Monolog
Mal wieder einen Studi getroffen, der gerade fertig wurde: Sag mal, wie das passieren konnte. Erklär mir, warum wir Kreativen, wir Jungen, wir gut Ausgebildeten, die bei Dir gelernt haben, keinen Job finden, kein Geld haben, keine Chancen, auch nicht nach 100 Bewerbungen, und wenn doch, dann nur irgendwas, von dem wir kaum leben können. Wann ist das bei Euch schief gelaufen.
1987. Im Sommer 1987. Im heissen, traumhaft schönen Sommer des Jahres 1987, am See, und zwar an dem Teil, den man den vielleicht 20, 30 jungen Windsurfern aus dem besseren Teil der Gesellschaft vorbehalten hatte, die alle in der Nähe wohnten und deren Eltern sie jeden Tag hier her brachten. Im Sand, da fing es an, und da ist es auch schon gescheitert. Normalerweise ist überall Kies, aber an der Stelle des ehemaligen Förderturms, dessen Fundamente noch stehen, ist Sand. Das war unser Platz. Der beste Platz, wir waren ja auch immer die ersten, weil wir daneben wohnten. Da hat alles angefangen.
Es gab nicht viel Wind in diesem Sommer, also sassen wir am Strand, und lasen. Nicht irgendwas. Wir lasen Tempo und Wiener. Wir sassen auf den Tüchern, Rücken an Rücken gelehnt mit Margot, Apothekerstochter, oder Evelyn, Tochter des Dresdner-Bank-Leiters, und lasen das, was die Redakteure uns von der grossen Welt da draussen erzählten.
Bis zu diesem Sommer wussten wir nichts. Wir ahnten, dass es nicht gut gehen würde mit uns. Wir sahen das Leben unserer Eltern zwischen Butzenglas-Doppeltüren, Kachelofen und dekorativer Graphik, und sie hatten uns schon früh gesagt, wo unser Platz war: Ihr Nachfolger, oder noch besser: Arzt. Gut, dann werde ich halt Sportarzt, ich bin ja im Tennisclub, dachten sich die meisten. Bestenfalls könnten sie noch Sportarzt in einer grösseren Stadt werden, aber dafür gab es auch keine echten Gründe, denn mehr Kunden für Sportärzte als hier würde es kaum irgendwo anders geben, bei den vielen Skifahrern, Tennisspielern und Reitern in dieser Stadt. Bis 1987 wusste keiner, was man sonst hätte machen sollen. Mein Gymnasium rühmte sich damit, die besten Techniker für die lokale Weltfirma hervorgebracht zu haben, und wir hatten 4 Leistungskurse Mathe und 2 WiSo, aber keinen für Deutsch.
Wir sassen im Sand, schauten nach Süden, Richtung München, 70 Kilometer von hier, und lasen, was dort möglich war. Dass es dort ganz andere Chancen gab. Werbung zum Beispiel. Damals waren in Tempo und Wiener diese Bilder für das Parfum Opium, eine Frau mit kurzen Haaren, die einen Mann energisch an sich ranzieht, schwupps, drei Wochen später sahen da alle so aus, die Eltern waren entsetzt, und wenn Margot dann den Kopf zurücklegte, kitzelten ihre Haare an meiner Schulter. Es war ein verdammt guter Plan, dieses Anything goes. Wir sahen es an uns: Alles war möglich. Ficken ja, heiraten nie, Evelyns Vater wäre durchgedreht, wenn er gewusst hätte, was wir auf dem Surfbrett gemacht haben. Wir kauften plötzlich Musik, die nicht im Radio lief. Wir bestellten Bücher, von denen die Buchhandlungen nichts gehört hatten.
Wir lasen sie hier auf diesem Sandvorsprung, und zwischen uns und München lag nicht mehr diese verdammte, tote, festgelegte Stadt der Zombies, sondern nur ein paar Kilomter, die wir mit Führerschein ganz lässig überbrückten. Wir fuhren hin, kauften bei Robot, Annas und Holy´s Klamotten, die übrigens noch nicht mal teurer als das hässliche Zeug bei uns zuhause in den sogenanten "Boutiquen" waren. Wir waren ganz anders als diese Stadt. Es war klar, dass wir sie verlassen und das tun würden, was uns von Tempo und Wiener geraten wurde. Multimedial, bunt, kreativ, flexibel, unabhängig, und am Abend dann ins Parkcafe. Klang gut. War gut. Die Provinzstadt verschwand bald irgendwo im Norden; nur noch eine vertraute Autobahnausfahrt auf dem Weg nach Frankfurt, wenn wir mal Viola besuchten, die Brokerin wurde.
