Offline in der Provinz
Der Freistaat hatte grosse Pläne mit den Internet. Virtueller Marktplatz Bayern, Bürgernetz, mit diesen Begriffen und Multimillionen-Subventionen sollte ein virtuelles Wunderland aus dem lehmigen Boden gestampft werden, wo auch der letzte Bauer zum Erzeuger, Marketingspezialisten und E-Commerce-Entrepreneur werden sollte.
Die Städte, zumal die reicheren, wurden gehalten, selbst vergleichbare Institutionen zu schaffen. Und weil man in dieser Provinzstadt meinte, dass auch ein paar Brosamen für sozial benachteiligte Kinder abfallen sollten, stellte man ihnen eine Art Internet-Cafe hin. Es bekam Räume im Erdgeschoss eines restaurierten Hauses, dessen in der Stadt durchaus angesehener Pojektträger eine Weile gewisse Probleme hatte, die Räume zu vermieten.
Dort nun konnten sich die sozial Schwachen 5 Tage die Woche unter Aufsicht von ABM-Kräften ihrer Entwicklung zum E-Bürger widmen, surfen, downloaden, bei der Arbeitsagentur reinschauen und feststellen, dass es auch hier für sie nicht allzu gut aussah. Aber immerhin konnten sie für lau ins Netz, die Technologien wie Chatten und Email erlernen, und hingen so nicht auf der Strasse herum, um so auszusehen, wie sich der typische braune Lokalpolitiker den türkischen Rabauken vorstellt.
(Nur ein Hinweis in Sache Rabauken: Die Provinzstadt beschäftigt einen speziellen Ordnungsdienst, der das Ausspucken von Kaugummi und ähnlichem mit Geldbussen belegt; Abiturfeiern mit einem Lärmpegel von mehr als 70 db im Stadtpark haben einen Aufschrei in der Lokalpresse und verstärkte Polizeipatroullien zur Folge, Sprayer, Tagger oder Street Culture hatten hier noch nie eine Chance, und Autos beschädigen hier allenfalls lokale CSU-Grössen, die beim Ausparken mit 2,5 Promille das Lenken vergessen, aber das Gaspedal voll durchdrücken, weswegen dann ihre Töchter zwei Monate lang versuchen dürfen, deren Mercedes Combi um die Strassenrandbegrünung zu wickeln, für die sich ihre Väter so stark eingesetzt haben - hier läuft alles wieder zusammen, aber nein, Rabauken gibt es nicht).
Nun, letztes Jahr gab es da einen neuen Stadtratsbeschluss, analog zum reduzierten Interesse der alleinseligmachenden Staatsregierung am Internet, und deshalb sieht das Internet Cafe für die Jugend jetzt so aus:
If you can´t bill it, kill it, werden sie sich im Stadtrat gedacht haben. Die Begründung dürfte so gelautet haben: "Inzwischen, ned woa, hod ja a jeda von dene a sowas dahoam, as Indaned hod se sein Plotz in da Geseischoft erobat, so wia bei uns jo a, schaugns nua amoi die schena Fraims auf unsane Seidn o, oiso, i moan, mia hom echt wos damit gschoft, olle Ziele san erreicht, oba etzad miassn mia de Mittl ondast verwendn..."
Die Gymnasiasten und Realschüler haben weiterhin das Programm Schulen ans Netz, und daheim steht auch so eine Kiste, die ihre Eltern nicht bedienen können, und sie werden auch nie die DivX mit all den nackten Frauen finden. Internet braucht keiner mehr, weil schon genug Leute in dieser Stadt für viel teures Geld zum Multimediahansel umgeschult wurden. Eigentlich, sagen die Stützen der Gesellschaft, wollten sie das Internet ja nie nicht haben, sie verstehen auch nicht, was es soll, und was daraus wurde, das sehen sie ja, wenn sie in ihre Depots schauen, alles voller EM.TV und Brokat, hoit na, de Brokat san ja pleite, solchene Hund - und deshalb stimmen sie auch überein, dass der Türke doch bitte was anständiges lernen soll, statt auf Kosten der Allgemeinheit sich im Internet rumzutreiben. Ansonsten hat man immer noch das Bürgernetz, mitsamt eigenem Haus in der Altstadt.
Die Städte, zumal die reicheren, wurden gehalten, selbst vergleichbare Institutionen zu schaffen. Und weil man in dieser Provinzstadt meinte, dass auch ein paar Brosamen für sozial benachteiligte Kinder abfallen sollten, stellte man ihnen eine Art Internet-Cafe hin. Es bekam Räume im Erdgeschoss eines restaurierten Hauses, dessen in der Stadt durchaus angesehener Pojektträger eine Weile gewisse Probleme hatte, die Räume zu vermieten.
