Nervenkostümpflege

TV und ich, das wird nichts mehr. Wenn ich irgendwo bin, wo der Fernseher läuft, empfinde ich es als unhöflich, ihn nicht auszuschalten, wenn man mit mir spricht. Und zwar so sehr, dass ich mich zurückhalten muss, das nicht zu fordern. Manche kennen meine Qual und schalten dann aus. Vielleicht bin ich da überempfindlich. Aber vor allem fällt damit auch eine Ablenkung an Tagen aus, da ruhigere Methoden nicht hilfreich sind.



Mitunter reichen Bücher nicht aus, um Wut und Ärger zu vertreiben. So etwas passiert bei mir nicht oft, ich bin durch meine Lebensumstände relativ gut von der Welt entkoppelt, aber manchmal trifft es mich dann doch. Ein Beispiel: Wenn eine gezielte Schlechterstellung pasiert, die viele Leute betrifft, und keiner sieht es als nötig an, sich aufzumandeln, weil es ja eh wurscht ist. Dise Mischung aus dummdreister Arroganz einer Entscheiderebene ohne jede Rücksprache und die der desinteressierten Feigheit der Betroffenen ist der Cocktail, der mich wirklich rasend machen kann. Weil die Blödheit, die alle schädigt, damit auch noch belohnt und gefördert wird. Da könnte ich jedesmal - das Buch weglegen, und die Musikanlage ausstellen, weil es nicht hilft.



Was dagegen hilft, sind Arbeiten, die Kraft und Verstand gleichermassen anregen. Rennradmontage ist durch die technischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre durchaus so etwas wie ein kompliziertes Puzzle geworden, mehr als nur Schrauben und Zwicken, mit Drehmomentschlüsseln und Abstimmungsfragen. Gleichzeitig ist es aber auch schnell genug, um Erfolge zu sehen, und in unserer Zeit des Preisverfalls ausgesprochen billig bis kostenlos: Manche weniger geliebte Gebrauchträder haben für mich sinnlose, aber immer noch teure Luxusteile, die ich in die Bucht werfe, und die mehr bringen, als ich insgesamt bezahlt habe: Carbonlenker, Carbönsättel, seltene Schaltsysteme, neue Pedalsysteme, die bei hohen Kostgen auch nicht besser sind als die alten, die bei Ebay für 5 Euro verkauft werden.



Das ist eine Art Strategiespiel und obendrein auch ein wenig Aufräumen, denn vieles liegt ja auch noch zu Hause rum, für ein paar Groschen auf Flohmärkten gefunden und in einer Kiste wartend. Es hält mich in dieser Zeit in Bewegung, denn es sind fünf Stockwerke zwischen Lager, Strasse und Schraubgelegenheit. Und ich probiere auch gerne etwas aus. Etwa: Kann man mit einem normalen Schaltwerk, das offuiell nur 26 Zähne am Ritzel bewältigt, mit Feineinstellungstricks auch 32 Zähne fahren? Man kann. Auch wenn es schlimm aussieht, was aber bei einem Principia SC 650 Team Edition auch keine Rolle mehr spielt.



Solche Kisten sind nicht nur potthässlich, sie sind auch von einem grässlichen Preisverfall (der Rahmen von 2500 Mark auf das kostenlos mitgelieferte Gestänge zwischen den Laufrädern) betroffen, und fast immer unattraktiv. Ausser man hat einen Hausberg mit gut 20% Steigung. So einen Berg wie den, auf dem ich wohne. Dann macht das alles plötzlich wieder Sinn, unabhängig vom Grad der Verärgerung. Kleine Räder, grosse Ritzel, leichteres Treten und oben, hoffentlich, keine optische Erscheinung eines kranken Greises mehr.







Gut, der Eindruck des Untersatzes könnte besser sein, aber wenn ich jetzt dann den Berg hochfliege, statt an der Grenze zum Umkippen hinauf zu wackeln, ist mir das egal. Lieber gut ankommen auf einem hässlichen Rad, als hässlich krepieren auf einem schönen Rad.

Sicher: Das Rauchen und Trinken zur Ablenkung und Stressabbau hätten den Vorteil, dass keinerlei Platzprobleme entstehen. Aber ich bin auch guter Hoffnung, dass irgendwann die ärgerlichen Momente weniger werden, vielleicht sogar mit den Auslösern: Nichts ist ewig auf dieser Welt. Es kommen andere Tage, für Bücher und Musik.

Samstag, 24. Dezember 2011, 00:48, von donalphons | |comment

 
Ich kann Deine Qual gut verstehen. Zu Schulzeiten putzte ich bei Amerikanern die Wohnungen, eine Dame ließ mich nur kommen, wenn sie selbst daheim war (alle anderen gaben mir einen Schlüssel oder legten ihn unter die Matte). Bei ihr lief im Hintergrund ständig der Fernseher, ich war nach diesen vier Stunden Putzerei immer völlig fertig.

Jahre später, ich war bei meiner Freundin in Moskau zu Besuch, stellte ich fest, dass dort, wie bei den Amerikanern, auch dauernd der Fernseher lief. Nach ein paar Tagen habe ich sie gebeten, ob sie ihn mal ausschalten könne, mich mache das echt fertig und ich brauchte mal eine Sendepause. Sie hat mich etwas irritiert angeschaut, es mir zuliebe aber gemacht. Wenigstens für eine Weile war mal Ruhe.

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Doch, doch, Bücher helfen:
http://www.taschen.com/pages/de/catalogue/art/all/44941/facts.piranesi_2_vols.htm

Und wieviele Fahrräder sind es jetzt eigentlich? :-)

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Gar nicht so viele, es gab auch ein paar Abgänge. Bei Taschen bin ich immer etwas kritisch, muss ich gestehen. Das ist vielleicht keine besonders kluge Haltung, aber irgendwie waren Prestel und Gerstenberg immer etwas Besonderes für mich.

Man muss auch sehen, dass es in Deutschland niocht so schlimm ist, wie es in Italien einmal war. Zum Glück haben sich auch die Italiener doch recht stark wieder von Glotze und Telefonino entwöhnt.

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Danke für die Hinterrad-experimentalphysik. Das Rad ist nicht so extrem wie 39-32.

TV nur ohne Ton, vor allem bei Ansprachen!

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Wir haben im Stadtpark eine steile Rampe. die ist damit sehr leicht. Auf den Bikdern sehen die 32 auch nicht so schlimm aus. Nur die Einstellung muss aufs Kettenglied genau sein.

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Ja, ich weiß, Taschen hat einen schlechten Ruf und das zu Recht. Aber es ist wirklich ein vollständiger Piranesi. Wer hat das sonst schon? Übrigens noch ein Dankeschön an das Antiquariat Reinhold Pabel. Der hat mir den Franz Blei binnen 24 Stunden geliefert. Geschätzte Verleger, schaut auf diesen Satzspiegel!

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Um welche Schlechterstellung gings denn hier ? Hatte einen ähnlichen Fall hier, der hat mich bis in den Schlaf verfolgt und da haben meine Ablenkungsrituale, bisserl programmieren, nix geholfen.

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