Designer, Broker, Creative, Computer-Freak, das war hier alles schon angelegt. 10 Jahre später wären wir zusammen sicher ein grandioses Startup geworden. Irgendwann würden wir in diese Stadt zurückkommen, und es den Zurückgebliebenen zeigen. Das war der Anfang, und der Fehler. Die Grundprämisse war falsch. Man hätte die Zurückgebliebenen als Markt gebraucht, als Käufer, als diejenigen, die das alles bezahlten, unser Leben und die Ideale, die man festlegt, wenn ein paar Leute ohne Realitätsbezug zusammenkommen und sich für das Mass aller Dinge halten. Der Fehler war nicht, die Rebellion zu versuchen. Der Fehler war, die Realität in den Städten zu ignorieren, aus denen wir geflohen waren. Man hätte es schon früh merken können, als die lustig-bunten munich-area-style Projekte einiger Heimkehrer in dieser Stadt nach wenigen Monaten pleite waren. Ich hatte das Glück, alle 2 Wochen in dieser Stadt zu sein, und mich von meinem Vater mit 40 Jahren Erfahrung richtig erden zu lassen, ich hatte das verdammt nötig. Solange mein Dad als Referenzkunde nicht im Netz shopte, solang nur die Hungerleider und Praktis den E-Commerce tanzten, war klar, dass es nicht gut gehen würde.
Aber alle Politiker glaubten daran, alle Uni-Leitungen, und deshalb haben sie Euch gut ausgebildet, für einen Markt, den es nicht gibt. Bei AGs beteiligt man sich nur als Ich, man braucht keine Werber, man braucht Altenpfleger, man braucht keine Broker, aber Kassierer werden immer gesucht, man braucht kein mittleres Management im Business Development, man braucht Sachbearbeiter, und den RedakteurInnenposten erfickt man/eherfrau sich bundesweit, oder lässt es eben bleiben. Das hätten wir uns damals am See auch nicht vorstellen können, klar.
Ich bin heute nur noch selten an diesem See. Ich bin auch nicht allzu lang in dieser Stadt, höchstens mal 2 Wochen am Stück. An diese Stelle gehe ich eigentlich nie, obwohl sich hier, glaube ich, mein Leben entschieden hat. Zum Guten. Zum Besten, was angesichts der Realität möglich war. Ich habe einen gut bezahlten, kreativen Medien-Job, den ich liebe, ich bin nebenbei Schriftsteller, ich führe eigentlich ein sehr angenehmes Leben, und ich bin vielleicht sogar so eine Art Idealprodukt dessen, was Tempo und Wiener 1987 vorgegeben haben. Immer noch Zeitgeist, immer noch Anything goes. Es gibt nicht viele, die sich im Moment keine Sorgen machen müssen. Ich bin nicht hier hängengeblieben, ich bin kein Teil dieser kranken Nomenklatura dieser Stadt geworden, ich durfte fliegen, als alle anderen schon längst wieder in die sicheren Käfige gekrochen sind. Das ist viel, verdammt viel, wenn ich mir die jungen Leute anschaue, die jetzt von der Uni kommen. Ich habe die Rebellion mitgemacht, und am Ende meinen kleinen Markt gefunden, ein bisschen wie Voltaires Candide kann ich jetzt sagen, dass ich meinen Garten bestellen will.