Dort nun konnten sich die sozial Schwachen 5 Tage die Woche unter Aufsicht von ABM-Kräften ihrer Entwicklung zum E-Bürger widmen, surfen, downloaden, bei der Arbeitsagentur reinschauen und feststellen, dass es auch hier für sie nicht allzu gut aussah. Aber immerhin konnten sie für lau ins Netz, die Technologien wie Chatten und Email erlernen, und hingen so nicht auf der Strasse herum, um so auszusehen, wie sich der typische braune Lokalpolitiker den türkischen Rabauken vorstellt.
(Nur ein Hinweis in Sache Rabauken: Die Provinzstadt beschäftigt einen speziellen Ordnungsdienst, der das Ausspucken von Kaugummi und ähnlichem mit Geldbussen belegt; Abiturfeiern mit einem Lärmpegel von mehr als 70 db im Stadtpark haben einen Aufschrei in der Lokalpresse und verstärkte Polizeipatroullien zur Folge, Sprayer, Tagger oder Street Culture hatten hier noch nie eine Chance, und Autos beschädigen hier allenfalls lokale CSU-Grössen, die beim Ausparken mit 2,5 Promille das Lenken vergessen, aber das Gaspedal voll durchdrücken, weswegen dann ihre Töchter zwei Monate lang versuchen dürfen, deren Mercedes Combi um die Strassenrandbegrünung zu wickeln, für die sich ihre Väter so stark eingesetzt haben - hier läuft alles wieder zusammen, aber nein, Rabauken gibt es nicht).
Nun, letztes Jahr gab es da einen neuen Stadtratsbeschluss, analog zum reduzierten Interesse der alleinseligmachenden Staatsregierung am Internet, und deshalb sieht das Internet Cafe für die Jugend jetzt so aus:
If you can´t bill it, kill it, werden sie sich im Stadtrat gedacht haben. Die Begründung dürfte so gelautet haben: "Inzwischen, ned woa, hod ja a jeda von dene a sowas dahoam, as Indaned hod se sein Plotz in da Geseischoft erobat, so wia bei uns jo a, schaugns nua amoi die schena Fraims auf unsane Seidn o, oiso, i moan, mia hom echt wos damit gschoft, olle Ziele san erreicht, oba etzad miassn mia de Mittl ondast verwendn..."
Die Gymnasiasten und Realschüler haben weiterhin das Programm Schulen ans Netz, und daheim steht auch so eine Kiste, die ihre Eltern nicht bedienen können, und sie werden auch nie die DivX mit all den nackten Frauen finden. Internet braucht keiner mehr, weil schon genug Leute in dieser Stadt für viel teures Geld zum Multimediahansel umgeschult wurden. Eigentlich, sagen die Stützen der Gesellschaft, wollten sie das Internet ja nie nicht haben, sie verstehen auch nicht, was es soll, und was daraus wurde, das sehen sie ja, wenn sie in ihre Depots schauen, alles voller EM.TV und Brokat, hoit na, de Brokat san ja pleite, solchene Hund - und deshalb stimmen sie auch überein, dass der Türke doch bitte was anständiges lernen soll, statt auf Kosten der Allgemeinheit sich im Internet rumzutreiben. Ansonsten hat man immer noch das Bürgernetz, mitsamt eigenem Haus in der Altstadt.
donalphons, 22:54h
Sonntag, 2. Januar 2005, 22:54, von donalphons |
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hella,
Sonntag, 2. Januar 2005, 23:57
So langsam wird mir das Städtchen immer sympathischer. Vielleicht sollte man einfach mal den Vorschlag machen, dass die Jugendlichen in der WFI surfen können. Die Studies, die diese Kinder betreuen könnten dann auch einen Seminarschein "Soziale Führungskompetenz" bekommen - und sogar türkisch lernen.
Ach ja: Berlin - I-Stadt. Das scheint ja ein echter Trip zu sein. Kein Wunder, dass sie so abstinent sind.
Ach ja: Berlin - I-Stadt. Das scheint ja ein echter Trip zu sein. Kein Wunder, dass sie so abstinent sind.
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donalphons,
Montag, 3. Januar 2005, 00:07
Örgs - die Kisten am WFI sind grauenvoll lahm und dauernd besetzt, kein Wunder, dass die alle WLAN haben. Ansonsten macht das Studentische Hochschulmarketing tatsächlich sowas in der Art - Charity zu X-Mas, zumindest in früheren Jahren. Und nein, obwohl ich Weihnachten nicht leiden kann, würde ich NIE die Begriffe X-Mas und Charity ernsthaft verwenden.
