Porzellandiskurse

sind im Moment in meinem Clan nicht selten, geht es doch um die wichtige Frage, was nun vom familiären Besitz an den Tegernsee verfrachtet wird, um dort die Bedürfnisse auch anderer Familienmitglieder, wenn die mal kommen, zu befriedigen. Das problem it, dass die Wohnung gewissermassen vom ersten Tag an bespielbar sein muss, denn neben meinen Freunden haben sich auch schon sämtliche kaffeeklatschfreundinnen meiner Frau Mama und etliche alter geschäftspartner meines Herrn Papa und überhaupt jeder, der überlegt, den Schritt an den Tegernsee auch zu tun, und das sind erstaunlich viele, angemeldet. Und da kann es nicht zugehen, als wären wir auf der Brennsuppn dahergschwumma, wie meine Grossmutter immer so treffend bemerkte, und natürlich wie immer recht hatte.

Allerdings gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Ich stehe vor dem ca. 4 Meter langen Erstporzellanschrank meiner Mutter und mache Vorschläge. Das historische Rosenthal, das sie nie benutzt? Niemals! Viel zu protzig für den Tegernsee, und ich sei ja nicht in Rottach. Die mittlerweile auch historische Fayence aus Rosenheim? Nein, das ist so schön für Sonntag daheim, da hat sie sich daran gewöhnt. Das Wedgwood von Grosstante P., das nur alle Sabbatjahre mal raus darf? Eben! da darf es raus! Das Geschirr vom Landrichter S.? Nein, das ist viel zu gross, das hat am tegernsee keinen Platz! So geht das weiter bis zum in der Einliegerwohnung stehenden Geschirrschrank Nummer 3, in dem ein Art Deco Service von Paul Müller seit 5 Jahren schlummert... Das will deine kleine Schwester, das geht nicht!

Beim Thema besteck muss ich erst gar nicht anfangen, da ist der verlust an die eigene Familie nun schon seit Jahren fast so hoch wie die Zukäufe. Und wer nun meint, meine Familie sei gierig und teile nicht: Nein. Meine Familie ist nur das ideale Bespiel für die Erkenntnis, dass Besitz durch Behalten entsteht. Weshalb ich am Wochenende beschloss, fast militärisch bei mir umzugruppieren:



Diese entzückende blaue Streublume lag ganz unbeachtet, ganz unten in einer schlechten Kiste auf einem ganz schlechten Flohmarkt, und ist genau das Service, das ich mir mit Blick auf die Berge auf der Terasse vorstelle. Es war so lachhaft billig - 21 Teile für 4 Euro - dass man draussen nichts riskiert, selbst wenn Nachbars Katze Unsinn auf der Suche nach Sahne treibt, und das, nachdem die Firma heute Teil des Rosenthal-Konzerns ist, auch Gästen zugemutet werden kann. Und weil schlechte Flohmörkte noch mehr schlechte Kisten haben, lag ein paar Stände weiter ein praktisch neues Besteck von OKA. Würden sich diejenigen, die Omas altes Besteck für 8 Euro verschleudern, mal mit der Geschichte von Otto Kaltenbach, seiner Silberschmiede und der Website von Wilkens, zu denen OKA gekommen ist auseinandersetzen, wüssten sie, dass sowas heute nicht ganz billig ist, 1000 Euro, und es nicht einfach so hergeben.

Und dann war da noch ein Service "Barock" von Winterling, dessen türkische Verkäuferin mir was erzählen wollte, dass es mal 300 Euro gekostet hätte, als sie es mir für 20 verkaufte - was dreist, wirklich dreist gelogen war, neu kostete es fast 500. Das kommt jetzt auf meine Terasse, und dafür geht mein für die Terasse zu feines Hutschenreuther mit mir an den See.

Und ich muss meiner Frau Mama keine seelischen Grausamkeiten antun. Mutters Seelenfrieden für 32 Euro - das ist wirklich günstig.

Dienstag, 11. März 2008, 11:36, von donalphons | |comment

 
... klingt ein wenig nach der Art von Diskussion, die beim Umzug ins Altersheim faellig wird ... obwohl ... Altersheim? ... Tegernsee? - na, da sind wir doch schon wieder beisammen!

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Man kann nicht früh genug damit anfangen, sich zur Ruhe zu setzen.

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Wohl dem, der solche Flohmärkte in der Nähe hat.

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also in deinem matriarchat, da pfeift doch der teekessel! geschirr gehört in den gebrauch, nicht in den schrank!:)

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Bei uns wird Silberbesteck seit achtzehnhundertnochwas immer nur von Generation zu Generation weitergegeben.Erstaunlich: Obwohl die Menschen kleiner waren, waren die heutigen Essbesteckgrößen Kinderbestecke. Die Messer für die Hauptmahlzeiten sind 30cm lang. Dafür gibt es je eigene Bestecke z.B. für Marzipanbrote und Obst.

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Das beruht vor allem auf Nutzungsänderung und Stilverluste in den 60er Jahren. Man kann alte Löffel nicht in den Mund schieben, dazu sind sie zu gross, und man hat das auch nicht getan, sondern schräg von vorne davon getrunken. Das heisst, manche tun es immer noch, aber im grossen und ganzen ist es vorbei. Ausserdem gab es durchaus noch ein kleineres Besteck für Vorspeisen, das in etwa die heutige Grösse hat. Mit dem grösseren besteck konnte man effektiv das besteck für die Gangabfolgen ausdifferenzieren, und abgesehen davon erlaubt es grösseres Besteck, Nahrung eleganter zu führen.