Aber nicht hier. Hier habe ich Angst, schlichtweg Angst, hier all diese Leute von damals wiederzutreffen. Ich will nicht diese dummen, immer gleichen Geschichten hören, von den Erwartungen, von dem Glauben, den Visionen, die dann doch keinen Markt hatten, in deren Folge sie dann zurück gingen und das gemacht haben, was ihre Eltern richtig fanden. Sportarzt, Ingenieur, gute, angesehene Leute in Doppelhaushälften und Kindern, die in die Grundschule gehen und für die sie jetzt schon das Hochschulranking lesen. Meine Eltern und ihre Eltern reden ja noch und tauschen diese Geschichten aus, ich höre es indirekt, aber so Angesicht zu Angesicht? Sie würden mir sagen, wie gut es ihnen geht, wie alles geregelt ist in ihrem Leben, und ich müsste ihnen die Geschichten von Rebecca und Kristina erzählen, die tot sind, von Gerold, der mit seiner Galerie auch privat bankrott ging, von Viola, die seit drei Jahren in einer Kreditabteilung sitzt, von Yvonne, Oli und Gregor, die alles versucht haben, in der New Economy endlich alle Ziele erreicht haben, nur um sich heute mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Ich bin mir sicher, dass Margot mit ihren beiden Kindern, die sie von Jürgen hat, mich überhaupt nicht verstehen würde, denn diesen Sommer 1987 hat sie sicher schon längst vergessen und abgehakt, das war nur eine Marotte, die bis zum zweiten Studienabbruch gehalten hat, nicht mehr als eine Anekdote, denn so, wie man sich manchmal im ersten Freund irrt, irrt man sich eben auch in der Rebellion, und heute ist alles, alles gut für sie.
Aber nicht für mich. Ich will es nicht sehen. Von unserem 1987er Standpunkt aus ging es für fast alle schief, es gab keinen Markt für uns, denn die reaktionäre Scheisse, dieser gigantische Markt der Dummheit, dem wir entgehen wollten, hat die meisten eingeholt und sich wieder einverleibt. Da drinnen, in diesem arrivierten Moloch ist es ein warmes Plätzchen für Renegaten, und die machen die besten Kinder für die Unsterblichkeit der Dummheit. Es ist alles gut für sie, wenn auch nicht so schön wie der Sommer 1987 am See, als ich Rücken an Rücken mit Margot Tempo und Wiener gelesen habe, und es nur logisch schien, dass anything gehen wird, und dann lehnte sie ihren Kopf zurück, und ihre kinnlangen Haare, wie in der Werbung für Opium, streiften meine Schultern.
So fing das damals mit der New Economy an.
1987. Im Sommer 1987. Im heissen, traumhaft schönen Sommer des Jahres 1987, am See, und zwar an dem Teil, den man den vielleicht 20, 30 jungen Windsurfern aus dem besseren Teil der Gesellschaft vorbehalten hatte, die alle in der Nähe wohnten und deren Eltern sie jeden Tag hier her brachten. Im Sand, da fing es an, und da ist es auch schon gescheitert. Normalerweise ist überall Kies, aber an der Stelle des ehemaligen Förderturms, dessen Fundamente noch stehen, ist Sand. Das war unser Platz. Der beste Platz, wir waren ja auch immer die ersten, weil wir daneben wohnten. Da hat alles angefangen.
Es gab nicht viel Wind in diesem Sommer, also sassen wir am Strand, und lasen. Nicht irgendwas. Wir lasen Tempo und Wiener. Wir sassen auf den Tüchern, Rücken an Rücken gelehnt mit Margot, Apothekerstochter, oder Evelyn, Tochter des Dresdner-Bank-Leiters, und lasen das, was die Redakteure uns von der grossen Welt da draussen erzählten.
Bis zu diesem Sommer wussten wir nichts. Wir ahnten, dass es nicht gut gehen würde mit uns. Wir sahen das Leben unserer Eltern zwischen Butzenglas-Doppeltüren, Kachelofen und dekorativer Graphik, und sie hatten uns schon früh gesagt, wo unser Platz war: Ihr Nachfolger, oder noch besser: Arzt. Gut, dann werde ich halt Sportarzt, ich bin ja im Tennisclub, dachten sich die meisten. Bestenfalls könnten sie noch Sportarzt in einer grösseren Stadt werden, aber dafür gab es auch keine echten Gründe, denn mehr Kunden für Sportärzte als hier würde es kaum irgendwo anders geben, bei den vielen Skifahrern, Tennisspielern und Reitern in dieser Stadt. Bis 1987 wusste keiner, was man sonst hätte machen sollen. Mein Gymnasium rühmte sich damit, die besten Techniker für die lokale Weltfirma hervorgebracht zu haben, und wir hatten 4 Leistungskurse Mathe und 2 WiSo, aber keinen für Deutsch.