Wobei man da schon froh sein muss; es gibt auf dieser Welt auch Arschlöcher, die sich über Böller und mangelnde Spendenbereitschaft aufregen können und kurz danach zu Wein für 150 Euro raten...
Wobei man da schon froh sein muss; es gibt auf dieser Welt auch Arschlöcher, die sich über Böller und mangelnde Spendenbereitschaft aufregen können und kurz danach zu Wein für 150 Euro raten...
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donalphons,
Montag, 3. Januar 2005, 00:45
Die Provinzstadt ist eine Hölle, mit der ich Umzugehen gelernt habe. Berlin hat alle schlechten Eigenschaften dieses Kaffs - deshalb schaffe ich es auch, dort einen Teil der Probleme zu bewältigen - mit Ausnahme derer, die durch den Reichtum hervorgerufen werden; dann aber zusätzlich noch weitere, armuts- und slumbedingte Verwerfungen, mit denen ich nicht klarkomme.
Und ja, es sind zwei Welten. Vom hiesigen Niveau ist der Unterschid zu Berlin kaum grösser als zu Kiev, Bukarest oder den Outskirts von Paris.
Und ja, es sind zwei Welten. Vom hiesigen Niveau ist der Unterschid zu Berlin kaum grösser als zu Kiev, Bukarest oder den Outskirts von Paris.
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che2001,
Montag, 3. Januar 2005, 20:14
Nanana
Als jemand, der die Villenviertel von Heliopolis und die Sudanesen-Slums von Assuan von innen kennengelernt hat, haue ich Dir jetzt mal auf die Finger. Der Unterschied zwischen Ingolstädter Stadterer-Herrlichkeiten und Wannseevillen liegt höchstens darin, dass die Einen bayerisch granteln und die Anderen ein beflissenes hochdeutsch sprechen und weltoffener sind als die Ingolstädter. Abgesehen davon, dass man vom Blankeneeser Horizont her kurz und trocken ablacht über die Hurzlmännchen jenseits der Donau und die ostelbischen Abklatschjunker, die weder richtig reiten noch bei Windstärke 8 eine Ruderpinne halten können. Als die Bajuwaren noch venezianische Maultierkarawanen abkassiert haben und der märkische Sand noch fest in den Händen der Sorben und Obotriten war, da haben die Hanseaten bereits die Globalisierung vorangetrieben. Von bayerischen Pfeffersäcken habe ich noch nie etwas gehört, höchtens Tränensäcken. Ah ja - und viele Saftsäcke!
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hella,
Montag, 3. Januar 2005, 23:03
Danke che. So was ähnliches ist mir als Norddeutsche auch in den Sinn gekommen, du hast es exzellent formuliert. Das habe ich auch in Bremen und Hamburg erlebt. Dort gibt es eine Macht-/Einflussschicht, die dezent im Hintergrund bleibt und sich aus alteingessenen hanseatischen Kaufleuten rekrutiert. Mit eigenen Clubs und Events. Da kommt man auch mit Geld nicht rein. Was zählt ist ganz hanseatisch konservativ die Empfehlung.
Immerhin hat Hamburg die meisten Millionäre pro Einwohner und in Bremen kann sich Herr Eichel über die höchsten Einnahmen aus dem Schwarzgeld-Amnestie-Gesetz pro Einwohner freuen.
Immerhin hat Hamburg die meisten Millionäre pro Einwohner und in Bremen kann sich Herr Eichel über die höchsten Einnahmen aus dem Schwarzgeld-Amnestie-Gesetz pro Einwohner freuen.
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donalphons,
Montag, 3. Januar 2005, 23:17
Liebe Hanseaten;
im Gegensatz zum langfristigen Absaufen der Nerddeutschen war das Abkassieren der Venezianer langfristig höchst erfolgreich, wie ich es hierzulande erleben kann. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell, wenn man so will. Dass es in den stinkenden Meeresschlündern noch den ein oder anderen wenig faulen Zahn (vgl. Falk) geben mag, möchte ich nicht bezweifeln - aber der Rest? Hungrige Schatten einstiger Grösse.
im Gegensatz zum langfristigen Absaufen der Nerddeutschen war das Abkassieren der Venezianer langfristig höchst erfolgreich, wie ich es hierzulande erleben kann. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell, wenn man so will. Dass es in den stinkenden Meeresschlündern noch den ein oder anderen wenig faulen Zahn (vgl. Falk) geben mag, möchte ich nicht bezweifeln - aber der Rest? Hungrige Schatten einstiger Grösse.
