Unbehagen auf 760 Meter

Während man sich in Berlin noch Gedanken über die Besetzung, den Kauf oder die Restaurierung von Seeimmobilien macht (Kommentar 29! Liesl und ihre innere Tegernseeerin mit dem Traum der sauberen Häkelgardinen!), ist man im Süden der Republik schon weiter. Genauer: Auf dem rutschigen Parkett des Seelebens. Man hat die Küche eingeräumt und kann sich nun dem erneuten Versauen der mitgebrachten Familienschmuckstücke widmen, zu deren Reinigung es nachher an Schwamm und Spülmittel fehlen wird.



Es ist ja ein Graus mit diesen Seeimmobilien: Wenn man sie sich leisten kann, ist es in aller Regel mit dem Spass vorbei. Im Ort, wo ich diese sagehaft rosa Torte kaufte, deren Beschreibung allein mir wohl keiner wegen überzogener Klischeehaftigkeit glauben würde, in diesem Cafe eines CSU-Gemeinderates jedenfalls waren nach mir zwei ältere Damen dran, mit dem halben nigerianischen Staatsschatz am wenig ansprechenden Körper und einer Karosse vor der Tür, mit der man das Okawangadelta überbrücken könnte , und auf die Frage, ob sie Sahne zum Kuchen möchten, sagten sie NEIN und lachten verzweifelt, denn es war ein Lachen der Erkenntnis, dass alles, was sie in Zukunft tun, sie dem baldigen, fühlbar nahen Ende aller Ungewollten, Ungeliebten und Opfer der Erbenphantasien zutreiben wird. Keine Sahne also. Und das, obwohl sie sich viel leisten könnten. Jetzt, wo jede Ausgabe nur noch die Nachkommen ärgert, ihnen selbst aber nichts mehr bringt. Die Sahnecremetorte mit dem Caramel bitte auch noch, sage ich wohlgelaunt und LAUT dem dörflich gepierct und gesträhnten Thekenmädchen, das so auch in den Käffern Leipzig oder Berlin stehen könnte, vielleicht sogar in Gemeinden wie Dresden oder Bauzen, sollte sie das richtige Tribal auf dem verlängerten Rücken tragen. Da gibt es Unterschiede, nehme ich an. Und nein, das Ideal ist auch dieser See nicht, an dieser Stelle würde ich vielleicht sogar einen italienischen Kuchen für eine italienische Bedienung hinnehmen, aber es passt schon. Besonders, wenn es dann zu schneien beginnt.



Da sitzt man am Panoramafenster, wo exakt hinter dem Garten der erste 1000er steht, schaut zu, wie sich das Grün in der Dämmerung zu Grau und dann zu Blau wandelt, die dicken Flocken fallen, wie man es seit Jahren nicht mehr erlebt hat, ein letzter Gruss vom Bergwinter vielleicht, die Füsse liegen auf der Marmorplatte über der Heizung, und oben, im Hof, schlachtet der Bauer vielleicht gerade ein Biokalb für das Fressen der anderen, da wo das Licht durch die Nacht blinkt. Überall geht etwas zu Ende, die Zeit läuft aus, und überhaupt nimmt man zu wenig an den Rändern des Lebensweges mit, eine Schande, die sich hier obenüber dem See und unter den Bergen aber schneller abstellen lässt, als anderswo, und das sogar ohne Heiratsschwindeleien, für die Bad Wiessee so trefflich geeignet sein soll. Noch etwas dichter fällt der Schnee, schön ist es, wenn man drin ist und bleiben kann, mit einer Kanne Tee, dem Kuchen, und der leidigen Erkenntnis, dass man die Streichhölzer für die Kerzen vergessen und eine Küche ohne Gasherd hat.

Dienstag, 18. März 2008, 22:45, von donalphons | |comment

 
Und bevor die Frage kommt:
Ja, es sind Gartenmöbel aus Yellow Balau. Und ja, ich habe dafür mindestens 300 Euro mehr als im typischen Baumarkt gezahlt, damit das Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft kommt, und nicht von bengalesischen Kindern in 14-Stunden-Schichten verarbeitet wird.

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das ist natürlich die richtige antwort auf die zu spät gestellte frage.

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Man tut, was man kann.
Man will ja nicht als doppelmoralisches Schwein durch die von ebenjenen bewohnten Gassen der Blogosphäre getrieben werden, sondern auch in Zukunft darauf hinweisen, wenn ein pseudokritischer Journalist sich von den freunden chinesischer Mörder bezahlen lässt. Nebenbei sitzt es sich besser, wenn man nicht als indirekter Kolonialherr der Kapitalismus Arbeitsplätze zu denen exportiert, die davon ausser einer Staublunge nur eine ruinierte Zukunft haben. Die billigen, nach drei Jahren schrottreifen Garten- und andere Möbel aus Teak und Mahagoni der hiesigen Welt mit dem colonial chick sind eines der assligsten Themen der globalen Wirtschaft.

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ich wünsche für die nacht gute träume. denn du weißt ja, was man in der ersten nacht in einer neuen wohnstätte träumt...

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Das habe ich schon hinter mir. Geträumt habe ich nichts.

Was ich hier schreiben würde. *hust*

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lol

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Einfach mal...
...zwei bis drei Päckchen Streichhölzer im Handschuhfach des Roadsters deponieren. Schließlich nehmen die doch fast keinen Platz weg und sind dann immer verfügbar. Und überhaupt: Küche ohne Gasherd? Also, jetzt bin ich echt geschockt! ;O)

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Siehst du, auch ich dreckige, unfreundliche, arme Berliner Göre bin im Herzen ein Käsespieß. Ich mag gehäkelte Sachen, nur nicht als Gardinen. Allein das Wort Gardine verursacht bei mir Herpes. Dann lieber Vorhänge, lange, im Wind flatternde weiße (!) Vorhänge, in denen man sich in ein zu großes Männerhemd gehüllt am Morgen verheddern kann, wenn man total romantisch mal eben so auf den Balkon spazieren wollte, um zu gucken, was die Temperatur draußen so macht. Gehäkelt werden dann zum Frühstück Bikinis oder Tischdecken.

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"dreckige, unfreundliche, arme Berliner Göre"

Nana. Wer wird denn. Bei Dir steht vollkommen ausser Frage, dass Dein inneres Ich schon immer in der staubfreien und dienerbesäumten Villa weilte, in die zu ziehen des Körpers eigentlicher Begehr ist. "Villenbesitzerin in Spe an der Spree" sollte auf Deiner Visitenkarte stehen. Klingt hübsch und vielversprechend. Vorhänge kann ich nicht bieten, aber eine teilweise uneinsehbare Terasse mit Bergblick und einen grünen (!) Fensterladen vor dem Schlafzimmerfenster. Gewissermassen die Einsteigerversion für Einsteiger beim Fensterln, ganz ohne Leiter und Holzstoss.

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Wenn das eine Einladung ist, muss ich mir was überlegen.

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Jo freile. Owa come as you are, westerndirndlgwandade Oktoberfestzuagroaste homma gnua. Und Baden tut man auch hier im Bikini.

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Grüne Fensterläden? Das lockt (mich).

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