Wir sassen im Sand, schauten nach Süden, Richtung München, 70 Kilometer von hier, und lasen, was dort möglich war. Dass es dort ganz andere Chancen gab. Werbung zum Beispiel. Damals waren in Tempo und Wiener diese Bilder für das Parfum Opium, eine Frau mit kurzen Haaren, die einen Mann energisch an sich ranzieht, schwupps, drei Wochen später sahen da alle so aus, die Eltern waren entsetzt, und wenn Margot dann den Kopf zurücklegte, kitzelten ihre Haare an meiner Schulter. Es war ein verdammt guter Plan, dieses Anything goes. Wir sahen es an uns: Alles war möglich. Ficken ja, heiraten nie, Evelyns Vater wäre durchgedreht, wenn er gewusst hätte, was wir auf dem Surfbrett gemacht haben. Wir kauften plötzlich Musik, die nicht im Radio lief. Wir bestellten Bücher, von denen die Buchhandlungen nichts gehört hatten.
Wir lasen sie hier auf diesem Sandvorsprung, und zwischen uns und München lag nicht mehr diese verdammte, tote, festgelegte Stadt der Zombies, sondern nur ein paar Kilomter, die wir mit Führerschein ganz lässig überbrückten. Wir fuhren hin, kauften bei Robot, Annas und Holy´s Klamotten, die übrigens noch nicht mal teurer als das hässliche Zeug bei uns zuhause in den sogenanten "Boutiquen" waren. Wir waren ganz anders als diese Stadt. Es war klar, dass wir sie verlassen und das tun würden, was uns von Tempo und Wiener geraten wurde. Multimedial, bunt, kreativ, flexibel, unabhängig, und am Abend dann ins Parkcafe. Klang gut. War gut. Die Provinzstadt verschwand bald irgendwo im Norden; nur noch eine vertraute Autobahnausfahrt auf dem Weg nach Frankfurt, wenn wir mal Viola besuchten, die Brokerin wurde.
Designer, Broker, Creative, Computer-Freak, das war hier alles schon angelegt. 10 Jahre später wären wir zusammen sicher ein grandioses Startup geworden. Irgendwann würden wir in diese Stadt zurückkommen, und es den Zurückgebliebenen zeigen. Das war der Anfang, und der Fehler. Die Grundprämisse war falsch. Man hätte die Zurückgebliebenen als Markt gebraucht, als Käufer, als diejenigen, die das alles bezahlten, unser Leben und die Ideale, die man festlegt, wenn ein paar Leute ohne Realitätsbezug zusammenkommen und sich für das Mass aller Dinge halten. Der Fehler war nicht, die Rebellion zu versuchen. Der Fehler war, die Realität in den Städten zu ignorieren, aus denen wir geflohen waren. Man hätte es schon früh merken können, als die lustig-bunten munich-area-style Projekte einiger Heimkehrer in dieser Stadt nach wenigen Monaten pleite waren. Ich hatte das Glück, alle 2 Wochen in dieser Stadt zu sein, und mich von meinem Vater mit 40 Jahren Erfahrung richtig erden zu lassen, ich hatte das verdammt nötig. Solange mein Dad als Referenzkunde nicht im Netz shopte, solang nur die Hungerleider und Praktis den E-Commerce tanzten, war klar, dass es nicht gut gehen würde.
Aber alle Politiker glaubten daran, alle Uni-Leitungen, und deshalb haben sie Euch gut ausgebildet, für einen Markt, den es nicht gibt. Bei AGs beteiligt man sich nur als Ich, man braucht keine Werber, man braucht Altenpfleger, man braucht keine Broker, aber Kassierer werden immer gesucht, man braucht kein mittleres Management im Business Development, man braucht Sachbearbeiter, und den RedakteurInnenposten erfickt man/eherfrau sich bundesweit, oder lässt es eben bleiben. Das hätten wir uns damals am See auch nicht vorstellen können, klar.
Ich bin heute nur noch selten an diesem See. Ich bin auch nicht allzu lang in dieser Stadt, höchstens mal 2 Wochen am Stück. An diese Stelle gehe ich eigentlich nie, obwohl sich hier, glaube ich, mein Leben entschieden hat. Zum Guten. Zum Besten, was angesichts der Realität möglich war. Ich habe einen gut bezahlten, kreativen Medien-Job, den ich liebe, ich bin nebenbei Schriftsteller, ich führe eigentlich ein sehr angenehmes Leben, und ich bin vielleicht sogar so eine Art Idealprodukt dessen, was Tempo und Wiener 1987 vorgegeben haben. Immer noch Zeitgeist, immer noch Anything goes. Es gibt nicht viele, die sich im Moment keine Sorgen machen müssen. Ich bin nicht hier hängengeblieben, ich bin kein Teil dieser kranken Nomenklatura dieser Stadt geworden, ich durfte fliegen, als alle anderen schon längst wieder in die sicheren Käfige gekrochen sind. Das ist viel, verdammt viel, wenn ich mir die jungen Leute anschaue, die jetzt von der Uni kommen. Ich habe die Rebellion mitgemacht, und am Ende meinen kleinen Markt gefunden, ein bisschen wie Voltaires Candide kann ich jetzt sagen, dass ich meinen Garten bestellen will.