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hella,
Montag, 3. Januar 2005, 23:36
Zum Verständnis des Hanseatischen empfehle ich gerne das Buch von Matthias Wegner: "Hanseaten". Berliner Taschenbuchverlag, 2001.
http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_06/text35.htm
Übrigens hat der Autor seine Kindheit und Jugend in München verbracht.
http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_06/text35.htm
Übrigens hat der Autor seine Kindheit und Jugend in München verbracht.
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donalphons,
Montag, 3. Januar 2005, 23:49
Face it:
Hanseaten sind die Leute, die das Tafelsilber ihrer Eltern bei Ebay an unsereins verkaufen. Ich bin bei Gott kein Parteigänger der CSU, aber selbst katastrophale Fehentscheidungen wie Biotech und NE werden dem Ruf der Region keinen Abruch tun. Bayern hat es im Gegensatz zu den norddeutschen Besitzstandwahrern geschafft, sich als Gewinner in den Köpfen der Leute zu verankern, und daran wird sich in den 10, 15 Jahren wenig ändern.
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che2001,
Dienstag, 4. Januar 2005, 00:20
Klimazonen
Es geht um das Klima, und das ist in Hamburg, Bremen (das im Gegentum zu Hamburg arm ist) oder Kiel weltoffen, fast in Richtung Londoner Kolorit (und London und nicht NY ist die multikulturellste Stadt der Welt), und in München, tut mir Leid, provinziell.
Lass Dich mal in diese Stadt einladen, Du wirst es sehen (und damit meine ich den echten ***** und nicht den Avatar Don Aphons).
Lass Dich mal in diese Stadt einladen, Du wirst es sehen (und damit meine ich den echten ***** und nicht den Avatar Don Aphons).
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donalphons,
Dienstag, 4. Januar 2005, 00:23
Ich muss da sowieso bald mal hin, Freunde besuchen; also Hamburg, um genau zu sein. Schlimmer als Berlin, vermute ich, aber sicher nicht so furchtbar wie Wien.
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donalphons,
Dienstag, 4. Januar 2005, 01:13
Aber sicher doch - am besten bei der besagten freundin auf der Suche nach einem Superreichen...
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noergler,
Dienstag, 4. Januar 2005, 15:45
Vom Hanseatischen
Schon richtig: Als die Pfälzer noch auf den Bäumen wohnten, der aufrechte Gang nur intermittierend zu leisten war, und der, der gerade auf dem höchsten Baum saß, uns durch schrille »Aiiick-aiiick!«-Schreie vor der nahenden Cro-Magnon-Horde warnte, da haben die Hanseaten bereits die Globalisierung vorangetrieben. Leider haben sie das sogleich wieder aufgegeben, und das materialistische Wirtschaftsteufelchen hinter meinem Ohr will mir flüstern, daß das ohne die gleichsam neandertalerische Primitivität der nicht hochseetauglichen Hansekoggen nicht erklärbar ist. (Der chinesische Schiffbau war zu dieser Zeit um Äonen weiter, zum Beispiel durch das bewegliche Schwert.)
Immerhin hat Hamburg die meisten Millionäre pro Einwohner – ein Apercu aus der Abteilung »Die Wahrheit gesagt und doch gelogen«. Denn HH hat in Deutschland auch die meisten Sozialhilfeempfänger in Relation zur Einwohnerzahl. Manchmal sieht die Realität tatsächlich genau so aus, wie der kleine marxistisch-leninistische Moritz sich den Kapitalismus vorstellt.
Bremen ist ärmer, HH ist arm. HH ist eine strukturschwache Region. Dons Formulierung von den »Besitzstandswahrern«, die darum die Verlierer sind, trifft es im Kern. Mir war das selbst nicht ganz klar, bis im vergangenen November der Präsident einer wichtigen HH-Institution, die sich um Sponsoren bemüht, in einer internen Präsentation die wirtschaftlichen Realdaten der Stadt vorstellte. »Strukturschwaches Gebiet« war seine Konklusio aus den deprimierenden Wirtschaftsdaten, und: sinnlos, in diesen verdorrten Landschaften nach Sponsorenabdeckung des Finanzbedarfs zu suchen.
Marx stellte zutreffend fest, daß die Zirkulation als solche entscheidet; nicht, an wie vielen Stellen das von der Zirkulation ausgeschwitzte Surplus sich ansammelt. In verständlichem Deutsch: Der Reichtum einer Stadt bemißt sich nicht nach der Anzahl der dort polizeilich gemeldeten Reichen, sondern danach, was insgesamt wirklich abgeht. Und das, so mußte ich mich im November belehren lassen, ist in HH dürftig.
