: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 7. Oktober 2008

Das Ende der Märkte und Banken

Vielleicht mache ich mich jetzt zum Affen. Aber nachdem alle Medien auf dieser Raserei auf der Passstrasse ins Verderben immer nur die nächsten stürzenden Felsen, die Eisplatten und bestenfalls die nächste Kurve im Blick haben, an deren Leitplanken entlang unser System in die nächste Serie von Gefahren schliddert -



möchte ich hier kurz anhalten und eine Vorhersage machen, wie das alles seinen Höhepunkt und gleichzeitig sein Ende findet. Und ich sage: Es dauert nicht mehr lang. Wir reden von Tagen oder bestenfalls Wochen. Konkret: Übernächstes Wochenende gibt es meines Erachtens die ganz grosse Notbremse von staatlicher Seite, das Ende der Märkte und der Privatbanken in der Form, wie wir sie kennen.

Wie vorhergesagt, hat Island fertig. Wir sehen einen bankrotten Nationalstaat mit Banken, die das geld ihrer Kunden mit in den Untergang nehmen. Die Staatsgarantie hat gerade einmal ein paar Stunden gehalten, während die Kreditlinien austrockneten und auch niemand mehr die isländische Krona handeln wollte. Ein Währungskollaps um 50% bringt jedes System in die Knie.

Es ist nur logisch, dass jetzt zwei Reaktionen kommen: Die Hoffnung auf eine globale Leitzinssenkung und die Suche nach den nächsten Kandidaten, denen ein isländisches Schicksal blüht. Man muss nicht weit gehen: Irland sieht mit seinen deregulierten Banken, seiner ansonsten irrelevanten Wirtschaft, seiner verblödeten Politikerkaste und den Billionenrisiken seiner windigen Finanzakrobaten wie ein aufgeblasenes Island aus.

Während eine globale Leitzinssenkung um üppige 50 bis 100 Basispunkte und in der Folge eine zweitätige und angesichts der fundamentalen Entwicklung sinnlose Rally an den Börsen denkbar ist, ist eine Rettung Irlands sehr, sehr unwahrscheinlich. Einfach, weil sich nach dem Debakel der Isländer jeder vom Kleinsparer bis zum Konzernchef fragt, was ähnlich wackelt. Irland ist das natürlich Opfer, und ich wäre nicht überrascht, wenn man sich am nächsten Wochenende dort ebenso vergeblich um eine Rettung bemühen würde, wie Island. Die Woche drauf kommt dann der Bankrott. Während aber Island und Irland per se politisch bedeutungslos sind, wäre die nächste Eskalationsstufe weder finanziell noch politisch zu regeln.

Das ist Grossbritannien. Nicht nur wegen seiner engen Finanzanbindungen an das irische Finanztschernobyl. Sondern weil die Banken der Insel schon heute selbst nach Geld und Teilverstaatlichung schreien. Die Insel ist nichts anderes als ein grösseres Irland, die Paralellen wären tödlich. Natürlich könnte der Staat noch die ein oder andere Bank übernehmen. Und dann von anderen Banken als reale Bank wahrgenommen werden, die zu den Verpflichtungen steht. Und unverzüglich zahlt. So viel und so schnell wie möglich, denn in dieser Lage würde die Vertrauenskrise der Banken nicht begrenzt werden. Sie würde auf den Staat überspringen.

Wie verheerend staatliche Übernahmen gerade ausgehen, geht im dummen Gegaffe der Medien auf die Aktienkurse unter, aber bei der Versicherungsgesellschaft AIG musste die amerikanische Notenbank innerhalb weniger Wochen 61 Milliarden Dollar raushauen. Und nachdem ich früher an Due Diligences mitgewirkt habe, kann ich auch sagen: Es ist selbst mit einem ganzen Eimer McKs unmöglich, eine grössere Bank innerhalb von einem Monat so zu durchleuchten, dass man grössere Risiken unwahrscheinlich macht. Es geht allein wegen der internationalen Verbindungen nicht. Es geht nicht, weil man in diesem Markt während der Due Diligence ständig alle Risiken tagesaktuell neu bewerten müsste. Das hat schon bei der Hypo Real Estate nicht funktioniert, und dem Staat fehlen dazu auch die nötigen Kapazitäten.

Durch die Verstaatlichung verhindert der Staat einen Kollaps weiter Teile des Bankensystems und der Börsen, fügt sich aber selbst eine dauerhaft blutende Wunde zu, aus der Geld zu Banken sprudelt, von denen keiner weiss, wann sie die nächste Wunde verursachen. Angesichts der läppischen Börsenwerte von ein paar Milliarden für eine grössere englische Bank bei einem zig-Fachen an Verbindlichkeiten darf man aber annehmen, dass es nicht allzu lang dauern wirs, bis die Banken an Liquiditätsmagel draufgehen. Eine Woche, würde ich sagen. Wenn es gut geht.

In der Folge würde man ein paar globale Runden Assetverkäufe sehen. Banken und Firmen und Staatsfirmen würden wie jetzt schon in Island und Korea alles mögliche verschleudern, um an Liquidität zu kommen, während oben die Notenbanken zusehen müssten, wie die reingepumpte Liquidität im System steckenbleibt. Grob gesagt: Jeder würde versuchen zu bekommen, was gerade geht. So viel wie möglich von den Staaten nehmen, um das Überleben zu sichern, aber nichts zu geben.