Aber nicht hier. Hier habe ich Angst, schlichtweg Angst, hier all diese Leute von damals wiederzutreffen. Ich will nicht diese dummen, immer gleichen Geschichten hören, von den Erwartungen, von dem Glauben, den Visionen, die dann doch keinen Markt hatten, in deren Folge sie dann zurück gingen und das gemacht haben, was ihre Eltern richtig fanden. Sportarzt, Ingenieur, gute, angesehene Leute in Doppelhaushälften und Kindern, die in die Grundschule gehen und für die sie jetzt schon das Hochschulranking lesen. Meine Eltern und ihre Eltern reden ja noch und tauschen diese Geschichten aus, ich höre es indirekt, aber so Angesicht zu Angesicht? Sie würden mir sagen, wie gut es ihnen geht, wie alles geregelt ist in ihrem Leben, und ich müsste ihnen die Geschichten von Rebecca und Kristina erzählen, die tot sind, von Gerold, der mit seiner Galerie auch privat bankrott ging, von Viola, die seit drei Jahren in einer Kreditabteilung sitzt, von Yvonne, Oli und Gregor, die alles versucht haben, in der New Economy endlich alle Ziele erreicht haben, nur um sich heute mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Ich bin mir sicher, dass Margot mit ihren beiden Kindern, die sie von Jürgen hat, mich überhaupt nicht verstehen würde, denn diesen Sommer 1987 hat sie sicher schon längst vergessen und abgehakt, das war nur eine Marotte, die bis zum zweiten Studienabbruch gehalten hat, nicht mehr als eine Anekdote, denn so, wie man sich manchmal im ersten Freund irrt, irrt man sich eben auch in der Rebellion, und heute ist alles, alles gut für sie.
Aber nicht für mich. Ich will es nicht sehen. Von unserem 1987er Standpunkt aus ging es für fast alle schief, es gab keinen Markt für uns, denn die reaktionäre Scheisse, dieser gigantische Markt der Dummheit, dem wir entgehen wollten, hat die meisten eingeholt und sich wieder einverleibt. Da drinnen, in diesem arrivierten Moloch ist es ein warmes Plätzchen für Renegaten, und die machen die besten Kinder für die Unsterblichkeit der Dummheit. Es ist alles gut für sie, wenn auch nicht so schön wie der Sommer 1987 am See, als ich Rücken an Rücken mit Margot Tempo und Wiener gelesen habe, und es nur logisch schien, dass anything gehen wird, und dann lehnte sie ihren Kopf zurück, und ihre kinnlangen Haare, wie in der Werbung für Opium, streiften meine Schultern.
So fing das damals mit der New Economy an.
donalphons, 18:06h
Mittwoch, 24. November 2004, 18:06, von donalphons |
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hockeystick,
Mittwoch, 24. November 2004, 19:18
Evelyn
Was für ein anarchischer Vorname. Die Töchter der Fililalleiter bei uns hießen zu dieser Zeit Claudia, Sabine oder Petra.
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donalphons,
Mittwoch, 24. November 2004, 19:35
Oh, diese Evelyn kam aus einer sehr konservativen Familie. Das Familienoberhaupt marschierte jeden Morgen bei jedem Wetter schnellen Schrittes die 25 Minuten zur Bank. Kein Softie, wirklich nicht. Solche Banker gibt es heute gar nicht mehr.
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pathologe,
Mittwoch, 24. November 2004, 19:44
Ich lese diese Texte gerne
...obgleich sich ihr Sinn mir erst im zweiten Anlauf erschließt (Mathe und Englisch als LK, Deutsch nicht mal als Prüfungsfach).
Kann man das auch einfacher ausdrücken, den Inhalt dieses Textes? Passend zum Bild vielleicht?
Die Zukunft auf Sand gebaut.
Trifft es das?
Kann man das auch einfacher ausdrücken, den Inhalt dieses Textes? Passend zum Bild vielleicht?
Die Zukunft auf Sand gebaut.