Aber es gäbe doch »eine Macht-/Einflussschicht, die dezent im Hintergrund bleibt und sich aus alteingessenen hanseatischen Kaufleuten rekrutiert«, wozu mir spontan der Wurstkessel-Multimillionär einfällt, der mit seinem Metzgerei-Geld der braunen Koks-Socke Ronald Schill zum Erfolg verholfen hat – sehr dezent, sehr hanseatisch.
Was nun wieder das verschmockte »Alteingesessene« betrifft, so stellt gerade das von hella empfohlene Buch klar, wie sehr die selbsternannten hanseatischen Alteingesessenen doch Glück hatten, im Rahmen der Nürnberger Prozesse nicht altaussehend einzusitzen, schwammen sie doch nicht auf der Kogge-Tradition, sondern auf der Arisierungswelle einher.
Nun möchte ich es doch noch kulturell versöhnlich ausklingen lassen. Empfahl ich beim letzten Mal Becketts »Krapp«, so diesmal, ganz statuarisch-gymnasial, die »Buddenbrooks«. Wie sehr die klassische Hanseaten-Zeit bereits zu ihrer Zeit Ideologie war, ist Thema des Romans. Und immer wieder lustig: der Auftritt des tumben Bayern.
Dennoch gibt es da etwas, das man spüren kann, und das ich nicht in Abrede stellen will. Es ist aber nur negativ – durch die Negation hindurch – bestimmbar. Will man es positiv fassen, flutscht es aus den Händen, und zurück bleiben nur Ideologie und Kitsch.
Immerhin hat Hamburg die meisten Millionäre pro Einwohner – ein Apercu aus der Abteilung »Die Wahrheit gesagt und doch gelogen«. Denn HH hat in Deutschland auch die meisten Sozialhilfeempfänger in Relation zur Einwohnerzahl. Manchmal sieht die Realität tatsächlich genau so aus, wie der kleine marxistisch-leninistische Moritz sich den Kapitalismus vorstellt.
Bremen ist ärmer, HH ist arm. HH ist eine strukturschwache Region. Dons Formulierung von den »Besitzstandswahrern«, die darum die Verlierer sind, trifft es im Kern. Mir war das selbst nicht ganz klar, bis im vergangenen November der Präsident einer wichtigen HH-Institution, die sich um Sponsoren bemüht, in einer internen Präsentation die wirtschaftlichen Realdaten der Stadt vorstellte. »Strukturschwaches Gebiet« war seine Konklusio aus den deprimierenden Wirtschaftsdaten, und: sinnlos, in diesen verdorrten Landschaften nach Sponsorenabdeckung des Finanzbedarfs zu suchen.
Marx stellte zutreffend fest, daß die Zirkulation als solche entscheidet; nicht, an wie vielen Stellen das von der Zirkulation ausgeschwitzte Surplus sich ansammelt. In verständlichem Deutsch: Der Reichtum einer Stadt bemißt sich nicht nach der Anzahl der dort polizeilich gemeldeten Reichen, sondern danach, was insgesamt wirklich abgeht. Und das, so mußte ich mich im November belehren lassen, ist in HH dürftig.
Aber es gäbe doch »eine Macht-/Einflussschicht, die dezent im Hintergrund bleibt und sich aus alteingessenen hanseatischen Kaufleuten rekrutiert«, wozu mir spontan der Wurstkessel-Multimillionär einfällt, der mit seinem Metzgerei-Geld der braunen Koks-Socke Ronald Schill zum Erfolg verholfen hat – sehr dezent, sehr hanseatisch.
Was nun wieder das verschmockte »Alteingesessene« betrifft, so stellt gerade das von hella empfohlene Buch klar, wie sehr die selbsternannten hanseatischen Alteingesessenen doch Glück hatten, im Rahmen der Nürnberger Prozesse nicht altaussehend einzusitzen, schwammen sie doch nicht auf der Kogge-Tradition, sondern auf der Arisierungswelle einher.
Nun möchte ich es doch noch kulturell versöhnlich ausklingen lassen. Empfahl ich beim letzten Mal Becketts »Krapp«, so diesmal, ganz statuarisch-gymnasial, die »Buddenbrooks«. Wie sehr die klassische Hanseaten-Zeit bereits zu ihrer Zeit Ideologie war, ist Thema des Romans. Und immer wieder lustig: der Auftritt des tumben Bayern.
Dennoch gibt es da etwas, das man spüren kann, und das ich nicht in Abrede stellen will. Es ist aber nur negativ – durch die Negation hindurch – bestimmbar. Will man es positiv fassen, flutscht es aus den Händen, und zurück bleiben nur Ideologie und Kitsch.
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