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In englischen Filmen nippen die Leute ihre Suppe immer noch seitlich vom Löffel. Fällt mir jedes Mal auf, wenn in englischen Filmen Suppe gegessen wird. Löffel immer quer, und nie kleckert einer.
Zuletzt sah ich das in Abbitte, da gibt es auch eine Suppenszene.

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Wie gesagt - ich möchte sehen, wie jemand meine grossen Silberlöffel von 1903 in den Mund schiebt. Mein Mund ist nicht klein, aber schon mir fällt das nicht leicht. Erziehung durch Alternativlosigkeit ist die Devise dieses Bestecks. Haltung oder mit den Fingern essen. Dazwischen gibt es nichts.

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Immer wieder erstaunlich, dass Geschirr wie dieses heutzutage auf Flohmärkten zu derartigen Preisen verramscht wird. Bei meinen Großeltern waren Rosenthal, Meissen und Co. (mit Goldrand!) noch das Symbol des sozialen Aufstiegs schlechthin, präsentiert in Vitrinen und natürlich so gut wie nie tatsächlich benutzt. Im Übrigen war es nicht besonders lustig bei meinen Großeltern - man musste als einziges anwesendes Kind ständig stillsitzen, nur reden, wenn man gefragt wurde, und jeglicher Fauxpas beim "guten Benehmen" wurde lang und breit in der Erwachsenenrunde in Gegenwart des Kindes diskutiert. Aber das ist eine andere Geschichte, kam mir nur anlässlich des Porzellans in den Sinn...

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Nun,
was ist daran erstaunlich, dass Menschen sich von Krempel trennen, dem so unangenehm-krampfige Erinnerungen anhaften? Aus genau diesen Gründen kann mir das Goldrand-Geschirr, um das früher permanentes Geschiss an der Sonntagstafel veranstaltet wurde, weiträumig gestohlen bleiben.

Vielleicht muss man auch astrologisch betrachtet ein Erdzeichen sein, um beim Geschirrkult so richtig von Herzen dabei sein zu können. Mir als Wasserzeichen gibt das eher nichts. Wobei ich das Faible für Silberbesteck und die englischen Teekannen mühelos nachvollziehen kann, aber die Metalle (zumal die edleren) verweisen den Kundigen ja auch auf die höheren Ordnungen der Stofflichkeit...

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... d'accord, d'accord - sollte ich jemals das doofe Familienmeissner erben, dann gibt es nur eins: Glascontainer!

zwei Fliegen mit einer Klappe: man demuetigt das affige, wie haessliche Geschirr, und versaut auch gleich noch eine ganze Schmelzwanne mit Altglasschmelze, mindenstens ....

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Und rätst Du mir, das Familiensilber bei Klöckner in den Tiegel zu schmeißen?

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... weg damit ......... der ganze Plunder ...

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Hängt immer davon ab, was man damit verbindet. Bei mir ist es zuallererst Sicherheit, und dann auch das Gefühl, den Vorgang und den Gast ernst zu nehmen. Weil ich es genauso erfahren habe. natürlich gab es da auch Exzesse, das ist unvermeidlich, wenn Anbieten zur blossen Angeberei verkommt. Letztlich bleibt immer die Frage, was man hat, und was man tut. Würde man alles wegräumen, was miese verbindungen hat, hätte man ganz Deutschland nach 45 nuken müssen. Evil tradition? Build your own tradition. Wegschmeissen um des wegschmeissens willen ist keine Rebellion, es ist nur dumm. Was kann denn das arme Geschirr für seine Besitzer.

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Wegschmeißen
sollte eigentlich immer nur die ultima ratio sein, sobald man wirklich ausschließen kann, dass da noch jemand ist, der eventuell seine Freude dran hätte.

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*schnipp* *schnipp* *schnipp*

Mein Problem ist ja eher, dass dann alle möglichen Leute kommen und sagen, oh, sowas wäre nett - da hat man dann immer gerne was zum verschenken.

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Gib es zu, Du hast die Wohnung nur gekauft, um aufzufüllende Lücken in Deinen Besteck, Teeservice und Tellerbestand zu reißen.

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Der Grund
In der modernen Architektur gelten Gebäude vor allem als "umbaute Räume" - und genau dieser Ansatz lässt den neuesten Immobilienerwerb leichter verstehen: Nachdem nun der Stadtpalast mit Silber, Gold, Lüstern, Spiegeln und Porzellan gefüllt wurde, zudem mit Mietern, galt es nun, man könnte es auch "ursozialdemokratische Verantwortung gegenüber der Nachfrageökonomie" nennen, eine gewisse und wegen Stockung erschwerte Abnahmeverpflichtung gegenüber den altgedienten Händlern und Flohmärkten zu beachten, welche durch den Erwerb Tegenseer umbauter Räume auf eine nun wieder kontinulierlicher entsprochen werden kann.

(Rubrik: Bandwurmsätze, die Don erklären helfen)

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Das erstaunliche ist aber doch, dass es ganze Porzellanabteilungen in den Kaufhäusern gibt, in denen der mieseste Schund "made in China" (oh the irony!) teurer ist als die edle Ware der Flohmarktkisten.,

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Irony on ivory
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Rosenthal kaum mit dem Produzieren von "Marie Weiss" nachkommt, weil es in gewissen Agenturen, Banken, Kanzleien und Haushalten der Standard ist. Ich mache mir da nicht viele Sorgen, denn einerseits ist da immer eine Tante Hilde, die genau weiss, was sie verschenkt, und ausserdem verwandelt sich die Beschenkte im Laufe der Jahre ohnehin zur Tante Susanne, lernt es schätzen, und was schenkt sie Lea-Sophie?

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