Eingesperrt
Es gibt Besucher, die eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen; es ist bei mir daheim nicht gerade das, was man als "leer" bezeichnet.
Das hat aber durchaus seinen Grund; mein Horror ist nicht "zu viel an den Wänden", sondern die Tage, da man das Haus kaum verlässt. Würde annehmen: In Deutschland machen diese Tage die Hälfte des Jahres aus. 2011 vielleicht auch mehr. Regen und Grippe zum Beispiel sind nicht gerade hilfreich beim Aussensport. Und da ist es meines Erachtens fein, wenn es drinnen nicht so trist wie draussen aussieht. Der Kopf möchte Unterhaltung, er bekommt sie.
Nie sitze ich am Fenster und blase Trübsal in den Regen. Es gibt immer etwas zu kochen, umzuräumen und ab und an auch aufzuhängen. Das ist nie wirklich fertig. Es kommt immer wieder etwas dazu, und anderes war immer dazu gedacht, nur einen Platz zu halten und dann, wenn das Perfekte da ist, andernorts verwendet zu werden. Mal steht etwas hier und mal dort, es ist nie gleich. Manches finde ich nicht mehr. Das ist dann etwas ärgerlich, aber ein Haus verliert nichts.
Ich habe mir in Berlin einmal ein Penthouse angeschaut. Hintergrund war, dass meine Wohnung saniert werden sollte, und der Besitzer den Stress mit dem Umziehen vermeiden wollte, indem er mir in der Nähe dieses unvermietbare Stockwerk ganz oben anbot: 80 Quadratmeter, ein Raum, seitlich von einer Fensterfront aufgeschlitzt mit Blick über Berlin. An Tag der Besichtigung lagen die Wolken sehr niedrig über der Stadt. Man sah die Abgase. Man sah den Fernsehturm. Man sah schlimme Häuser und ahnte: Da sind überall Berliner. Und als ich mich dem Raum zuwandte, waren dort kahle Wände, sehr edel, sehr pur, sehr rein, eine frische Leinwand, die mich nicht von dem Elend da draussen ablenken konnte. Gefangen zwischen Nichts und einem Etwas, das schlimmer als das Nichts ist. So, sagte ich mir, kann ich nicht leben. Daheim ist es zwar Bayern, das geht schon eher, und trotzdem: Ein Nichts von einem Raum, das darf nicht sein.
Das ist lange vorbei; heute gehe ich durch meine Räume und entdecke eigentlich immer etwas Neues. Eventuell ist es sogar etwas Neues. Kann schon mal passieren. Allerdings, der Venezianer da oben, der bleibt nicht hier: Der Badspiegel am Tegernsee hat nach über 30 Jahren doch etwas gelitten, und wenn dort schon die Fliessen bleiben, sollte der neue Spiegel ein wenig besser passen. Das tut er. Ob es gefällt, ist eine andere Frage. Ich kann gut damit leben.
Das hat aber durchaus seinen Grund; mein Horror ist nicht "zu viel an den Wänden", sondern die Tage, da man das Haus kaum verlässt. Würde annehmen: In Deutschland machen diese Tage die Hälfte des Jahres aus. 2011 vielleicht auch mehr. Regen und Grippe zum Beispiel sind nicht gerade hilfreich beim Aussensport. Und da ist es meines Erachtens fein, wenn es drinnen nicht so trist wie draussen aussieht. Der Kopf möchte Unterhaltung, er bekommt sie.
Nie sitze ich am Fenster und blase Trübsal in den Regen. Es gibt immer etwas zu kochen, umzuräumen und ab und an auch aufzuhängen. Das ist nie wirklich fertig. Es kommt immer wieder etwas dazu, und anderes war immer dazu gedacht, nur einen Platz zu halten und dann, wenn das Perfekte da ist, andernorts verwendet zu werden. Mal steht etwas hier und mal dort, es ist nie gleich. Manches finde ich nicht mehr. Das ist dann etwas ärgerlich, aber ein Haus verliert nichts.
Ich habe mir in Berlin einmal ein Penthouse angeschaut. Hintergrund war, dass meine Wohnung saniert werden sollte, und der Besitzer den Stress mit dem Umziehen vermeiden wollte, indem er mir in der Nähe dieses unvermietbare Stockwerk ganz oben anbot: 80 Quadratmeter, ein Raum, seitlich von einer Fensterfront aufgeschlitzt mit Blick über Berlin. An Tag der Besichtigung lagen die Wolken sehr niedrig über der Stadt. Man sah die Abgase. Man sah den Fernsehturm. Man sah schlimme Häuser und ahnte: Da sind überall Berliner. Und als ich mich dem Raum zuwandte, waren dort kahle Wände, sehr edel, sehr pur, sehr rein, eine frische Leinwand, die mich nicht von dem Elend da draussen ablenken konnte. Gefangen zwischen Nichts und einem Etwas, das schlimmer als das Nichts ist. So, sagte ich mir, kann ich nicht leben. Daheim ist es zwar Bayern, das geht schon eher, und trotzdem: Ein Nichts von einem Raum, das darf nicht sein.
