Die Typographie meines sozialen Umfeldes

Ich habe nichts gegen Golfer. Ich neide keinem, der mich bei einer Auktion deklassiert, selbst wenn ich wochenlang gehofft habe. Heute Abend bin ich bei einem Empfang einer Firma eingeladen, bei der wir seit über 100 Jahren Kunde sind, und deren Besitzer immer reicher, immens viel reicher waren, und die immer höchst freundlich und leger mit mir und meinesgleichen umgegangen sind, auch wenn ihre Produkte so gut sind, dass wir seit 30 Jahren nur noch sporadisch eingekauft haben. Ich kann es auch verstehen, wenn der Vater einer Liebsten etwas despektierlich auf meine Surfboards blickt, wenn er an seine alte Mahagoniyacht denkt, die wirklich, wirklich schön ist. Ich kann mit den diversen Dünkeln verschiedenster Wohlhabender prima umgehen, solange ich nicht meinen Hut vor lebensgrossen Porzellantigern ziehen muss, und was ich wirklich nicht mehr ertrage, verblogge ich. Selten. Höchst selten. Denn die meisten sind höchst angenehme Menschen. Aber jetzt ist es mal wieder soweit:



Und es ist nicht, weil ich dem Segelclub die Villa am See neiden würde. Sollen sie. Aber denen gehört der Platz nur bis zu ihrer hohen Hecke. Danach gehört es über die Schlösser- und Seenverwaltung dem Staat, also mir und allen Staatsbürgern, und der Freistaat Bayern garantiert mir das Recht, mich davor bei der Nutzung des Gewässers aufzuhalten. Auf gar keinen Fall muss ich irgendwelchen Seglern, die nur zweimal im Jahr ihre Boote über das Ufer transportieren, den Weg freihalten. Natürlich kann ich mein Badetuch oder mein Surfboard schnell beiseite räumen, wenn man mich darum bittet.

Aber nicht so: BOOTSZUFAHRT ZUM SEE bitte FREIHALTEN Danke. Da ist die Höflichkeitsformel angesichts des durch nichts begründbaren Anspruchs klein, viel zu klein gehalten. Es ist das Gegenteil von Höflich, es ist pure Heuchelei angesichts des nicht begründbaren Anspruches WENIGER an die allgemeinheit. Mit diesem Schild ging den Segelvereinsmeiern eine Haltung durch, die auf geradem Weg nach Liechtenstein führt, und es beleidigt jeden, der aus seinem Besitz Verantwortung ableitet. Ein paar Minuskeln sagen alles über diese Leute da.

Und das Schlimmste: Keine Manieren. Das sind die Leute, denen man nicht vorgestellt werden möchte.

Donnerstag, 21. Februar 2008, 16:19, von donalphons | |comment

 
NEUreiche. Ganz eindeutig. Und gucken Sie sich doch mal diese lächerliche Windfahne auf dem Türmchen an! Das sind Menschen, die auch Porzellanpuppen sammeln, wenn sie wenigstens von den Tigern abgesehen haben.

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Stimmt auch wieder.
Die sammeln Hummelfiguren und MCM-Taschen. Ganz sicher.

Jedenfalls hat es mir die Idee verleidet, mir eine Jolle zu kaufen. Man will ja nicht verwechselt werden.

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Och, es gibt auch Jollenklassen, mit denen du bestimmt nicht mit solchen Leuten verwechselt wirst. Bunt und schnell... (und anspruchsvoll, aber wenn du am See wohnst hast du ja Gelegenheit zum Üben.)

Oder nen Kat.

Hach, ich freu mich auf den Frühling.

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Ich bin nun mal ein Freund von Holz (und Messing). Einfach wegen des schönen Materials. Das Problem ist ein wenig, dass ich bei kattauglichen Windstärken sowieso auf das Brett umsteigen würde, aber surfen ist halt ein wenig unsozial-egoman. Im Prinzip wäre was für bis zu 4 Windstärken für mehrere nicht ganz schlecht. Aber ich fürchte mich vor der damit zusammenhängenden Art Sozialtum.

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...mal ganz abgesehen von dem einfach häßlichen schild-an-sich auf dem angenehm schlichten tor, das zwar zugegebenermassen mal wieder gestrichen werden könnte, aber etwas patina ist seeseitig zugelassen.
und einfach nur irgendwie drangewurschtelt die blasierte "weil-ich's-kann"-beschriftung geradezu unterirdischer vereinsbräsigkeit*.
"WIR HABEN SCHLIESSLICH bitte GESAGT!"

