Der Berg und die Hölle

Der Berg da vorne ist ist keine Kulisse, er ist echt, sehr echt, echter als das meiste, was mein Leben sonst ausmacht, oder das Leben von irgendeinem anderen lebenden Bewohner dieses Planeten, und das macht ihn beruhigend, zumindest für mich.

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Der Berg ist nur die erste kleine Verwerfung in der Knautschzone zwischen dem europäischen Kontinent und der italienischen Halbinsel; er schiebt sich in den See und schafft das erste Erschwernis auf dem Weg in den Süden; nicht gerade ein Spaziergang und doch nur eine lechte Vorahnung der Bergwelt, die da kommen mag. Mit all seinen Bäumen, dem weichen Waldboden und den Kalkfelsen zwischendrin ist er ein winziger Teil der langgezogenen Kette, aber, wenn wir ehrlich sind: Die Menschheit wäre nicht mal in der Lage, so einen kleinen Berg hinzustellen. Würde man beispielsweise Manhatten plattquetschen und zu solidem Stein machen, wie hoch wäre es (theoretisch, das hier ist keine Wichsvorlage für Osama)? Ein Viertel, ein halber Meter? Ein ganzer Meter gar? Das hier sind vom See aus 500 Meter. Man könnte damit Berlin so auffüllen, dass nicht mal mehr der Fernseturm rausschauen würde. Wenn man könnte. Aber dazu reicht all die Macht der Menschen und besonders die der Firmen, die gerade abwärts taumeln, nicht aus, weder zum Verlagern, noch zum Aufrichten. Wir sollten uns damit abfinden: Wir kratzen hier an der Oberfläche, wir versauen unseren Lebensraum, aber der Berg war schon vor den ersten Menschen hier, er hat Eiszeiten überstanden und Hitzeperioden, die uns allesamt auslöschen würden wie ein lästiges Insekt.

Manche derer, die in sich mächtig fühlenden Firmen bestimmen, gehen mit ihrer Belegschaft auf Berge, um sie zu bezwingen, um es zu schaffen, um den Teamgeist zu fördern, der ihnen gerade auch nicht wirklich viel hilft, wenn sie in die Schlucht der Insolvenz und der Mittelknappheit rutschen. Demut ist eines der Wörter, die in Businessplänen nicht vorkommt, und seinen kalkulierten Auftritt nur mit Managerpriestern hat, die gerade als Pausenclowns bei Veranstaltungen en vogue sind, bevor es weiter um Leistung und Bereicherung geht. Ich denke, Erleichterung beim Ankommen und Demut beim Betrachten ist schon ziemlich viel, was man vom Berg mitnehmen kann, neben der Erkenntnis, dass der Weg der menschlichen Geschichte, vorsichtig gesagt, nicht wirklich zu den Allmachtsberauschungen verleiten sollte, die seit jeher die falschen Versprechungen der gekauften Hofpoeten sind. Heute ist Freitag, der Tag der harten Durchgriffe, und wenn ich wieder unten bin, wurde in Amerika vielleicht schon die nächste Bank geschlossen. Dieser Sommer ist denkwürdig, ein echter, warmer Sommer über einen brodelnden Hölle des Niedergangs, von der man weiss, die sich bislang aber weigert, sich hier oben zu manifestieren.

Und ich frage mich, wie man diesen Sommer in fünf Jahren betrachten wird. Wie den Sommer 2000, vielleicht, als auch keiner glaubte, dass es die ganze New Economy erwischen würde.

* Wer sich mit Stilleben auskennt, weiss auch, wie das geht: Vorne ist all der Prunk des guten Lebens, das Silber, die Speisen, das Glas und der Luxus der Zeit, das zu geniessen, aber im Hintergrund ist dann eine Allegorie, eine Szene, ein Ereignis, das all den Aufwand zu brechen in der Lage ist.

Freitag, 5. September 2008, 15:14, von donalphons | |comment

 
Kompliment. Man muss schon was erlebt haben, um den Weg, der unter den Füssen verläuft, von der winzigen Oberfläche des Bewusstseins unterscheiden zu können.

Nicht nur Stilleben, auch in Lyrik und Prosa, Musik (Fuge), Grafik, Fotographie wird mit diesem Gegensatz gearbeitet. Wer das nicht intuitiv versteht, sollte die Finger davon lassen.

Kontrast hin oder her, nach dem Sport ist das silberpräsentierte hier eine echte Qual.

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Mein Krieg war die New Economy, seitdem kenne ich die Geräusche und die Taktiken, um heil durchzukommen. Auf einen Grossteil der Erfahrungen hätte ich aber gern verzichtet, denn schöner ist es, qua positiver Einstellung anderes sehen zu können, denn aus unschönen Erfahrungen.

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