Ich lasse jetzt mal neben den fallenden Hauspreisen und der allgemeinen Rezession bewusst ein paar andere, bislang nur von Exoten diskutierten oder erkannten Gefahrenquellen weitgehend raus, wie unsere 45.000 Billionen Derivate, die Besitzer der britischen, deutschen und amerikanischen Staatsverschuldung, die überlegen müssen, mit welchem Staat sie ihre Staatsreserven retten wollen, oder das Ende der amerikansichen Altersvorsorge über Fonds, oder das Implodieren der Hedgefonds, oder die de-facto-Pleite amerikanischer Bundesstaaten, Städte, Wasserversorgungen und anderer Dinge, die man über den Kapitalmarkt finanzierte (Welcher Depp will eigentlich die Bahn privatisieren?). Allein schon in der Frage der Bankenkrise und Liquidität wäre das vereinigte Königreich der "Point of no return", und dann stellt sich die Frage, ob man das letzte gute Geld einer Nation dem schlechten nachwirft, obwohl die verängstigten Kunden vom Sparer bis zum Hedgefonds die Flucht antreten und rauchende Trümmer zurücklassen werden. Ich lehne mich hoffentlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich das für den kommenden Donnerstag oder Freitag in einer Woche vorhersage.

Das wiederum ist prima, denn es bleiben zwei Tage ohne Märkte, um das einzige zu tun, was bleibt und auch sinnvoll ist:

Den globalen Ausverkauf verhindern, indem man die wackelnden Banken verstaatlicht, die nicht wackelnden Banken unter Notverwaltung stellt und gleichzeitig die Märkte schliesst. Nicht nur in England, sondern umfassend in allen Industrienationen. Ein Staat allein würde sich mit so einem Vorgehen a la Island und Irland den Geiern der internationalen Finanzwirtschaft vorwerfen, aber mit einer konzertierten Aktion über das Wochenende könnte man den Status quo sichern und beginnen, den Giftmüll der gegenseitigen Forderungen aufzulösen und abzurechnen, hier und da einen Währungsschnitt vorzunehmen, zu entschulden und neue, langfristige Sicherheiten zu entwickeln. Es geht nur, wenn alle mitmachen, aber eine andere Möglichkeit, die komplette Kernschmelze zu verhindern und unseren Lebensstandard zu sichern, sehe ich nicht.

Es wäre danach immer noch schlimm genug für alle. Es wäre ziemlich nah am Kommunismus, verwaltet und kontrolliert durch einen Haufen Idioten, die es so weit haben kommen lassen, aber ein deutscher Beamter ist mir da immer noch lieber als ein Finanzjockey, der auf die nächste Prise Koks wartet. Es wäre auch eine immense Umverteilung, die Wirtschaft würde Schaden nehmen, aber wer nur ein klein wenig Einblick in die Marktmechanismen hat, wird zum Schluss kommen, dass man dem ein Ende setzen muss. Schnell und umfassend. Ja, auch mit diesem Personal. Einknasten kann man sie später immer noch. Wenn die Banken dem Staat gehören, findet sich genug Material ohne Hausdurchsuchung.

Man wird es tun, und nicht nur, weil die UdSSA sich im November einen neuen grossen Vorsitzenden des Staatsrats wählen. Ich lehne mich sehr, sehr weit aus dem Fenster, ich weiss. Wenn ich nicht recht habe, und es weder den Zusammenbruch nich die Stlllegung der Märkte gibt, werde ich behaupten, dass ich zu früh aufgestanden bin, zu lange in einer Krisensitzung mit ein paar Briten war, die nicht wussten, ob sie mit ihren Karten noch das Hotel bezahlen können ("Herr Porcamadonna, könnten Sie mal unseren Gästen etwas Geld von der Bank holen, am besten gleich bei der Commerzbank"), und mir auf dem Heimweg übernächtig ein paar schräge Gedanken gemacht habe. Falls ich aber recht habe: Schon mal an Schweizer Franken gedacht?

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Der dümmste Börsenspruch von allen

"Wenn der letzte Funken Hoffnung und der letzte Bulle verschwunden sind, soll man wieder kaufen."

Den Spruch habe ich schon im späteren Jahr 2000 gehört, als der Nemax unter 8000 Punkten blieb. Dann bei 7000. Bei 4000. Bei 2000. Als er dann unter 1000 war, stellte sich heraus, dass der Spruch in einer fundamentalen Krise nicht stimmt. In einer Krise geht der Markt zu vernünftigen Fundamentaldaten wie einem mittelfristigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (1/15 ist fair) und Kurs-Umsatz-Verhältnis zurück. Vollkommen zurecht. Und bei den trüben Gewinnaussichten der kommenden Jahre wird das noch ziemlich abwärtws gehen. Egal was jetzt die üblichen Hypetheoretiker an Börsenbauernregeln rauslassen.

Wir kommen locker unter 4000 beim Dax und 7000 beim Dow. Wenn ich vom Noteinsatz zurück bin, erkläre ich auch, warum.

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