Trifft es das?
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donalphons,
Mittwoch, 24. November 2004, 19:50
Ja - und als Untersatz: Don pisat seine Lesa.
Nein, Spass beiseite, ich weiss, dass er für ein Blog zu lang ist. Aber manche Sachen kann man halt nicht in 3 Absätzen umfassend erzählen. Vielleicht nehme ich ihn auf und stelle ihn als mp3 ein ;-)
Nein, Spass beiseite, ich weiss, dass er für ein Blog zu lang ist. Aber manche Sachen kann man halt nicht in 3 Absätzen umfassend erzählen. Vielleicht nehme ich ihn auf und stelle ihn als mp3 ein ;-)
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donalphons,
Mittwoch, 24. November 2004, 20:22
Irgendwann? Schon längst, man lese nur mal bei OpenBC nach. Alles supi!
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donalphons,
Mittwoch, 24. November 2004, 20:59
Eher Entnazifizierungssyndrom, würde ich vermuten. Ja, wir waren dabei, aber wir haben immer nur den Befehlen gehorcht, und ausserdem ist der deutsche Startupper ja gar nie ein Versager gewesen, und man hätte beinahe....
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gibsmir,
Mittwoch, 24. November 2004, 20:27
Ja, ja, die Creativen...
In kaum einer anderen Berufsbezeichnung liegt soviel Verachtung für andere Tätigkeiten gepaart mit Selbstüberschätzung. Warum wundern die sich immer, daß niemand mit ihnen Mitleid hat?
Werbung ist nicht kreativ, ein Art Director macht keine Kunst und Reklame ist keine Kommunikation.
Werbung ist nicht kreativ, ein Art Director macht keine Kunst und Reklame ist keine Kommunikation.
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siebenviertel,
Donnerstag, 25. November 2004, 22:25
>werbung ist nicht kreativ
bullshit.
>ein Art Director macht keine Kunst
richtig. kunst drueckt nur sich selbst aus. ein art director macht was anderes.
bullshit.
>ein Art Director macht keine Kunst
richtig. kunst drueckt nur sich selbst aus. ein art director macht was anderes.
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oswald,
Mittwoch, 24. November 2004, 22:22
Bei dem >traumhaft schönen Sommer des Jahres 1987< muss es sich um eine ingoldstädter Singularität gehandelt haben. Woanders war 1987 nämlich ein Kaltjahr mit einem Scheißfrühjahr und einem Scheißsommer. Wir lagen zusammen im Schlafsack und haben uns trotzdem den Arsch abgefroren. Aber sie war sehr schön und hat kein Tempo gelesen. Journalistin wollte sie trotzdem werden. Leider.
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che2001,
Donnerstag, 25. November 2004, 09:40
Ganz verschieden und doch parallel
Während Ihr in Ingolstadt im Sand gesessen habt, taten wir das ein paar Hundert Kilometer weiter nördlich auch, lasen Konkret, Titanic und radikal, träumten vom Aufstand, kauften unsere Klamotten zum Kilopreis (ein Kilo 10 Mark) im Second-Hand-Laden, wussten, dass jeder, der Karriere machen will, voll counter ist und zu den Pigs gehört, trainierten Kampfsport, machten Sprengversuche und sperrten einander für ein Wochenende im WG-Zimmer ein, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Isolationshaft ist.
Viel später kam ein Streifzug durch die NE, der mich die gleichen Dinge sehen ließ, von denen Du berichtest, und heute führe ich eine recht ambivalente, aber relativ sichere Existenz als PR-Mensch. Ich bin weder im Knast noch in der sozialen Ausgrenzung gelandet und habe dennoch mit meiner Vergangenheit nicht gebrochen oder mich besonders verbogen, nur in eine andere Richtung entwickelt. Vielleicht auch ein Beispiel für anything goes.
Viel später kam ein Streifzug durch die NE, der mich die gleichen Dinge sehen ließ, von denen Du berichtest, und heute führe ich eine recht ambivalente, aber relativ sichere Existenz als PR-Mensch. Ich bin weder im Knast noch in der sozialen Ausgrenzung gelandet und habe dennoch mit meiner Vergangenheit nicht gebrochen oder mich besonders verbogen, nur in eine andere Richtung entwickelt. Vielleicht auch ein Beispiel für anything goes.
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donalphons,
Donnerstag, 25. November 2004, 19:14
So gesehen hatte ich ja richtiog Glück, wer hätte das gedacht...