Das ist lange vorbei; heute gehe ich durch meine Räume und entdecke eigentlich immer etwas Neues. Eventuell ist es sogar etwas Neues. Kann schon mal passieren. Allerdings, der Venezianer da oben, der bleibt nicht hier: Der Badspiegel am Tegernsee hat nach über 30 Jahren doch etwas gelitten, und wenn dort schon die Fliessen bleiben, sollte der neue Spiegel ein wenig besser passen. Das tut er. Ob es gefällt, ist eine andere Frage. Ich kann gut damit leben.
donalphons, 01:44h
Montag, 8. August 2011, 01:44, von donalphons |
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mark793,
Montag, 8. August 2011, 12:24
Mit dem Nichts in einem Raum zu leben,
ist halt auch nicht jedem gegeben - ebensowenig wie die Fähigkeit, mit einer solchen Überfülle um sich herum klarzukommen.
Ich persönlich neige ja mehr Richtung Minimalismus, habe das in meiner Mannheimer Wohnung nach dem Auszug meiner Ex auch auch sehr genossen und ausgereizt. Aber wenn ich zu Besuch bin, mag ich das gerne, mal in andere Welten einzutauchen, mich in Eindrücken und Details verlieren.
Ich persönlich neige ja mehr Richtung Minimalismus, habe das in meiner Mannheimer Wohnung nach dem Auszug meiner Ex auch auch sehr genossen und ausgereizt. Aber wenn ich zu Besuch bin, mag ich das gerne, mal in andere Welten einzutauchen, mich in Eindrücken und Details verlieren.
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rainersacht,
Montag, 8. August 2011, 13:20
Meine Mutter sagte immer: Man soll sein Herz nicht an Dinge hängen. Deshalb strebe ich seit Jahren an, immer weniger Gegenstände in meiner Nähe zuzulassen.
Aber alles vollzuknallen hat schon was Zwanghaftes... ;--))
Aber alles vollzuknallen hat schon was Zwanghaftes... ;--))
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bengel,
Montag, 8. August 2011, 13:24
Bedingt durch einen schweren Wasserschaden betreibe ich seit einiger Zeit, bis hin zu fehlendem Putz an den Wänden und freie Sicht auf die Ziegel "Hardcoreminimalismus" .
Hach wäre jetzt ein Bild an der Wand schön!
Hach wäre jetzt ein Bild an der Wand schön!
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sterngucker,
Montag, 8. August 2011, 13:57
Ich kenne den Don jetzt in allen (Ver-)Bekleidungen, vom Roadsterfahrer mit Motorradbrille bis hin zum Eddi Merx - Double. Das einzigste was fehlt, wäre mal ein Bildchen mit Kittelschürze, Kopftuch, Gumminhandschuhen und Staubmaske... beim Staubwischen.
Oder erledigen das die gelegentlichen Besuche aus Frankfurt...?
:-)
Oder erledigen das die gelegentlichen Besuche aus Frankfurt...?
:-)
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rollproll,
Montag, 8. August 2011, 15:00
oder SEIT 45 durch deutsche nichtsospezialisten in mühevollster kleinstarbeit
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donalphons,
Montag, 8. August 2011, 15:03
"durch die Abwasserrohrverlegungsspezialisten im Dach"
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melursus,
Montag, 8. August 2011, 16:46
horror vacui
Ist der Don ein Elemental? Es sieht auf den Bildern sehr schön aus. ich hätte aber einen anderen Schrecken, als den, der Natur nachgesagten vor der Leere. Wer hält das sauber? Ich mag niemand Fremden im Haus haben und komme kaum mit Fenstern und Fliesen und Böden nach. Die schönen, zerbrechlichen Staubfänger des Don sehe ich wie Birken - sehr schön, aber bitte zwei Gärten weiter.
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ilnonno,
Dienstag, 9. August 2011, 01:35
Je größer das Gefängnis, desto weniger fühlen sich die Leute eingesperrt.
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hiddensee,
Dienstag, 9. August 2011, 10:14
Es wurde hier ja schon erwähnt: Wer säubert das hin und wieder?
Ich habe zuletzt alle Grünpflanzen im Haus dem Kompost anheimgegeben und damit Platz gewonnen, weil ich tatsächlich nur aus dem Fenster schauen muss um was grünes zu sehen.
Ich habe zuletzt alle Grünpflanzen im Haus dem Kompost anheimgegeben und damit Platz gewonnen, weil ich tatsächlich nur aus dem Fenster schauen muss um was grünes zu sehen.
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arboretum,
Dienstag, 9. August 2011, 10:22
Don hat es hier ja schon erwähnt: Er staubt selbst ab. Und denkt dabei darüber nach, was er als nächstes schreibt. Deshalb bloggt er auch so rege, er muss schließlich so viel abstauben. Ich staube ja nicht so oft ab, deshalb gibt es bei mir auch weniger zu lesen. So einfach ist das. ;-)
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hockeystick,
Mittwoch, 10. August 2011, 01:07
Das Antikmarktdilemma: Wer viel abstaubt, staubt viel ab.
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istvan,
Mittwoch, 10. August 2011, 10:54
Renzo Piano
sagt dazu: "Purismus ist etwas für Feiglinge".
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staff aureus,
Samstag, 13. August 2011, 16:20
Dieser Teppich...mit bayrischer?Löwin..
...nein, doch nicht, das ist nicht der Teppich aus Chilly Gonzales´ The Unspeakable-Video Medley, 2 Min.30
http://www.youtube.com/watch?v=LWvPyu11M5g
"Listen, it´s entertainment, but if you listen, the genius ! is in the arrangement"
http://www.youtube.com/watch?v=LWvPyu11M5g
"Listen, it´s entertainment, but if you listen, the genius ! is in the arrangement"
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