch den Kontinent getrieben werden, und mag auch der von mir geschätzte Heine vertont worden sein: Niemals! Ich ertrage viel, aber Liederabende gehen gar nicht, Müllerin, Kindertotenlieder, Wesendonk und Forelle würde ich zusammen in den hellen Bach kippen und mit munterer Eil draufsteigen, bis das Gegurgle ein Ende hat.
Aber diesmal war es anders: Obige CD jedoch hörte ich, ohne zu wissen, was es ist, fand es aber sehr spanisch, sehr gittarös und catagnettiert, voller Schmelz und Timbre, süsseste spanische Weisen mit ganz, ganz leichten Männerchoranleihen - aber nicht der gekünstelte Männerchor der Romantik a la castrata, keinerlei Tenoreunchen, sondern eher der lauschige Gesangsverein, den Tucholski singen liess:
"Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich an Deinem Munde
und es war um mich geschehen."
Kurz, auch ich bin, wenn ich das Booklet der CD nicht lese, empfänglich für Missverständnisse. Denn Fernando Sor war durchaus Spanier, aber einer der eher ungewöhnlich aufgeklärten Sorte: 1778 in Barcelona geboren, schloss er sich während der Revolutionskriege der napoleonischen Seite an, übernahm ein Amt und musste 1813 Spanien für immer verlassen. Aber in Erinnerung an Barcelona erfand er spanisch anmutende Lieder für Solisten, Gitarre und kleine Ensembles, die mit ihrer Thematik - man ahnt es, Verehrung, Liebe, Beschlaf und wollüstigen Tod - auch dem reaktionärsten Biedemeier erlaubten, im Salon den spanischen Stier rauszulassen. So, wie heute für die Freundinnen das, was auf Malle passierte, Urlaub war und deshalb nicht zählte, konnte man sich damals mit Sors Liedern Extravaganzen erlauben, für die man anderweitig einen Tritt bis zum Brunnen vor dem Tore erhalten hätte. Deshalb klingt es auch so, wie soll ich sagen, na, ganz anders als das, was man sonst aus der Gattung Kunstlied kennt. Verfeinerte, raffinierte Volksmusik, die nur den einen Zweck kennt - nach der Gitarre das Strumpfband zu zupfen.
Fernado Sor, Seguidillas Boleras, brilliant gesungen und eingespielt von Xavier Diaz-Latorre (allein schon der Name!) und Laberintos Ingeniosos, erschienen bei Zig-Zag.
Sublimierung nennt der Psychologe diesen Prozess, der in Krankheit ausartet. Seien es im Negativen die armen Würste, die wegen der Unerhörtheit ihrer Wünsche durch meine Bekannte Iris jahrelang, genauer bis zu ihrer Scheidung, die Kissen vollheulten, es dann nochmal - vergeblich - probierten und sich seitdem in unverbrüchlicher Treue und cretinöser Empörung an der Seite des gehörnten Ex-Gatten finden, oder aber im Positiven die wüste Sinnlichkeit, die man in Frankreich von Spaniern haben wollte: Legte Calderon de la Barca selbst noch ein paar verurteilenswerte Sünden in seine Theaterstücke, griffen über zwei Jahrhunderte Lesage, Voltaire, Diderot und Mérimée diese Legenden von Wollust und Leidenschaft auf und bastelten sich daraus das jeweils genehme Spanienbild, bis zum Höhepunkt unter Jan Graf Potozky, der Spaniens falschen Ruhm der Sinnlichkeit mit der schwül-erotische Handschrift von Saragossa für immer in die Geschichte der Missverständnisse eintrug.
Die Folge dieser Schriften war eine grosse musikalische Spanienmode, der wir den Barbier von Sevilla verdanken, die Carmen, den Troubadour, und, da sind wir auch schon beim Thema
den Barden Fernando Sor. Ich persönlich kann mit romantischer Liedsingerei einmal durch den Kontinent getrieben werden, und mag auch der von mir geschätzte Heine vertont worden sein: Niemals! Ich ertrage viel, aber Liederabende gehen gar nicht, Müllerin, Kindertotenlieder, Wesendonk und Forelle würde ich zusammen in den hellen Bach kippen und mit munterer Eil draufsteigen, bis das Gegurgle ein Ende hat.
Aber diesmal war es anders: Obige CD jedoch hörte ich, ohne zu wissen, was es ist, fand es aber sehr spanisch, sehr gittarös und catagnettiert, voller Schmelz und Timbre, süsseste spanische Weisen mit ganz, ganz leichten Männerchoranleihen - aber nicht der gekünstelte Männerchor der Romantik a la castrata, keinerlei Tenoreunchen, sondern eher der lauschige Gesangsverein, den Tucholski singen liess:
"Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich an Deinem Munde
und es war um mich geschehen."
Kurz, auch ich bin, wenn ich das Booklet der CD nicht lese, empfänglich für Missverständnisse. Denn Fernando Sor war durchaus Spanier, aber einer der eher ungewöhnlich aufgeklärten Sorte: 1778 in Barcelona geboren, schloss er sich während der Revolutionskriege der napoleonischen Seite an, übernahm ein Amt und musste 1813 Spanien für immer verlassen. Aber in Erinnerung an Barcelona erfand er spanisch anmutende Lieder für Solisten, Gitarre und kleine Ensembles, die mit ihrer Thematik - man ahnt es, Verehrung, Liebe, Beschlaf und wollüstigen Tod - auch dem reaktionärsten Biedemeier erlaubten, im Salon den spanischen Stier rauszulassen. So, wie heute für die Freundinnen das, was auf Malle passierte, Urlaub war und deshalb nicht zählte, konnte man sich damals mit Sors Liedern Extravaganzen erlauben, für die man anderweitig einen Tritt bis zum Brunnen vor dem Tore erhalten hätte. Deshalb klingt es auch so, wie soll ich sagen, na, ganz anders als das, was man sonst aus der Gattung Kunstlied kennt. Verfeinerte, raffinierte Volksmusik, die nur den einen Zweck kennt - nach der Gitarre das Strumpfband zu zupfen.
Fernado Sor, Seguidillas Boleras, brilliant gesungen und eingespielt von Xavier Diaz-Latorre (allein schon der Name!) und Laberintos Ingeniosos, erschienen bei Zig-Zag.
donalphons, 18:29h
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