Nein, Spass beiseite, wenn sich alte Russen an die Schlacht vom Kursker Bogen erinnern, sprechen sie auch immer von einem schönen Sommertag, obwohl es richtig mieses Wetter gab. In meiner Erinnerung war dieser Sommer sehr schön.
Nein, Spass beiseite, wenn sich alte Russen an die Schlacht vom Kursker Bogen erinnern, sprechen sie auch immer von einem schönen Sommertag, obwohl es richtig mieses Wetter gab. In meiner Erinnerung war dieser Sommer sehr schön.
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der haltungsturner,
Donnerstag, 25. November 2004, 11:03
Tempo? 87?
Gabs das da noch? Und auch den Wiener? Nicht nur des Wetters wegen: Muss ein anderes Jahr gewesen sein.
Aber, ach: Ja, dieses wunderbar dekadente Lebensgefühl von Elite-Gymnasiasten aus gutem Hause in den nicht grauen Vorstädten und Provinzen - genau so war es. Für mich damals (ich muss noch mal auf den Dachboden klettern, von wann meine letzte Ausgabe von Tempo ist; damals las ich dann glaub ich eher Pierrot, da hab ich irgendwo noch die schmale Gesamtausgabe) als Linksradikaler unter Poppern eine absurde Zeit. Und solche Rebellen wie wir waren ja damals ohnehin gegen den Markt. Bätsch.
Schöner Text...
Aber, ach: Ja, dieses wunderbar dekadente Lebensgefühl von Elite-Gymnasiasten aus gutem Hause in den nicht grauen Vorstädten und Provinzen - genau so war es. Für mich damals (ich muss noch mal auf den Dachboden klettern, von wann meine letzte Ausgabe von Tempo ist; damals las ich dann glaub ich eher Pierrot, da hab ich irgendwo noch die schmale Gesamtausgabe) als Linksradikaler unter Poppern eine absurde Zeit. Und solche Rebellen wie wir waren ja damals ohnehin gegen den Markt. Bätsch.
Schöner Text...
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che2001,
Donnerstag, 25. November 2004, 11:07
Wiener Blut
Tempo gab es bis Anfang der Neunziger (ich erinnere mich an eine Ausgabe, in der Clinton als Idol irgendeiner Grungeszene dargestellt wurde), und Wiener wurde um 90 herum eingestampft. Ihre goldene Ära hatten beide Blätter 1986. Also, das kommt schon hin!
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donalphons,
Donnerstag, 25. November 2004, 19:16
Tempo und Wiener begannen in Deutschland 1986, Wiener endete 1993 (glaub ich); Tempo aber ganz sicher 1996. Ich habe beide ziemlich komplett hier rumliegen, Wiener allerdings nur bis 01.
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der haltungsturner,
Freitag, 26. November 2004, 10:29
oups
so spät? echt? Ob das ein erstes Anzeichen dafür ist, wie alt ich werde? Ich erinnere mich noch an die allererste Ausgabe von Tempo, die mir damals bei meinem Schulpraktikum in den Hamburger Kammerspielen in diesem ekligen Raucherraum unterm Dach in die Hände fiel. Komischer Ort dafür, wenn mans sich recht überlegt. Es war die zweite Nummer überhaupt. Irgendwie hätte ich gedacht, dass das früher war...
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donalphons,
Freitag, 26. November 2004, 17:46
Sag mal, erninnerst Du Dich an die Bedeutung des Wortes "Alzheimer"? Wenn ja, gibt es nich Hoffnung, wenn nein, kann es Dir egal sein ;-)
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kaltmamsell,
Donnerstag, 25. November 2004, 11:04
Sowas: An Evelyn denke ich jedesmal, wenn ich ein weißes Klavier sehe. Unser alter Griechischlehrer nannte sie immer Eulalia, der hatte die Familie wohl sofort durchschaut.
