: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 6. September 2008

Es passiert nach dem Schreiben

[...]"Heute ist Freitag, der Tag der harten Durchgriffe, und wenn ich wieder unten bin, wurde in Amerika vielleicht schon die nächste Bank geschlossen. Dieser Sommer ist denkwürdig, ein echter, warmer Sommer über einen brodelnden Hölle des Niedergangs, von der man weiss, die sich bislang aber weigert, sich hier oben zu manifestieren."

schrieb ich vor ein paar Stunden. Inzwischen war ich auf dem Berg, und die Sonne ist untergegangen.



Und wie es aussieht, geht an diesem Wochenende ausnahmsweise mal keine amerikanische Bank über die Wupper, sondern das gesamte System der Hypothekenfinanzierer Fannie Mae un Freddie Mac. Das heisst, man wird es "retten", indem es vom amerikanischen Staat übernommen wird, mit unschönen Folgen für Steuerzahler, Aktienbesitzer und die vielen fetten Mitarbeiter dieser Firmen. Und vielleicht wird schon nächste Woche nach weiteren Bundeswehrtruppen für kostspielige amerikanische Militärabenteuer gefragt. Oder es gibt eine Hyperinflation. Oder die USA erklären den Staatsbankrott. Oder zumindest mal, wie schlimm es wirklich ist. Momentan hat man den Eindruck, da versucht ein Lungenkrebspatient im Endstadium sich mit einer Überdosis Hustenbonbons und zwei Schachteln Fluppen am Tag Gesundheit einzureden. Nach allem, was ich an rudimantärem Verständnis von Finanzkrisen habe, kann und wird das kein gutes Ende nehmen.

Edit: Siehe auch Big Picture.

Edit 2: Man muss nur warten können, dann geht am "Lethal Friday" nach Börsenschluss doch noch eine Bank über die Wupper.

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Der Berg und die Hölle

Der Berg da vorne ist ist keine Kulisse, er ist echt, sehr echt, echter als das meiste, was mein Leben sonst ausmacht, oder das Leben von irgendeinem anderen lebenden Bewohner dieses Planeten, und das macht ihn beruhigend, zumindest für mich.

*

Der Berg ist nur die erste kleine Verwerfung in der Knautschzone zwischen dem europäischen Kontinent und der italienischen Halbinsel; er schiebt sich in den See und schafft das erste Erschwernis auf dem Weg in den Süden; nicht gerade ein Spaziergang und doch nur eine lechte Vorahnung der Bergwelt, die da kommen mag. Mit all seinen Bäumen, dem weichen Waldboden und den Kalkfelsen zwischendrin ist er ein winziger Teil der langgezogenen Kette, aber, wenn wir ehrlich sind: Die Menschheit wäre nicht mal in der Lage, so einen kleinen Berg hinzustellen. Würde man beispielsweise Manhatten plattquetschen und zu solidem Stein machen, wie hoch wäre es (theoretisch, das hier ist keine Wichsvorlage für Osama)? Ein Viertel, ein halber Meter? Ein ganzer Meter gar? Das hier sind vom See aus 500 Meter. Man könnte damit Berlin so auffüllen, dass nicht mal mehr der Fernseturm rausschauen würde. Wenn man könnte. Aber dazu reicht all die Macht der Menschen und besonders die der Firmen, die gerade abwärts taumeln, nicht aus, weder zum Verlagern, noch zum Aufrichten. Wir sollten uns damit abfinden: Wir kratzen hier an der Oberfläche, wir versauen unseren Lebensraum, aber der Berg war schon vor den ersten Menschen hier, er hat Eiszeiten überstanden und Hitzeperioden, die uns allesamt auslöschen würden wie ein lästiges Insekt.

Manche derer, die in sich mächtig fühlenden Firmen bestimmen, gehen mit ihrer Belegschaft auf Berge, um sie zu bezwingen, um es zu schaffen, um den Teamgeist zu fördern, der ihnen gerade auch nicht wirklich viel hilft, wenn sie in die Schlucht der Insolvenz und der Mittelknappheit rutschen. Demut ist eines der Wörter, die in Businessplänen nicht vorkommt, und seinen kalkulierten Auftritt nur mit Managerpriestern hat, die gerade als Pausenclowns bei Veranstaltungen en vogue sind, bevor es weiter um Leistung und Bereicherung geht. Ich denke, Erleichterung beim Ankommen und Demut beim Betrachten ist schon ziemlich viel, was man vom Berg mitnehmen kann, neben der Erkenntnis, dass der Weg der menschlichen Geschichte, vorsichtig gesagt, nicht wirklich zu den Allmachtsberauschungen verleiten sollte, die seit jeher die falschen Versprechungen der gekauften Hofpoeten sind. Heute ist Freitag, der Tag der harten Durchgriffe, und wenn ich wieder unten bin, wurde in Amerika vielleicht schon die nächste Bank geschlossen. Dieser Sommer ist denkwürdig, ein echter, warmer Sommer über einen brodelnden Hölle des Niedergangs, von der man weiss, die sich bislang aber weigert, sich hier oben zu manifestieren.

Und ich frage mich, wie man diesen Sommer in fünf Jahren betrachten wird. Wie den Sommer 2000, vielleicht, als auch keiner glaubte, dass es die ganze New Economy erwischen würde.

* Wer sich mit Stilleben auskennt, weiss auch, wie das geht: Vorne ist all der Prunk des guten Lebens, das Silber, die Speisen, das Glas und der Luxus der Zeit, das zu geniessen, aber im Hintergrund ist dann eine Allegorie, eine Szene, ein Ereignis, das all den Aufwand zu brechen in der Lage ist.

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