*wobei es diese vereinsbräsigkeit auch in selbstverwalteten autonomen jugendzentren gibt. was es in diesem fall eigentlich nicht besser macht!

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Ein kleines Schild "Ausfahrt" hätte es auch getan. Don hat recht. Das ist die "hoppla-hier-komm-ich"-Gesellschaft.

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Das Beste ist ja: Hochnäsige Reiche stinken auch, wenn sie pupen.

(Abwandlung von: "Im Stau bist Du mit Deinem SUV auch nicht schneller")

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jetzt musste ich doch laut auflachen ob dieses déja vus. ufer-anrainer der oberen-zehntausend-sorte sind offenbar überall gleich. den beweis liefert diese posse hier - http://www.historische-uferregion-griebnitzsee.de/

wohlgemerkt gehörte der uferstreifen nach dem mauerfall dem bund. die stadt potsdam sollte ihn kaufen, aber dann war es doch "billiger", auf die nötigung des schnell gegründeten "anrainer-vereins e.v." einzugehen. so läuft das, auch heute noch, in unserer demokratie.

das wohngebiet am griebnitzsee, um das es geht, ist übrigens höchst historisch. magda quandt wohnte beispielsweise dort, bevor sie sich mit herrn goebbels liierte. die quandts haben noch heute dort familienbesitz. der den verein unterstützende rechtsanwalt flüh (ein ganz scharfer hund) ist übrigens der, den ich neulich erwähnte, als es um das jahresgehalt und den unterschied von 50.000 euro ging. der wohnt ebenfalls dort am ufer, in einer villa.

die veranstalten demnächst dort ein großes osterfeuer, fürs volk, wie man liest.

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Und da behaupten die Leute immer, die Unterschicht habe keinen Anstand. Ich vermute mal, in den Köpfen von manchen Straßenprolls und manchen der oben genannten Leute gehen gar nicht so unterschiedliche Dinge vor, sie werden bloß auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht.

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Ich würde - lebte ich in der Nähe und hätte ich Geld & Zeit bis zum Abwinken - zwecks Karrikatur ein überdimensioniertes Schild vor der "Bootszufahrt" positionieren. Viermal so groß wie das Schild und mit der gleichen Botschaft. Ein ausrangierter FDP-Plakataufsteller würde völlig reichen.

Was ironischerweise die "Bootszufahrt" temporär versperren würde und ein wirklich schönes Bild gäbe.

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@itha
Der Wahlspruch ist ja der Hammer:

Beatus ille qui procul negotiis
Glücklich ist jener, der fern von den Geschäften ist

Ist aus Horaz' Epode 2 und meint eigentlich nicht das gemeinnützige Engagement sondern ist als ein Lob auf das Landleben gemeint.

An der Stadtgrenze zu Berlin ist das ja vollendens unangebracht. Aber so sind die frischen Bildungsbürger in ihren restituierten Villen.

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Genauer gesagt: Erstrebenswert galt der römischen Oberschicht, zu der auch Horaz gehörte, das "Gotium", das gute, arbeitsfreie Leben. Man kann jetzt darüber reden, ob mit "Negotium" nur körperliche Arbeit gemeint war, oder jede Form nervender Beschäftigung, aber der Trend geht nicht nur zum Lande, sondern indirekt auch zum Verachten der sich abarbeitenden Bevölkerung.

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@strappato: ja. und vielleicht ist es hier überflüssig zu erwähnen, weil es alle hier lesenden schon kapiert haben - aber man muss sich das trotzdem alles mal auf der zunge zergehen lassen: es geht hier nicht, aber so ü-ber-haupt nicht ums gemeinwohl. und auch nicht (aus irgendwelchen ideelen, philosophischen oder gar ästhetisch motivierten gründen) um den zugang zum see. nicht vorrangig jedenfalls. sondern es geht um den eigenen zugang zum see nur mittelbar zur wertsteigerung oder -erhaltung des eigenen grundstücks. ausschließlich. aber die art, wie es als engagement fürs gemeinwohl verkauft wird, alle achtung! "wir sind der weg!"

nachtrag: es geht natürlich auch um abschottung. die paar prolls dürfen gern zum osterfeuer kommen (und ihre eigenen getränke mitbringen). sobald die sache durch ist, kommt da so schnell kein lästiges volk mehr lang. insofern ja: verachtung im allerhöchsten maße, versteckt als interesse am gemeinwohl.

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