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che2001,
Donnerstag, 25. November 2004, 11:34
Nicht so ganz
@gibsmir: Werbung kann kreativ sein, viele Art Directors sind Künstler, die von ihrer Kunst nicht leben können und sich deshalb anders verdingen müssen (ich kenne da einen Maler, der wg. Familie ernähren müssen zur Werbung kam), und seriöse Corporate Communication (das Gegenteil vom Anjatanjatum, nämlich lügenfreie Öffentlichkeitsarbeit) hat sowohl Unvereinbarkeiten als auch Reibungs- und Berührungspunkte mit Werbung. Und Werber sind nicht unbedingt die hochgejazzten Angebergestalten, die des Dons Schmähgesangkosmos bevölkern, sondern können auch ganz bodenständige und persönlich bescheidene Leute srin (trotz Alfa). Wenn die auf die Fresse fliegen und nicht wieder hochkommen, habe ich Mitleid. Mit Upperclass-Yuppies, die sich für was Besseres halten, habe ich grundsätzlich überhaupt kein Mitgefühl, egal, was die machen, das ist der Klassenfeind.
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donalphons,
Donnerstag, 25. November 2004, 19:11
gell, Kaltmamsell, da werden Erinnerungen der schlimmsten Sorte wach? Heute bin ich am einzig echten Gymnasium vorbei...
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maz,
Donnerstag, 25. November 2004, 20:11
Das ist einer der schönsten Texte, die ich in letzter Zeit gelesen habe
Naja, bei uns hat sich das so abgespielt mit den Träumen:
In unmittelbarer Nähe des Gymnasiums befand sich ein Friedhof. Obwohl es sich um eine Eliteschule handelte, fanden sich ein paar Asoziale (tja, die staatlichen Schulen dürfen ihre Schüler nicht wählen, nur absägen) zsammen.
Wir (drei Jungs) machten blau, wann immer es ging (es gab immer ein paar scharfe Hunde, deren Unterricht man nie und nimmer schwänzen durfte) und soffen unsere Paderborner aus den 0,33 Dosen (zu je fünfzig Pfennig) auf Bänken neben den Grabsteinen - die Westfalen sind sehr tolerant, mischen sich nicht in jeden Kack ein.
Uns ging alles am Arsch vorbei. Wir hatten keine Zukunftspläne (wer in seiner Jugend schon davon träumt, ein Ingenieur zu werden, der ist entweder total verblödet oder einfach nur ein langweiliger Sack - man wird Verfahrenstechniker, weil man denkt, es ist eh scheißegal, ob ich Arzt, Filmstar oder Müllmann werde oder weil alle anderen Möglichkeiten einfach viel zu viel Enthusiasmus abverlangen) und waren alle leicht aggressiv, suizidal.
...
Der einzige Traum, den ich hatte war Sonja zu ficken. Der einzige Traum, den ich danach hatte war Margit zu ficken usw.
Getrunken, gefickt, geprügelt...
...
Die Bilanz: Einer hat sich vor ein paar Jahren das Leben genommen, der andere lebt als Priester in Kapstadt und der, der diese Zeilen schreibt, weißt mit seinem Leben immer noch nichts anzufangen, weil er unter so etwas wie König-Midas-Syndrom leidet.
In unmittelbarer Nähe des Gymnasiums befand sich ein Friedhof. Obwohl es sich um eine Eliteschule handelte, fanden sich ein paar Asoziale (tja, die staatlichen Schulen dürfen ihre Schüler nicht wählen, nur absägen) zsammen.
Wir (drei Jungs) machten blau, wann immer es ging (es gab immer ein paar scharfe Hunde, deren Unterricht man nie und nimmer schwänzen durfte) und soffen unsere Paderborner aus den 0,33 Dosen (zu je fünfzig Pfennig) auf Bänken neben den Grabsteinen - die Westfalen sind sehr tolerant, mischen sich nicht in jeden Kack ein.
Uns ging alles am Arsch vorbei. Wir hatten keine Zukunftspläne (wer in seiner Jugend schon davon träumt, ein Ingenieur zu werden, der ist entweder total verblödet oder einfach nur ein langweiliger Sack - man wird Verfahrenstechniker, weil man denkt, es ist eh scheißegal, ob ich Arzt, Filmstar oder Müllmann werde oder weil alle anderen Möglichkeiten einfach viel zu viel Enthusiasmus abverlangen) und waren alle leicht aggressiv, suizidal.
...
Der einzige Traum, den ich hatte war Sonja zu ficken. Der einzige Traum, den ich danach hatte war Margit zu ficken usw.
Getrunken, gefickt, geprügelt...
...
Die Bilanz: Einer hat sich vor ein paar Jahren das Leben genommen, der andere lebt als Priester in Kapstadt und der, der diese Zeilen schreibt, weißt mit seinem Leben immer noch nichts anzufangen, weil er unter so etwas wie König-Midas-Syndrom leidet.
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